
Produkttest
Der Mac Studio ist effizient, aber langsamer als ein PC
von Samuel Buchmann
Produkt-Präferenzen sind mitunter eine emotionale Sache. Das kann Spass machen, aber auch blind.
Kürzlich verglich ich zwei Computer. Am Ende stand fest:
Zwei Produkte, unterschiedliche Stärken. Welches Gerät besser ist? Geschmackssache. Genau das schrieb ich etwas ausführlicher in einem Artikel.
Die Kommentarspalte explodierte.
Weil Computer A ein PC war und Computer B ein Mac, kochten bei einigen die Emotionen hoch. Der Aussenflügel der einen Fraktion witterte bösartige Anti-PC-Propaganda, die Ultras des anderen Lagers vermuteten eine Anti-Mac-Verschwörung. Manche Kommentare waren gewürzt mit Empörung: Wie konnte ich es wagen, überhaupt einen Mac mit einem PC zu vergleichen! Die extremen Pole nahmen das Lob im Artikel für die Vorteile ihres bevorzugten Systems kaum wahr. Sie sahen rot bei der Erwähnung der Nachteile.
Das Beispiel ist nur eines von vielen. In praktisch jedem Test eines populären Geräts treten Fans und Hater auf den Plan. Egal wie differenziert und fundiert ein Review ist: An kritischen Stellen jammern die Fans – an lobenden schreien die Hater.
Wer das Internet kennt, nimmt das nicht persönlich. Es ist ein bisschen wie im Fussball: Wenn beide Teams ab und zu die Hände verwerfen, pfeift der Schiedsrichter wahrscheinlich ausgewogen.
Manche Leute legen sich nicht nur ein Gerät zu, sondern eine Gruppenidentität.
Trotzdem beeindruckt mich immer wieder aufs Neue, wie leidenschaftlich es beim vermeintlich trockenen Thema Elektronik zugeht. Bestimmte Computer, Kameras oder Smartphones sind für manche Leute eine Lebenseinstellung. Sie legen sich nicht nur eine Anordnung von Transistoren zu, sondern eine Gruppenidentität.
Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich das. Auch ich bin Fanboy einiger Produkte, zum Beispiel von dieser irrational teuren oder dieser irrational unpraktischen Kamera. Manchmal lässt sich nicht genau erklären, warum man ein Gerät oder eine Marke so gut findet. Es passiert einfach: Etwas trifft den eigenen Geschmack und man baut eine Bindung dazu auf. Das versuchen Hersteller mit Lifestyle-Marketing gezielt zu fördern.
Ist das schlimm? Nicht unbedingt. Man darf Marken mögen und Geräte dürfen Spass machen. Ist doch egal, ob die Freude auf knallharter Leistung oder Ästhetik und Haptik basiert. Letztere gehen bei der Beurteilung von Elektronik oft vergessen, weil sie nicht messbar sind. Unterbewusst haben sie trotzdem einen Wert.
Wie stark jemand emotionale Faktoren gewichtet, ist individuell. Den einen ist es wichtig, dass ihr Staubsauger einen Designpreis gewonnen hat, den anderen nicht. Ich freue mich über die perfekten Spaltmasse meines Laptops, dir ist das vielleicht egal. Entsprechend gehen die Meinungen darüber auseinander, welches Gerät welchen Preis wert ist.
Wer sich stark mit einem Produkt identifiziert, ist emotional investiert. Kritik am Lieblingsgerät ist dann ähnlich schlimm wie Kritik an einem Familienmitglied. Da geht's sofort in die Defensive oder Gegenoffensive. Es ist okay, die eigene Meinung über ein Produkt oder eine Marke mit anderen zu teilen. Nur zwei Sachen wünsche ich mir manchmal, wenn ich die Kommentarspalten lese:
Hier ein Beispiel aus der Kommentarspalte des oben erwähnten Artikels, das diese beiden Punkte perfekt umsetzt:
Etwas Gelassenheit ist gut. Denn Liebe zu Produkten kann zu weit gehen und blind machen. Durch die rosarote Brille lässt sich jede Wahl legitimieren. Jeder Makel ignorieren. Jeder Preis rechtfertigen. Auf der Digitec-Galaxus-Redaktion versuchen wir das während Tests zu vermeiden. Privat habe ich trotzdem schon Dinge gekauft, die ich wollte, aber auf keinen Fall brauchte.
Der Habenwollen-Faktor darf in eine Kaufentscheidung mit einfliessen. Wichtig ist bloss, sich nicht blenden zu lassen.
Der Trick ist, eine Balance zu finden. Der Habenwollen-Faktor darf in eine Kaufentscheidung mit einfliessen. Dazu darf man stehen, ohne es zu rationalisieren. Wichtig ist bloss, sich nicht blenden zu lassen, sondern bewusst und informiert zu entscheiden. Bei allen Emotionen sollte die Basis nicht ganz vergessen gehen: Anders als Kunst existiert ein Gerät nicht nur zum Selbstzweck. Es muss eine Aufgabe erfüllen, sonst ist alles andere vergeblich.
Wer das beachtet, kann sich gönnen und seine Geräte lieben – und gleichzeitig tolerant gegenüber anderen Meinungen sein. Es sind am Ende nämlich doch nur Transistoren.
Titelbild: Samuel BuchmannMein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.