
Krieg der Streamer: Netflix’ schrumpfende Wachstumszahlen
Netflix verzeichnet zwischen April und Juni 2019 weniger neue Abonnenten als angenommen. Schuld daran hätten aber nicht die anderen Streamer, sagt Netflix-Gründer und CEO Reed Hastings.
Netflix hat im zweiten Quartal 2019 deutlich weniger Abonnenten gewonnen als erwartet. Die Börse zeigt sich schockiert. Zumindest Anleger und Investoren der Netflix-Aktie. Denn die Anzahl der Netflix-Abos sei laut Hollywood Reporter zwischen April und Juni 2019 um «nur» 2,7 Millionen gewachsen.

Quelle: Rex / Shutterstock
Prognostiziert waren 5 Millionen neue Abos. Zur gleichen Zeit im Vorjahr betrug das Wachstum 5,5 Millionen Abos. In den USA, Netflix’ wichtigster Markt, soll die Anzahl Abonnements gar um 130 Tausend gesunken sein – zum ersten Mal seit Jahren. Und weil die Sorgen mit der wachsenden Konkurrenz in Zukunft nicht kleiner werden, ist der Wert der Aktie zwischenzeitlich um 12 Prozent gesunken. Weltuntergangsstimmung.
Dennoch will Netflix CEO Reed Hastings nichts von einem «Streaming War» – einem Krieg der Streamer – als Begründung für den momentanen Dämpfer wissen. Er sieht das Problem woanders.
Sind die fetten Jahre vorbei?
Für Hastings ist klar, dass der Dämpfer in puncto Wachstumszahlen nichts mit der drohenden Konkurrenz zu tun hat. In einem offenen Brief an die Investoren gibt er sich optimistisch:
In den nächsten Monaten werden zahlreiche Streaming-Anbieter in den Markt eintreten. Disney, Apple, Warner Media und viele andere, die sich zum bestehenden Angebot von Amazon, Youtube und Netflix gesellen. Der Wettbewerb wird für uns Anbieter hart, aber für die Verbraucher grossartig.
Also doch eine gewisse Form von «Krieg der Streamer». Nur stellt der Netflix-Gründer es so dar, als ob es für die Unternehmen etwas Positives wäre:
Die Innovation, die die Branche dadurch hervorbringt, zieht noch mehr Verbraucher weg vom linearen Fernsehen hin zum Streaming-Entertainment. Etwa, wenn sie «Our Planet» auf einem neuen Fernseher in UHD-Auflösung und mit Dolby Vision oder HDR10 schauen. Die Qualität ist spektakulär.
Hastings redet also nicht davon, dass der Kuchen, der zerstückelt wird, gleich gross bleiben muss – eine schöne Analogie von Leser danielrose1 aus diesem Artikel – sondern davon, dass der Kuchen automatisch grösser wird, wenn andere erst mal sehen, wie lecker er neuerdings schmeckt. Und überhaupt:
Wir haben bereits viele Fremdinhalte verlagert: Einen Grossteil unseres globalen Disney-Katalogs, «Friends», «The Office» und andere lizenzierte Inhalte, die in den kommenden Jahren auslaufen. Damit wird Budget frei für unsere eigenen Originale.
Macht Sinn – auch wenn Netflix die Fremdinhalte kaum so leichtfüssig weggegeben hat, wie Hastings es die Investoren glauben lassen möchte. Aber mit den gesparten Lizenzgebühren, die Netflix für alle «Star Wars»-Inhalte zahlen müsste, produziert der Streamer einfach seine eigene Weltraum-Oper. Etwa das durchaus beliebte «Lost in Space», das auf Rottentomatoes einen Zuschauerzuspruch von 73% findet.
Es ist sowieso nur ein einstelliger Prozentsatz der Streaming-Stunden, die unsere Verbraucher für Fremdinhalte gebrauchen. Die Vergangenheit hat bisher immer gezeigt, dass wenn beliebte Fremdinhalte weggefallen sind, unsere Zuschauer einfach zu unseren eigenen grossartigen Originalen gewechselt sind.
Auch das macht Sinn. Jedenfalls spricht für Hastings Darstellung, dass sich die Lage auf dem Markt zumindest im zweiten Quartal 2019 noch nicht gross verändert hat: Disney Plus wird erst im Herbst in den Vereinigten Staaten lanciert. Warner Medias HBO Max gar erst nächstes Jahr.
Die schrumpfenden Wachstumszahlen auf die drohende Konkurrenz zurückzuführen scheint – zumindest im Moment – unlogisch.
Schrumpfender Wachstum: Netflix sei selbst schuld
Woran sind Netflix’ Prognosen dann gescheitert? Reed Hastings führt den schrumpfenden Wachstum hauptsächlich auf die erst kürzlich erfolgten Preiserhöhungen zurück. Die hat’s nämlich in fast allen Länderregionen gegeben, in denen Netflix angeboten wird. Unter anderem auch in den USA, in Deutschland und in der Schweiz.
Zudem hätte das zweite Quartal «einfach keine Show geboten, die zum Wachstum beigetragen hätte», so Hastings. Nicht, dass die vorhandenen Filme oder Serien nicht beliebt wären. Adam Sandlers «Murder Mystery» etwa sei mit über 30 Millionen Sichtungen im ersten Monat der meistgesehene Netflix-Film aller Zeiten gewesen. Aber die im zweiten Quartal lancierten Shows hätten einfach weniger neue Abonnenten angelockt als erwartet. Hastings spricht von «schlechter Programmation».
Salopp gesagt: selbst schuld.
Netflix so: I’m not hurt
«Es gab nicht die eine Sache, die unsere Prognosen zunichte gemacht hat», sagt der Netflix CEO, der gar nicht lange darauf rumreiten will und sofort aufs kommende Quartal verweist. Denn dank dem Start der dritten Staffel von «Stranger Things» sei Netflix bereits wieder «stark» unterwegs. Dazu kämen noch die finalen Staffeln von «The Crown» und «Orange Is the New Black».
Also alles nur ein kleiner Fauxpas? Eine Antwort darauf werden wir frühestens dann kriegen, wenn mit Apple, Disney Plus und HBO Max jene Konkurrenz am Kuchen schnibbelt, den sich momentan hauptsächlich Netflix und Prime Video teilen.
Wie dem auch sei. Ich halte dich auf den Laufenden. Wenn du keine weiteren Hintergründe und News rund um die Welt des Kinos und Fernsehserien verpassen möchtest, dann folge mir mit einem Klick auf den «Autor folgen»-Button.
20 Personen gefällt dieser Artikel


Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»