Lohnen sich 108 Megapixel bei einem Smartphone?
108 Megapixel klingen bei einer Smartphone-Kamera beeindruckend. Aber braucht es eine so hohe Auflösung überhaupt?
Das Xiaomi Mi Note 10 ist das erste Smartphone im Handel mit einem 108-Megapixel-Sensor. Damit stellt sie meine erste Digitalkamera in den Schatten. Die hatte vor fast 20 Jahren nur drei Megapixel. Zu dieser Zeit war eine höhere Auflösung gleichbedeutend mit einer besseren Bildqualität. Das es für diese Gleichung eine physikalische Grenze gibt und ab einem bestimmten Wert mehr Megapixel nicht gleichbedeutend mit einer höheren Bildqualität sind, sollte sich herumgesprochen haben.
Kleine Sensorfläche und viele Pixel
Bei Smartphones mit ihren kleinen Sensoren – auf denen jeder einzelne Pixel immer kleiner wird und weniger Licht aufnehmen kann – fällt dieser Grenzwert niedriger als bei Spiegelreflexkameras mit deutlich größeren Sensoren aus. So ab zwölf Megapixel sehen Smartphone-Fotos nicht mehr automatisch besser aus. Die verbesserte Bildqualität der Smartphone-Kameras lassen sich zuletzt auf größere Blendenöffnungen und vor allem immer weiter verbesserte Software zurückführen. All dies hat Samsung nicht daran gehindert, einen 108-Megapixel-Sensor für Smartphones zu entwickeln und Xiaomi nicht davon abgehalten, ihn zu verbauen.
Die volle Auflösung musst du in der Kamera-App des Mi Note 10 aber immer extra auswählen. Standardmäßig nimmt das Smartphone Fotos mit 27 Megapixeln auf. Dafür fasst die Software jeweils vier nebeneinanderliegende Pixel zu einem Pixel zusammen. Das heisst «Pixel Binning» und soll die Bildqualität erhöhen, da jeder Bildpunkt aus den – im Idealfall besten – Daten von vier nebeneinanderliegenden Bildpunkten besteht.
Um zu sehen, welche Auswirkungen und Vorteile die volle Auflösung von 108 Megapixeln hat, habe ich alle Motive mit dem Xiaomi Mi Note 10 in beiden Auflösungen fotografiert. Zum Vergleich hatte ich noch das Samsung Galaxy Note 10+ mit einer Auflösung von zwölf Megapixeln dabei.
Einschränkungen bei voller Auflösung
Nimmst du Fotos mit voller Auflösung auf, stehen dir einige Funktionen nicht zur Verfügung. So fehlen zum Beispiel der Zoom und der Nachtmodus. Der Porträtmodus arbeitet ebenfalls nur mit reduzierter Auflösung. Bei Videos ist nicht mehr als UHD mit 30 fps drin, aber im Pro-Modus der Kamera-App kannst du die vollen 108 Megapixel immerhin noch auswählen.
Detailgenauigkeit
Willst du ein Detail aus einem Foto durch Reinzoomen hervorheben, klingt eine Auflösung von 108 Megapixeln gegenüber 27 Megapixeln vielversprechend. Ich habe einen Teil des Mauerwerks des Phoenixhof in Hamburg beim 108-Megapixel-Bild in Originalgröße (Ansicht 100 Prozent) ausgeschnitten und beim 27-Megapixel-Bild den gleichen Ausschnitt gewählt und zur besseren Vergleichbarkeit vergrößert. In der Breite bedeutet das fast genau eine Verdopplung von 429 auf 861 Pixel.
Hier das Originalbild mit 27 Megapixel:
Hier der Vergleich zwischen 27-Megapixel-Auflösung und 108-Megapixel-Auflösung:
Neben farblichen Unterschieden fällt auf, dass die Aufnahme mit niedriger Auflösung detaillierter wirkt. Hier scheinen sich die Software mit HDR-Effekten und das Pixel Binning bei der 27-Megapixel-Auflösung zu lohnen und die 108-Megapixel-Auflösung hinter sich zu lassen.
Im Vergleich mit dem Galaxy Note10+ zeigt sich, dass an dem Versprechen, durch die nachträglich reduzierte Auflösung die Bildqualität zu verbessern, etwas dran sein kann. Der von 108 auf 27 Megapixel runterskalierte Ausschnitt des Mi Note 10 wirkt detailreicher als der 12-Megapixel-Ausschnitt des Samsung Galaxy Note 10+. Das klingt weniger beeindruckend, wenn du dich daran erinnerst, dass das Xiaomi trotz reduzierter Auflösung immer noch mehr als doppelt so viele Megapixel hat. Aber vielleicht gilt es hier andersherum zu denken: Die 108 Megapixel und das Pixel Binning sind kein offensichtlicher Nachteil.
Gegenlicht
Bei der Gegenlichtaufnahme springt sofort der farbliche Unterschied zwischen den Aufnahmen mit 27 und 108 Megapixeln ins Auge. Hier greifen unterschiedliche Korrekturen – unter anderem der HDR-Effekt – in der Kamera-App. Bei 27 Megapixeln sorgen sie für natürlich wirkende Farben. In die Aufnahme mit 108 Megapixeln mischt die Kamera dagegen viel Blau ins Bild, dass deswegen kühler wirkt.
Das Galaxy Note10+ hat nicht nur eine andere Brennweite, sondern liefert auch ein dunkleres Bild ab. Dadurch wird die Sonne wieder ein runder Kreis und ist kein diffuser heller Fleck mehr.
Nacht
Bei Nacht ist kein großer Unterschied zwischen 27 und 108 Megapixeln zu erkennen. Erst, wenn du den Nachtmodus aktivierst, verändert sich die Aufnahme. Dunkle Bereiche werden heller und Überlichtungen verschwinden. Allerdings steht der Nachtmodus nur mit 27 Megapixeln zur Auswahl.
Beim Galaxy Note10+ fällt der Unterschied zwischen herkömmlicher Aufnahme und Nachtmodus nicht so stark aus, ist aber trotzdem unübersehbar vorhanden..
Digitaler Zoom
Nimmst du Fotos mit den vollen 108 Megapixeln auf, steht dir beim Mi Note 10 kein digitaler Zoom zur Verfügung. Der geht nur im 27-Megapixel-Modus. Ob sich das Pixel Binning gegenüber Samsungs 10-Megapixel-Variante positiv bemerkbar macht?
Ganz klar: Bei zehnfacher Vergrößerung hat das Galaxy Note10+ eindeutig das Nachsehen. Bei der von Xiaomi angebotenen 50x-Vergrößerung kommen allerdings auch die 108 Megapixel, die via Pixel Binning auf 27 Megapixel zusammengefasst werden, an ihre Grenze. Brauchbar ist das Bild nicht.
Fazit: 108 Megapixel sind kein Nachteil
Ich hatte vermutet, dass 108 Megapixel bei einem Smartphone ein Nachteil sind. Schließlich drängeln sich sehr viele kleine Pixel auf engstem Raum. Physikalisch betrachtet, wäre es sinnvoller, größere Pixel zu verwenden, die mehr Licht aufnehmen können. Aber die Kamera-Software des Xiaomi Mi Note 10 belehrt mich eines besseren. Die hohe Auflösung dient zwar sicherlich auch Werbezwecken, ist aber kein offensichtlicher Nachteil gegenüber Smartphones mit niedriger Auflösung.
Das gilt allerdings nur, wenn du die 27-Megapixel-Fotos des Mi Note 10 nutzt. Ohne das Pixel Binning, also bei voller Auflösung von 108 Megapixeln, gefällt mir die Bildqualität nicht so gut und zudem stehen Funktionen wie der Nachtmodus, der Zoom oder der Portraitmodus nicht zur Verfügung.
Xiaomi wird nicht der einzige Hersteller bleiben, der aus der hohen Auflösung mit Hilfe von Software gute Fotos heraus holt. Den aktuellen Gerüchten zufolge wird Samsung den 108-Megapixel-Sensor im Nachfolger des Galaxy S10 verbauen – unabhängig davon, ob dieser nun S11 oder S20 heißt. Wer die besseren Bilder aus dem Sensor holt, wird aber immer noch erst der Blick auf die fertigen Fotos zeigen.
Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de.