LG G8X ThinQ: Das Gadget ist spannender als das Phone
6.9.2019
Video: Manuel Wenk
LG hat eine eigene Vision dessen, wie ein Falt-Phone auszusehen hat: das G8X ThinQ. Für sich genommen ein eher unspektakuläres Phone. Zusammen mit dem in der Hülle integrierten zweiten Display gibt’s aber ein Aha-Erlebnis.
Die IFA 2019 in Berlin steht ganz im Zeichen der Falt-Smartphones: Zuerst versucht Samsung ein zweites Mal, das Galaxy Fold auf den Markt zu bringen, dann doppelt LG mit dem G8X ThinQ nach.
Aber: Das Phone selbst, das es nur in der Farbe «Aurora Black» gibt, ist gar nicht der Star, weil es kein Falt-Smartphone in dem Sinne ist, dass sich das Display falten lässt. Stattdessen wird ein zweites Display via faltbares Case hinzugefügt. Faltbar heisst bei LG also nicht, dass die Bildfläche vergrössert wird, sondern Multitasking vereinfacht.
Clever. Denn so vermeidet LG direkte Konkurrenz, bis das eigene faltbare Display marktreif ist. Aber dazu komme ich später.
Wenn das Gadget spannender als das Phone ist
Das G8X ThinQ an sich ist nicht das spannendste Phone der Welt. Angetrieben wird’s von einem 855er Snapdragon SoC, hat 6 GB Arbeitsspeicher und einen internen Speicher von 128 GB. Das Dual-Cam-System auf der Rückseite besteht aus einer 12-MP-Standardkamera und einer 13-MP-Weitwinkelkamera. Die Frontkamera besitzt zwar einen 32-MP-Sensor, soll laut LG aber standardmässig Bilder bei 8 MP aufnehmen. An Bord sind ebenfalls Fast Charge 4.0, 4000mAh-Akku und 3.5mm Jack. Der Fingerabdrucksensor ist unter dem Glas.
Ziemlich gute Specs, sicher, aber nichts, was dich im Jahr 2019 vom Hocker haut. Ausser der 3.5mm Jack vielleicht.
Viel spannender als das Phone selbst – das sich beim kurzen Ausprobieren übrigens sehr geschmeidig hat bedienen lassen – ist das mitgelieferte Gadget: das Case mit eingebauten Zweitscreen.
Dieser Zweitscreen sei eine direkte Weiterentwicklung des am Mobile World Congress (MWC) 2019 vorgestellten LG V50 ThinQ: Beide Phones kommen mit einer Hülle, in der das zweite Display eingebaut ist. Aber anders als beim Vorgänger sind beim G8X beide Displays genau gleich: Farbdarstellung, Grösse, Auflösung und OLED-Display-Technologie. Das ist super, hat aber einen kuriosen Nebeneffekt: Obwohl im zweiten Bildschirm keine Frontkamera verbaut ist, hat er eine Notch. Lustig.
Uns wird erklärt, dass der Grund hauptsächlich ästhetischer Natur sei. Käufer sollen sich nicht von zwei unterschiedlichen Display-Formen ablenken lassen, so die Verantwortlichen am Stand. Das kaufe ich ihnen nicht ab. Vielmehr glaube ich, dass es für LG einfach günstiger ist, zwei Mal die exakt gleichen Bildkomponenten einzukaufen oder zu produzieren. Apropos günstig: Ein Blick in LGs Pressemitteilung verrät, dass das Phone zusammen mit dem Case für etwa 999 Euro auf den Markt kommen soll.
Ebenfalls wichtig: In Deutschland wird das G8X im Bundle mit Zweitscreen-Case auf den Markt gebracht. In der Schweiz hingegen diskutiere man noch mit den Netzbetreibern: Manche wollen ihren Kunden das Paket mit Case anbieten, andere Betreiber hingegen würden das Zweitscreen-Case lieber separat verkaufen. Updates hierzu sollen spätestens Ende Jahr folgen, wenn das G8X auf den Markt kommt.
Wie dem auch sei. Die viel wichtigere Frage ist, für wen das zweite Display überhaupt gedacht ist. Ich komme auf das oben erwähnte Konzept LGs zurück: Multitasking.
Use-Case: Multitasking
Also. Stell dir vor, du klappst das Phone in das Case rein. Da hat’s einen USB-C-Stecker im Case, der das G8X ThinQ mit dem Zweitscreen koppelt – 6.4-Zoll-Display mit FHD-Plus-Auflösung, bei beiden Screens. Das wirkt zwar etwas klobig, tat’s beim Galaxy Fold aber auch schon.
Jetzt könntest du zwei Apps gleichzeitig öffnen und parallel laufen lassen. Etwa YouTube auf der linken und WhatsApp auf der rechten Seite. So guckst du gleichzeitig Videos und chattest mit Freunden. Oder du öffnest neben dem Videogucken den Browser, um nach Dingen zu googeln, die dir im Youtube-Video aufgefallen sind. Oder du schreibst eine E-Mail auf der einen Seite und recherchierst im Web was auch immer dir gerade wichtig scheint.
Auch gut integriert: Die Foto-App. Wenn du ein Foto schiesst, kannst du dir auf dem anderen Screen die Vorschau anzeigen lassen, ohne dass du den Sensor-Modus verlässt. Praktisch. Du kannst die jeweils geöffnete App übrigens mit einem 3-Finger-Swipe zwischen den beiden Screens hin- und herschicken. Das macht mir mehr Spass als es sollte.
Einen Wide-Screen-Mode kennt das Smartphone auch. Nämlich im Webbrowser. Stellst du auf den Modus um, öffnet sich der Browser über beide Displays gleichzeitig. Sieht auch sehr schick aus.
Klappst du das Case zu, wird die vollverspiegelte Vorderseite sichtbar. Am oberen Rand hat die ein 2.1 Zoll grosses monochromes Display. Auf ihr werden hauptsächlich Uhrzeit, Datum, Akkustand und Benachrichtigungen angezeigt. Bei sehr hellem Licht ist das Display aber nur schwer zu erkennen.
Fazit: Dank dem Case ein spannendes Teil
Wie nützlich ist also das LG G8X ThinQ, das sich ganz dem Multitasking verschrieben hat? Eigentlich sehr. Der grösste Kritikpunkt dürfte sein, dass nur wenige Apps von Drittanbietern existieren, die das zweite Display wirklich ausnutzen. Eine davon ist etwa Fortnite, wenn auf dem einen Display das Game dargestellt wird und auf dem anderen ein Gamepad mit Steuerkreuzen erscheinen.
Der Vorteil der beiden identischen Screens ist dafür, dass Drittanbieter keine App-Anpassungen vorzunehmen brauchen oder im Phone extra intelligente Softwarelösungen programmiert werden müssen, die Apps auf die überdimensionale Displaygrösse eines Galaxy Fold oder Mate X anpassen: Das Zweitscreen ist für LG nie dafür gedacht gewesen, einfach bloss die Displaydiagonale zu vergrössern.
So oder so: Anwendungszwecke für das zweite Screen lassen sich mehr als genug finden. Natürlich unter der Bedingung, dass sie das eine übergreifende Konzept gemeinhaben: Multitasking.
Luca Fontana
Senior Editor
Luca.Fontana@digitecgalaxus.chAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»