Ratgeber
Monopoly für Gewinner: Die Strategie, die jede Beziehung beendet
von Dominik Bärlocher
Monopoly beendet Beziehungen. Gewollt. Monopoly macht, dass Menschen sich hassen. Gewollt. Denn Monopoly ist kein Gesellschaftsspiel. Eher das Gegenteil.
Wir schreiben das Jahr 1904. Die Amerikanerin Elizabeth Magie, genannt Lizzie, kämpft in den noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika für die Rechte der Frauen, die Gleichstellung und die Abschaffung von Systemen. Die 1866 geborene Frau mit dem Kurzhaarschnitt hat in den 1880er-Jahren als Stenografin gearbeitet und nebenher noch ein Patent eingereicht, das Schreibmaschinen verbessert. Dank ihrer Erfindung kann Papier einfacher durch die Rollen rollen. Patente waren damals Männersache. Weniger als ein Prozent aller Patente wurden auf Frauen ausgestellt. Lizzie interessiert das nicht und erfindet weiter. Journalistin und Schauspielerin war die umtriebige Frau auch noch. So nebenbei.
Und dann hat sie Monopoly erfunden. Oder besser: Dessen Vorgänger mit dem Namen «The Landlord's Game». Mit der Geschichte dieses Spiel geht auch ein Raub einher: Denn Lizzie ist laut der offiziellen Version des heutigen Herausgebers Hasbro gar nicht die Erfinderin des Spiels. Egal, was die Beweislage sagt.
So nett das Patent auch war, so schön ihre Artikel in Zeitungen auch waren, so lustig Lizzie Magie als Comedienne auch war; die Leidenschaft der Frau lag in der Politik. Sie war Feministin und Gegnerin der Sklaverei und des Georgismus.
Georgismus ist ein Wirtschaftsmodell. So langweilig das auch klingt: Die Welt leidet bis heute darunter, da das Modell die Basis für «The Landlord's Game» und damit die Basis für Monopoly ist. Georgismus sieht vor, Einnahmen nicht zu besteuern. Die Regierung sollte eine universelle Landsteuer einführen. Schlüssel für die Höhe der Steuern seien die Nützlichkeit, die Grösse und der Ort des Landes. Mit den eingenommenen Steuern soll zuerst die Regierung und deren Projekte finanziert werden. Der Rest solle dann ans Volk verteilt werden. Die Idee hinter diesem Modell ist, dass das Volk dazu motiviert wird, Land zu kultivieren und die soziale Gerechtigkeit zu fördern. Zudem soll der Georgismus die Machtbasis von Landbesitzern schwächen.
Lizzie Magie war unaufhaltsam. Als Stenografin hat sie genug verdient, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Ganz ohne Mann. Lizzie hatte sogar genug Geld, um in der Zeitung eine Annonce zu schalten. Sie hat sich selbst als «Junge Frau, Amerikanische Sklavin» versteigert. Sie hat einen Mann gesucht, der sie besitzt. Sie wollte darauf aufmerksam machen, dass die einzigen Menschen die frei sind im «Land of the Free», die weissen Männer sind. Die Annonce machte im ganzen Land die Runde und zementiert Lizzie in den Gedanken der USA als stolze und laute Feministin.
Lizzie Magie war nicht nur laut, sondern auch kreativ und frech. Kein Mechanismus der Herrschenden war ihr zu schade. Sie kannte keine gesellschaftlichen Heiligtümer und war im Wesentlichen ein Dorn in den Augen der Elite. Sie hat 1910, im hohen Alter von 44 Jahren einen Mann geheiratet. Ihr Mann hiess Albert Wallace Phillips.
Albert Wallace kennt seine Frau nicht nur als Aktivistin, sondern auch als Designerin eines Brettspiels, das nicht nur politisch höchst brisant ist, sondern auch das Konzept Brettspiel auf den Kopf stellt. Denn bis im Januar des Jahres 1904 sind Brettspiele linear. Sie hat ein Patent für ein Spiel, das keinen Anfang und kein Ende hat, beantragt. Es geht immer weiter, im Kreis.
«The Landlord's Game».
US-Patent 748,626 wird ausgestellt.
Das Brettspiel hat sie mit Freunden getestet, die allesamt viel Spass damit hatten. So die offizielle Version, die historisch als Fakt angesehen wird. Der Werdegang der Lizzie Magie aber lässt auch andere Schlüsse zu: Subversiv wie Lizzie gelebt, gearbeitet und vor allem gewirkt hat, wollte sie ein Kinderspielzeug in die Welt bringen, die den Kleinen und ihren Eltern eine Lektion erteilt, sie aufrüttelt und sich dort in Hirnwindungen festsetzt, wo ein Buch oder ein Artikel in einer Zeitschrift das nie hätte können.
Denn The Landlord's Game kommt mit zwei Regelsätzen.
Spätestens jetzt sollte klar sein, warum Lizzie Magie ein Spiel erfunden hat.
Lizzie selbst beschreibt das Spiel als eine «praxisnahe Demonstration des gegenwärtigen Systems des Landbesitzes mit all seinen üblichen Resultaten und Konsequenzen». Landbesitz und Vermietung macht die Besitzer und Vermieter reicher, treibt aber alle anderen in die Armut.
Lizzie hat gehofft, dass das Spiel in Kindern ein Verständnis für soziale Ungerechtigkeit fördert.
Nach dem Patent hat Lizzie versucht, einen Herausgeber für das Spiel zu finden. Zuerst hat sie das Spiel im Eigenverlag – natürlich hat die Frau Lizzie Magie einfach mal eine Firma mitgegründet im Jahre 1904 – herausgegeben, dann aber im Jahre 1909 den Spieleverlag Parker Brothers angefragt, ob sie das Spiel publizieren wollen.
Wollten sie damals nicht.
In späteren Jahren, mit nur einem Regelwerk, wird Monopoly zum Dauerbrenner.
Doch in Colleges und in linken Kreisen war das Spiel ein Dauerbrenner. Lizzies Konzept geht auch. Die Spieler erkennen die Unfairness und fühlen sie gleich, selbst wenn sie bankrott sind, während ein anderer im Geld badet.
Das Konzept verliert sich danach. Der Name «Monopoly» taucht irgendwann zwischen 1906 und 1923 wieder auf. 1924 erwirbt Lizzie ein neues Patent, das ihr die Kontrolle über ihr Spiel wiedergeben sollte. «The Landlord's Game» wird anno 1932 unter diesem Patent von Adgame Company (Inc.) herausgegeben.
Dann kommen die Parker Brothers und später Hasbro. Die offizielle Geschichte: Monopoly wurde anno 1933 von einem arbeitslosen Dampfradiatoren-Mechaniker und Teilzeit-Hundespazierer namens Charles Darrow erfunden. Darrow und die Parker Brothers patentieren das Spiel 1935. Monopoly wird zum Bestseller der Parker Brothers.
Lizzie Magie stirbt 1948 81-jährig. Sie wurde nie offiziell für ihre Arbeit gewürdigt.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.