Körperanalyse, aber richtig – so macht's der Profi
Hintergrund

Körperanalyse, aber richtig – so macht's der Profi

Ich habe die Nase voll von meinem Schlabberbauch. Der muss endgültig weg. Und dieses Mal hole ich mir Hilfe von der Wissenschaft.

Letzten Sommer habe ich herausgefunden, wieso das mit dem Waschbrettbauch bei mir nicht funktionieren will. Ja, schon klar, zuviel vom Falschen auf dem Teller. Aber eben nicht nur. Mein Bauchfett hat noch andere Gründe:

  • Produkttest

    Köperanalysewaage im Test: Tanita RD-545

    von Patrick Bardelli

Meinen Schlabberbauch trage ich schon lange mit mir herum. Der Kontakt zur ETH hingegen ist relativ neu. Claudio Viecelli ist Molekular- und Muskelbiologe an der ETH Zürich. Ich habe ihn letzten Herbst beim Jagen kennengelernt. Nun sitze ich in einem Büro und bestaune ein imposantes Möbel von General Electric namens Lunar iDXA. Das steht für «Dual-energy X-ray Absorptiometry». Was das genau bedeutet, versuche ich herauszufinden. Claudio wird das Fitnessstudio auf dem Campus Irchel digitalisieren. Die Daten, die er auf diese Weise erhält, dienen seiner Forschung im Bereich der Muskelphysiologie. Er untersucht die effizientesten und effektivsten Krafttrainingsstrategien, um die Muskelmasse zu erhöhen.

Körperanalyse mit Röntgenstrahlung

Was sagen dir die Daten?
Claudio Viecelli, Molekular- und Muskelbiologe, ETH Zürich:
Neue Technologien, zum Beispiel Sensoren, geben uns die Möglichkeit, das Krafttraining wesentlich genauer zu erfassen als bis dato. Damit wir einen Stimulus überhaupt quantifizieren und vergleichen können, müssen wir diesen wissenschaftlich exakt beschreiben. Es ist nicht ausreichend, nur die mit einem Gewicht geleistete mechanische Arbeit, in Form von Anzahl Sätzen und Anzahl Repetitionen, zu beschreiben. Die Digitalisierung erlaubt es uns erstmalig, ein Krafttraining sehr genau zu erfassen und dementsprechend zu analysieren. Mit diesen Daten lassen sich beispielsweise Trainingspläne noch besser den individuellen Bedürfnisse anpassen.

Warum braucht es dazu eine Körperanalyse mittels Röntgenstrahlung?
Erstens ist diese Methode wesentlich exakter als die bekannte bioelektrische Impedanzanalyse, kurz BIA. Und zweitens benötige ich für meine Forschung möglichst viele, möglichste genaue Daten. Das Studiendesign sieht im Moment vor, dass wir drei Körperzusammensetzungs-Messungen machen. Vor dem Studienbeginn, in der Mitte der Studiendauer und am Ende der Studie. Zuerst analysieren wir also die Körperzusammensetzung und danach trainieren die Probanden an den digitalisierten Geräten. Dies erlaubt uns Rückschlüsse auf die durch das Krafttraining induzierten Veränderungen der Körperzusammensetzung zu ziehen. Mittels Krafttrainingsdaten können wir die Trainingsstrategie nachvollziehen.

Was unterscheidet dieses Gerät von General Electric von den gängigen medizinischen Körperanalysewaagen wie Tanita oder InBody?
Diese messen den Widerstand mit Strom. Wir schicken Röntgenstrahlung mit zwei unterschiedlichen Energien durch das Objekt. Die Röntgenstrahlung trifft auf ein Objekt und durchläuft dieses. Die Intensität der Strahlung beim Austritt des Objekts ist abhängig von Länge, Absorption und/oder Streuungseffekten des durchlaufenen Objekts. Sie nimmt exponentiell ab und ist geringer als die Eintrittsstrahlung. Aufgrund unterschiedlicher Atomgrössen der Elemente, besitzt nun jedes Element einen spezifischen Dämpfungskoeffizienten pro Energie. Da wir bei zwei unterschiedlichen Energien unterschiedliche Dämpfungskoeffizienten erhalten, können wir diese ins Verhältnis setzen. Diese Verhältniszahlen sind unterschiedlich für jedes einzelne Element. Somit sind wir in der Lage die atomare und/oder molekulare Zusammensetzung eines durchstrahlten Objekts zu quantifizieren.

Das geht folgendermassen.
Das geht folgendermassen.
Hä?
Hä?

Wie berechnest du den konkret?
Nehmen wir an, du jagst einmal 40 und einmal 70 Kiloelektronenvolt durch ein Atom. Dann erhältst du eine unterschiedliche Dämpfung und einen entsprechend unterschiedlichen Dämpfungskoeffizienten. Jetzt setzt du die unterschiedlichen Dämpfungskoeffizienten ins Verhältnis und erhältst einen Wert von zum Beispiel 1.2906 für ein Proteinmolekül. Das Gerät tut dies nun mit jedem deiner Moleküle. Auf diese Weise hast du einen Wert für Protein, Zucker, Wasser und so weiter. Aufgrund dieser Daten kannst du dann eine Aussage über die Zusammensetzung machen.

Aber die BIA macht doch im Prinzip auch nichts anderes, oder? Der Strom wird über Hände und Füsse durch den Körper gejagt und misst den Widerstand. Knochen bieten mehr Widerstand als Muskeln. Muskeln bieten mehr Widerstand als Fett und so weiter.
Ja schon, aber dieses Gerät hier ist sehr genau. Würden wir dich zweimal nacheinander mit Neupositionierung auf dem DXA-Gerät messen, würde der Unterschied nur bis zirka ein Prozentpunkt ausmachen, während die Unterschiede bei BIA-Geräten bis zu fünf Prozentpunkte betragen. Wir reden hier also vom Goldstandard in Sachen Körperanalyse.

Und für wen ist diese Methode geeignet? Immerhin handelt es sich um eine Investition von rund 100 000 Franken. Zum Vergleich: Eine medizinische BIA-Waage kostet etwa zehnmal weniger.
Das Bundesamt für Sport führt beispielsweise mit seinen Athleten solche DXA-Messungen durch. Ich persönlich finde es interessant, meinen Fortschritt wissenschaftlich begleitet zu messen. Aber natürlich macht das nur dann Sinn, wenn du dich sportlich weiterentwickeln willst und mit dem entsprechenden Approach ins Gym gehst. Und ja, die Investition für ein Fitnessstudio wäre enorm.

Der Goldstandard, Hüftgold und ein Knie

Na dann. Gelegenheit macht Analyse. Wenn ich schon mal hier bin, lege ich mich auf das Röntgengerät und lass mich durchleuchten. Jedoch nicht, ohne vorher mit Claudio über das Thema Strahlung gesprochen zu haben. «Keine Sorge», meint dieser. An einem Tag in den Bündner Bergen bekäme ich etwa gleich viel Strahlung ab, als durch dieses Gerät. Die Strahlung beträgt etwa 1/6 eines Transatlantikflugs. Dann fliegen wir mal los. Das dauert etwa fünf Minuten und mein Körper ist analysiert.

Aussenansicht
Aussenansicht
Der Blick ins Innere. Scheint Spass zu machen.
Der Blick ins Innere. Scheint Spass zu machen.

Und was sagen die nackten Zahlen? General Electric hat in den USA die Daten einer Referenzgruppe erfasst. Diese dient als Vergleichsgrösse. Ich befinde mich in meiner Altersgruppe knapp im ersten Drittel. Vereinfacht ausgedrückt: Rund 65 Prozent der Referenzgruppe hat eine «schlechtere» Körperzusammensetzung. Also im Prinzip mehr Gewicht, schlechteren BMI, mehr Körperfett, weniger magere Muskelmasse. Okay, damit kann ich ganz gut leben. Jedoch nicht mit einem Körperfettanteil von 28.4 Prozent. WTF! Die letzte Messung im Juni 2019 mit einer InBody 720 ergab bei fast identischem Gewicht ein Körperfett von 17.8 Prozent. Woher kommen jetzt plötzlich diese zehn Prozent Fett? So viel Hüftgold ist es nicht. Claudio hat eine der möglichen Ursachen gefunden.

«Dein linkes Bein ist ein Kilo leichter als dein rechtes. Es hat jedoch einen über zwei Prozent höheren Fettanteil.» Ich bin beeindruckt. Im Dezember musste ich mein linkes Knie operieren. Knorpelschaden. Davor und seither konnte ich das Bein während Monaten nicht richtig belasten. Ja, diese Erklärung macht Sinn. Und die restliche Differenz? «Vergiss nicht, wir reden hier vom Goldstandard», meint Claudio. «Wahrscheinlich misst die InBody halt nicht so exakt», fährt er mit einem Schmunzeln fort.

Fett runter, Muskeln rauf

Alles klar. Dann heisst es für mich in den nächsten Monaten: einerseits Reduktion des Fettanteils, andererseits weiterer Muskelaufbau. Also Gewichte stemmen und noch mehr auf die Ernährung achten. Passend zur Jahreszeit, denn der Beachbody vom nächsten Sommer wird jetzt gemacht. Und ich will endlich mein Sixpack. «Weisst du eigentlich, wie viel Kilokalorien einem Gramm Fett entsprechen?» Claudio reisst mich unvermittelt aus meiner Waschbrettbauchfantasie. Nein, ich habe keine Ahnung. Und darüber habe ich mir ehrlich gesagt auch noch nie Gedanken gemacht. Gut, bin ich beim Wissenschaftler. Es sind 9 kcal pro Gramm Fett.

Milchbüechlirächnig
Milchbüechlirächnig

Wenn ich also sechs Kilo Fett loswerden will, dann entspräche dies ungefähr 54 000 kcal. Obwohl menschliche Fettzellen zusätzlich aus Proteinen und Wasser bestehen, und der reine Fettanteil nur zirka 80 bis 90 Prozent beträgt, rechnen wir einfachheitshalber mit 9 kcal pro Gramm Fett. «Über welchen Zeitraum willst du dein Fett reduzieren?», fragt Claudio. Sagen wir mal in 90 Tagen? Das entspräche dann einem täglichen Kaloriendefizit von 600 kcal. Meine Food-Track-App sagt, ich darf pro Tag 1 950 kcal zu mir nehmen, ohne langfristig mehr auf die Waage zu bringen. Also läuft alles auf 1 350 kcal pro Tag hinaus. Scheisse, ist das wenig. Dann verteile ich das Defizit halt auf 150 Tage. So sind es noch 360 kcal minus pro Tag. Mit knapp 1 600 kcal täglich kann ich (vermutlich) leben. Ich probier's.

Und was meint Claudio Viecelli von der ETH zu meinem Vorhaben? «Sechs Kilo Fett in fünf Monaten weg? Mit ein wenig Disziplin schaffst du das. Wir sehen uns Ende Juni und messen nochmals. Dann schauen wir, wie sich die Zusammensetzung verändert hat.»

Claudios kritischer Blick auf meine Zusammensetzung.
Claudios kritischer Blick auf meine Zusammensetzung.

Folge meinen 54 000 Kilokalorien Bauchfett auf ihrem Weg ins Nichts. Hier geht's zum schlanken Autorenprofil.

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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