Mercedes-Benz EQC 400 AMG Line 4Matic
Elektro, 408 PS
Mercedes-Benz bringt zwei fast identische Autos auf den Markt. Eines elektrisch, das andere fast leistungsgleich mit Bleifrei. Rechnen wir durch: Was ist günstiger? Und ab wann?
«Elektroautos sind zu teuer», heisst es da und dort. Stimmt, das Preisschild auf einem Elektrofahrzeug ist grösser. Und dann solltest du dir auch noch einen Wall Charger für deine heimische Garage kaufen. Und die muss dann auch noch fachmännisch installiert werden. Da kaufen wir lieber den Benziner und haben nach dem Kauf Ruhe. Oder doch nicht?
Zeit, nachzurechnen.
Da so eine Rechnung aber möglichst genau sein sollte, kann ich nicht einfach einen Tesla Model 3 Plaid mit einem Peugeot 206, Baujahr 2001, vergleichen. Eine solide Datenbasis muss her.
Für diesen Vergleich ziehe ich ein Auto heran, das elektrisch ist, aber nicht so aussieht: der Mercedes-Benz EQC 400 AMG Line 4Matic. Denn mit ihm kann der wohl genaueste Vergleich gemacht werden, der möglich ist. Grund: Der EQC – lassen wir den ganzen Namen mal weg – ist im Wesentlichen ein Mercedes GLC, bei dem der Motor ausgetauscht wurde. Sprich: Es gibt eine Benzin-Version desselben Fahrzeugs.
Dazu lassen wir alle Steuervergünstigungen und dergleichen weg, die du beim Kauf oder wegen des Besitzes eines Elektrofahrzeugs erhältst. Denn diese sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich.
Mercedes-Benz hat mit dem EQC sein Elektro-Debüt gegeben. Das Auto wiegt 2640 Kilogramm, ist mit einem 80-kWh-Akku ausgestattet, hat eine Reichweite von 400 Kilometern und leistet 308 kW oder 408 PS. Er kostet 76 600 Franken ohne irgendwelche Steuervergünstigungen.
Kleine Anmerkung: Als Neufahrzeug beim Mercedes-Händler kostet der EQC in seiner Standardausführung 77 700 Franken.
Der Elektro-Benz tritt gegen seinen Bruder an, den Mercedes GLC.
Typisch Benziner gibt es nicht nur die eine Edition des Mercedes-Benz GLC. Daher müssen wir für einen möglichst fairen Vergleich ein Fahrzeug zusammenstellen, das möglichst gleiche Leistung bringt. Auf der offiziellen Website des Herstellers findest du einen Konfigurator.
Der Mercedes-Benz AMG GLC 43 4MATIC leistet 287 kW oder 390 PS und trinkt Bleifrei 98. Alle anderen Optionen belassen wir auf den Standardwerten. Das Resultat ist ein Fahrzeug, das uns 89 600 Franken kostet.
Jetzt, wo wir die Datenbasis haben, können wir rechnen.
Der Fall ist klar. Der EQC gewinnt. Der GLC kommt zwar in einer günstigeren Edition auf 60 600 Franken. Aber im technologisch bestmöglichen gleichen Vergleich sieht das so aus.
Game Over. Der EQC gewinnt die erste Runde. Der GLC kostet 13 000 Franken mehr. Aber: Zusatzkosten kommen ins Spiel.
Eine Tankstelle kannst du bei dir zu Hause nicht installieren. Aber, wie die folgende Rechnung zeigt, lohnt sich die Anschaffung eines Wall Chargers für die Garage. Dieser muss fachmännisch installiert werden. Beim Wall Charger würde ich nicht sparen. In der ein oder anderen Situation bist du froh, wenn der Charger möglichst viele Kilowatt in möglichst kurzer Zeit ins Auto lädt. Die bis im August 2021 schnellsten und einigermassen vernünftig kaufbaren Charger liefern 22 kW.
Achtung: Vielleicht kannst du gar keine Wallbox installieren. Kommt drauf an, wo und wie du wohnst. Ratschläge zur Installation und weitere Fragen beantwortet dir Kollege Martin Jungfer in folgendem Beitrag.
Anekdotisch kostet die Installation einer Wallbox 2350 Franken beim lokalen Elektriker, also mehr als die Wallbox selbst. Der Preis beinhaltet die Installation eines Starkstromanschlusses in der Garage. Wenn du so einen schon hast, dann wird die Sache günstiger. Bei der Installation kommen x Faktoren hinzu, wie zum Beispiel noch ein Netzwerkkabel bei einigen Boxen, weshalb diese Kostenschätzung mit Vorsicht zu geniessen ist und von Elektriker zu Elektriker und von Garage zu Garage unterschiedlich sein kann. Du kannst das hier einmal grob durchspielen.
Da macht der GLC einen Punkt.
Total sieht die Kostenaufstellung jetzt so aus:
Der Elektro-Mercedes liegt also immer noch 9081 Franken vor dem Benziner.
Jetzt sind wir fahrbereit. Irgendwann ist der Akku dann leer. Der Tank auch. Daher müssen wir wieder auffüllen. Im folgenden Beispiel laden wir den Akku des EQC auf 100 Prozent. Das machen Elektroauto-Profis eher selten, aber wir spielen den Vergleich fair. Auch den Tank deines GLC füllst du tendenziell nicht nur zu 80 Prozent..
Der GLC in unserem Beispiel hat einen Verbrauch von 10.2 Litern Bleifrei 98 auf 100 Kilometer. Das Benzin kommt aus einem 66-Liter-Tank.
Der EQC verbraucht 19.7 kWh auf 100 Kilometer. Diese kommen aus dem 80 kWh starken Akku.
Im August 2021 kostet ein Liter Bleifrei 98 durchschnittlich 1.80 CHF. Damit kosten die 66 Liter, um den GLC aufzutanken 118.80 CHF.
Strompreise werden in Hochtarif und Niedertarif geteilt. Auf dem Netz der Elektrizitätswerke Zürich (EWZ) kostet die Kilowattstunde Strom für Elektrofahrzeuge zum Hochtarif 0.3797 CHF – also über Mittag und von 18 bis 20 Uhr – und zum Niedertarif zwischen 22 Uhr und 6 Uhr 0.1385 CHF. Für eine volle Ladung fallen zwischen 11.08 und 30.38 CHF an.
Ein voller Tank beziehungsweise Akku sieht mit Wallbox in der heimischen Garage so aus.
Solltest du keine Wallbox zu Hause haben oder diese nicht installieren können, so bleibt dir nichts anderes übrig, als an einer der schweizweit 6200 öffentlichen Ladesäulen auf dem SwissCharge-Netz zu laden. SwissCharge ist der De-facto-Standard in der Schweiz, wenn es um eine einheitliche Ladelösung geht. Du kannst praktisch jede Ladesäule anfahren und mit der App laden, sofern dein Auto kompatibel mit der Ladesäule ist.
Anekdotisch lässt sich sagen:
Die Preise an öffentlichen Ladesäulen sind höher als die Preise mit einer Wallbox zuhause zum Niedertarif. Im Schnitt kostet die Kilowattstunde auf dem SwissCharge-Netz 0.365 Franken.
Damit sieht der Preisvergleich für einen vollen Tank mit öffentlichen Ladesäulen so aus:
Damit der Preisvergleich zwischen Hochtarif und öffentliche Ladesäulen etwas deutlicher wird, hier dasselbe Diagramm aber ohne den GLC.
Nicht in diese Preise eingerechnet sind allfällige Kosten für den Parkplatz zur Ladesäule. Einige Charger sind in öffentlichen Tiefgaragen aufgestellt, für die du zusätzlich Parkgebühren zahlen musst.
Angenommen, unsere Testfahrzeuge haben einen linearen Verbrauch. Das heisst, egal, wie schnell wir die 100 Kilometer fiktive Teststrecke fahren, das Fahrzeug verbraucht dieselbe Menge Treibstoff. In diesem Beispiel sind also Dinge wie «Auto verbraucht mehr Saft, wenn es bergauf geht» nicht berücksichtigt.
Aber, die folgende Zahl hilft, die Kosten für die Fahrt in eine genauere Dimension zu setzen, da ein voller Akku den EQC nicht gleich weit bringt wie der Tank des GLC.
Das sieht so aus:
Etwas lebensnäher, aber immer noch theoretisch ist es, wenn wir diese Zahlen auf den täglichen Pendlerverkehr münzen. Im folgenden Beispiel vergleiche ich einen neu gekauften EQC mit und ohne Wallbox mit einem neuen GLC.
Der durchschnittliche Pendelweg der Schweiz beträgt 14.5 Kilometer für einen Weg. Das heisst pro Tag 29 Kilometer. Das Jahr 2021 hat 256 Arbeitstage, wovon noch 20 Ferientage abgezogen werden. Also 236. Die totale Distanz, die unsere Testfahrzeuge pendeln, beträgt also 6844 Kilometer.
Im Diagramm sieht das so aus, wenn wir den EQC plus Wallbox plus Installation kaufen. Und zum Vergleich, wenn wir uns den GLC in die Garage stellen.
Total sieht das so aus:
Fazit: Als EQC-Fahrer sparst du im ersten Jahr zwischen 10 117.83 und 10 447.98 Franken.
Eines fällt aber auf, wenn wir den Betriebskosten oben die Kosten des Autos abziehen: Das Benzin ist günstiger als der Strom plus die Wallbox, plus die Installation.
Das ist deutlich. Im ersten Jahr kostet dich der Betrieb des EQC mit Wallbox zwischen 4108.58 und 4438.87 Franken. Auf dem SwissCharge-Netz kostet dich ein Jahr im Schnitt 499.61 Franken. Das Benzin des GLC kommt dir 1256.56 Franken zu stehen, angenommen die Benzinpreise schwanken nicht allzu heftig.
Stellt sich die Frage: Wie lange dauert es, bis sich die Kosten der Installation einer Wallbox amortisieren. Wenn wir mit den 236 Pendeltagen à 29 Kilometer und gleichbleibenden Kosten rechnen, dann sieht das so aus:
Die Antworten:
Das ist aber die Betrachtung, ohne die Kosten des Autos, sondern nur die der Extra-Anschaffung plus Benzinkosten. Wenn wir die Preise des Fahrzeugs mitrechnen – 76 600 CHF für den EQC und 89 600 für den GLC – dann sieht die Kurve so aus.
Präventive Anmerkung, um Kritik zu begegnen: Der Übersichtlichkeit halber habe ich die Vertikale gestutzt. Dem liegt ein technologisches Problem von Galaxus zugrunde. Damit du die Linien im Diagramm auch auf Mobile erkennst, muss ich sie dicker machen. Zoomen können wir nicht. Wenn ich die Grafik im Original mit den dicken Linien gemacht hätte, wären sie zu nahe beieinander gelegen. Ich hoffe, dass keine Verwirrung entsteht.
Damit du möglichst viel Niedertarifstrom lädst, kannst du entweder im Fahrzeug oder in der Ladesäule definieren, wann kein Strom zwischen deinem Charger und dem EQC fliessen soll. Das geht in so ziemlich allen Electric Vehicles. Daher ist Monat 45 durchaus greifbar, bedarf aber initiales Setup.
Zum Schluss noch dies: Das Laden mit SwissCharge ab Monat 0 klingt erstmal reizvoll. Aber es gibt nur wenige Charger, die keine Parkgebühren verlangen, vor allem nicht in den Städten, wo das Charger-Netzwerk gut ausgebaut ist.
Rechnen wir das schnell durch. Pro Jahr pendelt der EQC 6844 Kilometer. Für diese Distanz braucht er 1368.8 kWh Strom. An einem GoFast-Charger in einer Tiefgarage unter einer Migros kostet die Kilowattstunde Strom 0.49 Franken. Total kostet das 670.71 Franken pro Jahr.
Damit der EQC die 6844 Kilometer zurücklegen kann, muss er 17.11 mal aufgeladen werden. Pro Ladevorgang kommen in der öffentlichen Parkgarage 2 Franken Parkgebühren dazu. Daher können wir den 670.71 Franken noch 34.22 Franken Parkgebühren draufrechnen. Damit sind wir bei 704.93 Franken Treibstoffkosten pro Jahr. Immer noch günstiger als die 1256.56 Franken Benzin des GLC.
Aber, und das ist ein Aspekt, den du nicht unterschätzen darfst: Es ist unbequem. Mit jedem öffentlichen Ladevorgang verbringst du etwa eine Stunde an einer Ladesäule. Wenn du unter einem Supermarkt bist, dann hast du Glück. Agrola Charger haben oft einen kleinen Shop und der Fast Charger am Golfplatz Albis hat ein gemütliches Restaurant. Aber es kann vorkommen, dass da gar nichts ist. Eine Steckdose irgendwo an einer Säule, aber sonst nichts. Dann leidest du Langeweile.
Wenn du aber zuhause über Nacht lädst, dann schläfst du und dein Auto macht das für dich.
Das könnte Mercedes übrigens lösen, indem Netflix oder Youtube auf dem Bildschirm des EQC laufen würden. Dann ginge das locker. Sonst einfach ein Buch ins Handschuhfach und dann passt das auch. Oder ein iPad, wenn es unbedingt audiovisuell sein soll.
Da hat der GLC die Nase vorn: Eine normale Tanksäule liefert etwa 35 Liter Benzin pro Minute. Das heisst der 66-Liter-Tank des GLC ist innerhalb von 113.14 Sekunden von leer auf voll getankt.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.