Nach katastrophalem Start für «Concord»: Sony zieht Stecker und erstattet den Kaufpreis
Der Launch von «Concord» ist der Alptraum jedes Spieleentwicklers. Nach langer Entwicklungszeit und trotz solidem Gameplay kann das Game kaum Spielerinnen und Spieler anziehen. Jetzt steht fest: Sony zieht die Reißleine und erstattet den Kaufpreis zurück.
Zwölf Tage nach dem katastrophalen Release des Multiplayer-PvP-Shooters «Concord» – und zwölf Tagen Funkstille – meldet sich Ryan Ellis, Chef des Entwicklerstudios Firewalk Studios, zurück. Im Playstation Blog entschuldigt er sich dafür, dass das Spiel nicht die Erwartungen erfüllt habe. «Concord» wird am 6. September aus den Shops genommen und alle, die das Game gekauft haben, erhalten eine Rückerstattung. Wer das Spiel im Sony Store oder auf Steam gekauft hat, bekommt das Geld automatisch zurück. Alle anderen müssen sich an den Händler wenden, bei dem sie es gekauft haben. Auf Steam ist «Concord» schon am 4. September nicht mehr gelistet.
Das Studio wolle nach der Entfernung des Games aus den Stores ihre verbliebenen Optionen durchgehen. Ellis ergänzt, dass auch nach Möglichkeiten gesucht wird, wie «Concord» die Spieler «besser erreichen» könne. Es steht also im Raum, dass das Game überarbeitet und im Anschluss neu released werden könne.
Schlechter Start für «Concord»
Am 23. August veröffentlichte Sony den First-Person-PvP-Shooter «Concord» auf der Playstation 5 und PC. Doch das Werk trifft auf wenig Interesse: Analysten sprechen in ihren Schätzungen von 25 000 Verkäufen. Für ein von Sony vermarktetes Game ist das vernichtend wenig. Zum Vergleich: «Helldivers 2» konnte sich im ersten Monat nach Release im Februar 2024 über mehr als acht Millionen Verkäufe freuen.
Besonders bitter ist für die Entwickler des Spiels, Firewalk Studios, dass «Concord» nicht einmal vierstellige Zahlen bei den gleichzeitig aktiven Nutzern auf Steam erreicht. Die Spielerzahlen auf der Playstation sind nicht bekannt. Auf SteamDB ist zu sehen, dass am Tag nach dem Release der Spitzenwert bei 697 Gamern lag. Als ich am 3. September für diesen Beitrag recherchierte, spielten durchschnittlich gerade einmal 32 Personen «Concord». Zum Vergleich: Im direkten Konkurrenten «Overwatch 2», der vor mehr als einem Jahr veröffentlicht wurde, sind durchschnittlich 50 000 Gamer gleichzeitig online.
Als ich diese geradezu winzigen Zahlen bei «Concord» sah, klappte mir die Kinnlade herunter. Wie kann es sein, dass ein Spiel, das Sony als «Original-AAA-Multiplayer-Spiel» bezeichnet, so wenige Menschen anzieht? Das Spiel scheint auch nicht grundlegend schlecht zu sein. Ein Blick in die Steam-Reviews zeigt eine 66-Prozent-Wertung. «Overwatch 2» liegt mit nur 35 Prozent seit Release deutlich darunter. Die Gründe für das atemberaubend schlechte Abschneiden von «Concord» bei den Verkaufs- und Spielerzahlen liegen woanders.
Ich habe mich durch Kommentare, Reviews und Einschätzungen gelesen und stelle fest: So überraschend kam das Scheitern nicht.
Was ist «Concord» für ein Spiel und wer steckt dahinter?
Wie in «Overwatch» übernimmst du in «Concord» einen vorgefertigten Heldencharakter und trittst mit deinem Team aus fünf Spielern gegen ein anderes Team an. Zum Launch standen zwölf Karten und 16 verschiedene Charaktere zur Verfügung – jeder davon verfügt über seine eigenen Talente und Fähigkeiten. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Spielstile. Dieses Spielprinzip ist nicht neu: PvP-Hero-Shooter gibt es einige. Platzhirsche sind beispielsweise «Apex Legends», «Valorant» und das bereits erwähnte «Overwatch».
Nach dem Launch war der Plan des Studios, stufenweise weitere Charaktere und Karten ins Spiel einzubauen. Auch die Story sollte jede Woche um weitere Details ergänzt werden – alles kostenlos. Ob es nach dem Launch-Desaster noch dazu kommt, ist unklar.
Firewalk Studios wurde 2018 gegründet. Im April 2023 kündigte Sony an, dass Firewalk Teil der Playstation Studios wird. «Concord» wurde einen Monat danach angekündigt. Das Spiel ist das Debut-Projekt des amerikanischen Unternehmens. An dem Spiel arbeiteten Entwicklerinnen und Entwickler, die in leitenden Positionen an anderen größeren Projekten mitgewirkt haben, etwa an «Destiny», «Guitar Hero II», «Bioshock Infinite» – und eben auch «Apex Legends».
«Concord» ist nichts Besonderes
Bereits unter dem Gameplay-Trailer, der Ende Mai erschien, sammeln sich größtenteils negative Kommentare. Bemängelt wird im Wesentlichen, dass «Concord» kein eigenes Spielprinzip biete und zu generisch sei. Die fünf vorgestellten Charaktere seien klischeehaft und wirkten wie eine «Guardian of the Galaxy»-Crew. Auch an den Dialogen und der Handlung im Cinematic Trailer kritisieren die Zuschauerinnen und Zuschauer die Nähe zu Marvel-Superhelden-Filmen.
Ein drei Monate alter Kommentar liest sich beinahe prophetisch: «One week after this game drops: we’re sorry this game didn’t meet your expectations. 6 months later: Shuts down» – Eine Woche nach dem Release werde sich das Studio für die nicht erfüllten Erwartungen entschuldigen und sechs Monate später werde das Spiel offline gehen.
«Concord» spricht also das Publikum mangels Alleinstellungsmerkmale in einem bereits übersättigten Genre nicht an. Im Juli, einen Monat vor Release, hatten nur rund 4100 Steam-Accounts das Spiel auf der Wunschliste. Es stand damit auf Platz 793 der «am meisten erwarteten Spiele» und das zeigt, dass eigentlich niemand auf dieses Spiel gewartet hat. Auch das ist ein sehr schlechtes Zeichen für einen kommenden Release.
Ein Premium-Shooter im Free-to-Play-Genre
Der Preis des Spiels sorgt nach Release dafür, dass zu wenige Menschen «Concord» überhaupt ausprobieren möchten. 40 Euro oder Franken kostet die Standard-Version auf Steam – während die direkten Konkurrenten kostenlos spielbar sind.
Dieses Preisschild ist zudem der Grund dafür, dass selbst Spieler, die «Concord» kaufen und ausprobieren, das Geld rückerstatten lassen, obwohl sie das Spiel okay finden. Der Spieler «hamishgavin» verbrachte 1,7 Stunden mit «Concord» und verfasste eine ausführliche Bewertung auf Steam. Sie fiel am Ende negativ aus. Das Game habe Potential und scheine auch Spaß zu machen, er habe aber die Rückerstattung beantragt, weil es ihm den Preis nicht wert sei.
Damit ist er nicht alleine. In den allgemeinen Diskussionen zum Spiel auf Steam liest sich immer wieder: «Concord» hätte free-to-play sein müssen, um eine Fanbase aufbauen zu können.
Nicht ausreichend Marketing und Kritik an den Charakteren
Ein neues Franchise in einem umkämpften Genre zu entwickeln, ist riskant. Ohne Alleinstellungsmerkmale, mit einem vergleichsweise hohen Preis und ohne vorhandene Fanbase wäre gutes Marketing essentiell gewesen, um das Spiel immerhin bekannter zu machen. Aber auch daran hat es gemangelt. Neben regelmäßigen Anzeigen auf Tiktok waren nur bei einigen Online-Händlern sowie im Sony Store Marketingmaßnahmen zu sehen. Das Spiel war also im Vergleich zu anderen Titeln mit ähnlichem Budget zu unbekannt. Auch die viertägige Open Beta Ende Juli konnte nicht viele Spieler motivieren: Nur knapp 2400 Gamer waren gleichzeitig auf Steam aktiv.
Aus vielen Kommentaren und Online-Rezensionen lässt sich zudem herauslesen, dass «Concord» wegen einer politischen Agenda boykottiert wird. So sind in Gameplay-Ausschnitt im Rahmen eines Entwickler-Interviews Pronomen bei den Spielcharakteren zu sehen: Angaben wie «he/him» in der Charakterübersicht, die über Skills und Attribute informieren soll, empfinden einige Spieler deplatziert. Auch das Charakterdesign sorgt für viel Unmut. Die Charaktere werden teilweise als hässlich, ihre Kleidung als langweilig und lächerlich empfunden.
Wie könnte es weitergehen?
Ob Sony das Game komplett begraben wird oder ein Comeback mit einem Free-to-Play-Bezahlmodell wagt, ist noch offen. Dass Games komplett vom Markt genommen und danach neu veröffentlicht werden, geschieht selten.
Ein Beispiel für einen geglückten Relaunch ist «Final Fantasy 14»: 2010 erntete der Entwickler Square Enix nach dem Release seines MMORPGs viel Kritik und nahm das Spiel kurz danach offline. Zwei Jahre später erschien es stark überarbeitet als «Final Fantasy 14: Reborn» erneut und wurde zum großen Erfolg.
Sicher ist aktuell nur eines: Im Dezember erscheint mit «Secret Level» eine neue TV-Serie auf Amazon Prime. Jede Episode der Animationsserie widmet sich einem anderen Spiel. «Concord» wurde bei der Ankündigung als eines der Games genannt, die in der Serie vorkommen werden. Es scheint so, als würde die «Concord»-Episode in «Secret Level» der vorerst letzte Auftritt dieses gescheiterten Live-Service-Experiments werden.
Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.