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Krebsvorsorge: KI entdeckt Lungenkrebs, lange bevor er sichtbar wird

Anna Sandner
21.4.2023

Forschende in Boston stehen kurz vor einem großen Fortschritt bei der Lungenkrebsvorsorge: Künstliche Intelligenz kann frühe Anzeichen der Krankheit finden, Jahre bevor sie auf einem CT-Scan erkennbar sind.

Zeit ist ein entscheidender Faktor, wenn es um die Behandlung von Krebs geht. Deshalb wird Risikopersonen zur Früherkennung von Lungenkrebs eine regelmäßige, niedrig dosierte CT-Untersuchung empfohlen. Radiologinnen und Radiologen können die Krebsentwicklung dann anhand der CT-Aufnahmen entdecken. Diese Screenings können das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, heute bereits um bis zu 24 % senken. Aber selbst bei regelmäßigem Kontrolluntersuchungen kann das geschulte Auge nicht alles erkennen. Hier kommt die künstliche Intelligenz «Sybil» ins Spiel.

KI erkennt Krebs, lange bevor er auf CT-Scans sichtbar ist

Das neue KI-Tool birgt die Chance, dem Lungenkrebs noch wesentlich früher zuvorzukommen und so lebensrettende Zeit für die Behandlung zu gewinnen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 86 bis 94 Prozent kann «Sybil» vorhersagen, ob eine Person im nächsten Jahr an Lungenkrebs erkranken wird. Das haben Forschende des Mass General Cancer Center und des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge in ihrer Studie ««Sybil»: A Validated Deep Learning Model to Predict Future Lung Cancer Risk From a Single Low-Dose Chest Computed Tomography» gezeigt. In der Radiologie kommen bereits jetzt weitere KI-Tools zum Einsatz, die meist zur Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten bei der Diagnose und Behandlung von Krebs eingesetzt werden. Zur Vorhersage des zukünftigen Krebsrisikos einer Person ist «Sybil» aber bislang einzigartig.

Noch ist «Sybil» zwar nicht für den Einsatz außerhalb klinischer Studien zugelassen, doch wenn es soweit ist, könnte die KI eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Früherkennungsrate von Lungenkrebs zu erhöhen und damit möglicherweise auch die Überlebensrate bei Betroffenen zu steigern.

Wie funktioniert «Sybil»?

«Sybil» sucht nach Hinweisen dafür, wo Krebs wahrscheinlich auftauchen wird und erkennt frühe Anzeichen von Lungenkrebs, die für das menschliche Auge auf einem CT-Scan noch nicht erkennbar sind. Um das Krebsrisiko vorherzusagen, stützt sich die KI auf einen einzigen CT-Scan. Sie analysiert das dreidimensionale Bild und sucht nicht nur nach Anzeichen für abnormales Wachstum in der Lunge, sondern auch nach anderen Mustern oder Störungen, die die Forschenden selbst noch nicht vollständig verstehen.

Auf der Grundlage dessen, was sie sieht, gibt «Sybil» dann Vorhersagen darüber, ob eine Person in den nächsten ein bis sechs Jahren Lungenkrebs entwickeln wird. So konnte «Sybil» in manchen Fällen bereits Anzeichen von Krebs entdecken, die vom menschlichen Auge erst Jahre später auf einem CT-Scan erkannt wurden. Das KI-Tool kann dadurch Radiologinnen oder Radiologen bei wichtigen Behandlungsentscheidungen unterstützen, sie aber nicht gänzlich ersetzen.

Die KI ist jedoch noch lange nicht perfekt

«Sybil» kann zukünftig einen entscheidenden Unterschied machen, allerdings noch nicht für alle. Und da zeigt sich das Problem, das häufig mit künstlicher Intelligenz einher geht: Die Informationen, mit denen «Sybil» trainiert wurde. Viele Daten, die aus medizinischen Einrichtungen oder klinischen Studien stammen, repräsentieren nicht die Vielfalt in der Bevölkerung. Dadurch werden KI-Tools nicht so entwickelt, dass sie beispielsweise auch für People of Color zuverlässig sind. Die Daten, die zur Entwicklung des KI-Tools verwendet wurden, umfassten noch nicht genügend schwarze oder hispanische Personen, um eine breite Anwendbarkeit gewährleisten zu können.

Derzeit wird daran gearbeitet, bei der Zulassung für medizinische Produkte sicherzustellen, dass bereits bei den Studien auf eine entsprechende Vielfalt geachtet wird, damit die Ergebnisse allen Menschen gleichermaßen zugutekommen.

Leben retten durch künstliche Intelligenz

Lungenkrebs zählt zu den häufigsten Krebsarten. 2019 starben laut dem Bundesamt für Statistik in der Schweiz 3014 Menschen an Lungenkrebs, 4500 Fälle wurden diagnostiziert. In Deutschland gab es im selben Jahr 47 560 Sterbefälle, die auf Lungenkrebs zurückzuführen waren. Eine frühere Diagnose kann buchstäblich Leben retten. Aber die Früherkennung von Lungenkrebs ist kompliziert. Wenn Symptome wie anhaltender Husten oder Atembeschwerden auftreten, ist der Krebs in der Regel bereits fortgeschritten und häufig nicht mehr zu stoppen.

Titelfoto:pexels/mart production

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.

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