Nanoteilchen im Kopf: Wie Mikroplastik in unser Gehirn eindringt
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Nanoteilchen im Kopf: Wie Mikroplastik in unser Gehirn eindringt

Anna Sandner
2.5.2023

Winzige Kunststoffteilchen sind inzwischen überall. Wie das Mikroplastik sogar die schützende Blut-Hirn-Schranke überwindet und in kürzester Zeit in unser Gehirn gelangt, fand nun ein internationales Forscherteam heraus.

Mikroplastik sind winzige Kunststoffteilchen, nicht größer als fünf Millimeter, die es längst in alle Bereiche unseres Lebens geschafft haben. Täglich nehmen wir tausende dieser kleinen Plastikteilchen durch die Atemluft, die Nahrung und über die Haut in unseren Körper auf. Einmal in der Blutbahn angelangt, bahnt es sich den Weg sogar bis in unser Gehirn. Ein internationales Forschungsteam konnte nun in einer neu veröffentlichten Studie zeigen, wie Mikroplastik die Blut-Hirn-Schranke überwindet.

Türsteher vor dem Gehirn: So funktioniert die Blut-Hirn-Schranke

Damit unser Gehirn einwandfrei arbeiten kann, darf nicht alles, was sich in unserem Blut befindet, ungehindert in das Denkorgan eindringen. Deshalb gibt es eine Art Einlasskontrolle: die Blut-Hirn-Schranke. Alles, was ins Zentrale Nervensystem (ZNS) gelangt, muss diese Barriere aus speziellen Zellen, die eng aneinander gepackt und verbunden sind, zunächst überwinden. So wird das Gehirn vor schädlichen Stoffen wie Toxinen, Viren und Bakterien, die im Blut gelöst sind, geschützt.

Die Blut-Hirn-Schranke funktioniert durch sogenannte selektive Permeabilität. Das heißt, sie lässt gezielt bestimmte Substanzen durch, die das Gehirn benötigt, wie Sauerstoff und Glukose und schließt andere Stoffe aus. Diese Selektivität wird erreicht durch eine Kombination aus physikalischen Barrieren (die eng gepackten Zellen) und einer speziellen Membran, die das Gehirn umgibt. Fettlösliche Substanzen, wie Alkohol und Nikotin, können die Blut-Hirn-Schranke jedoch überwinden.

Und eben auch Mikroplastikpartikel. Sie können die Blut-Hirn-Schranke passieren, wenn sie klein genug sind und mit anderen Substanzen eine Wechselwirkung eingehen. Wie das genau funktioniert, war bislang unklar. In ihrer Studie «Micro- and Nanoplastics Breach the Blood–Brain Barrier (BBB): Biomolecular Corona’s Role Revealed» belegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun einen Weg.

Aus der Plastikflasche ins Gehirn in nur zwei Stunden

Die Forschenden versahen für ihre Untersuchung Mikroplastikteile verschiedener Größen (9,5 Mikrometer, 1,14 Mikrometer und 293 Nanometer) mit einem grün fluoreszierenden Marker (1 Mikrometer ist 1/1000 Millimeter und ein 1 Nanometer ist 1/1000 Mikrometer). Nach einiger Zeit in einer künstlichen Verdauungsflüssigkeit verabreichten sie die winzigen Kunststoffteile Mäusen. Bereits zwei Stunden später konnte die grüne Fluoreszenz in den Mäusegehirnen detektiert werden. Je nach Teilchengröße hatten die Forschenden unterschiedliche Fluoreszenzmarker verwendet, sodass sie nun sehen konnten, dass nur Teilchen mit einer Größe kleiner einem Mikrometer die Blut-Hirn-Schranke überwanden.

Bereits zwei Stunden nachdem die mit grünen Fluoreszenzmarkern gekennzeichneten Nanopartikel aufgenommen wurden, waren sie im Gehirn der Mäuse sichtbar.
Bereits zwei Stunden nachdem die mit grünen Fluoreszenzmarkern gekennzeichneten Nanopartikel aufgenommen wurden, waren sie im Gehirn der Mäuse sichtbar.
Quelle: Micro- and Nanoplastics Breach the Blood–Brain Barrier (BBB): Biomolecular Corona’s Role Revealed. Nanomaterials 13, no. 8: 1404. https://doi.org/10.3390/nano13081404

Gut verpackt: So gelangt Plastik ins Gehirn

Aber wie schaffen es nun die kleinen Teilchen durch die schützende Blut-Hirn-Schranke? Will man das Bild der Einlasskontrolle nochmals bedienen, dann ist es leicht erklärt: Die Mikroplastikpartikel verkleiden sich und überlisten so die Türsteher, die sie für ungefährlich halten. Tatsächlich bildet sich um die Nanopartikel eine Hülle aus Cholesterinmolekülen, in der Fachsprache «Bio-Korona» genannt. Cholesterin ist ein fettlösliches Molekül, das es den Plastikteilchen ermöglicht, ungehindert durch die schützende Membran zu diffundieren.

Simulation einer Modell-Blut-Hirn-Schranke: Die Kunststoffpartikel sind eingepackt in eine Hülle aus Cholesterinmolekülen, die es ihnen ermöglicht, durch die Doppelmembran ins Gehirn zu gelangen.
Simulation einer Modell-Blut-Hirn-Schranke: Die Kunststoffpartikel sind eingepackt in eine Hülle aus Cholesterinmolekülen, die es ihnen ermöglicht, durch die Doppelmembran ins Gehirn zu gelangen.
Quelle: Micro- and Nanoplastics Breach the Blood–Brain Barrier (BBB): Biomolecular Corona’s Role Revealed. Nanomaterials 13, no. 8: 1404. https://doi.org/10.3390/nano13081404

Mikroplastik im Alltag vermeiden wo immer möglich

Die Auswirkungen des Mikroplastiks in unseren Körpern und speziell im Gehirn sind bei weitem noch nicht ausreichend erforscht. Klar ist aber, dass potentielle Gefahren für die Umwelt und den Menschen mit der Verbreitung der kleinen Plastikteilchen einhergehen und es allen zu empfehlen ist, sich selbst bestmöglich zu schützen.

Drei Tipps, wie du die Menge an Mikroplastik, die in deinen Körper gelangt, reduzieren kannst:

Vermeide Einwegplastik: Kaufe keine Einwegplastikartikel wie Plastikflaschen, -tüten und -strohhalme. Greife stattdessen zu wiederverwendbaren Alternativen wie Edelstahlflaschen, Stofftaschen und Glasstrohhalme.

Achte auf die Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten: Überprüfe die Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten wie Peeling- und Reinigungsprodukten, da dort oft Mikroplastikpartikel enthalten sind. Das ist allerdings gar nicht so einfach, da es eine Vielzahl von Bezeichnungen gibt, hinter denen sich Mikroplastik verbirgt. Dazu zählen zum Beispiel: Polyethylen (PE), Polypropylen (PE), Polyamid (PA) und Polyethylenterephthalat (PET). Die vollständige Liste ist aber noch wesentlich länger, deshalb empfiehlt es sich Apps zu nutzen, die auf giftige Inhaltsstoffe hinweisen. Der BUND stellt zum Beispiel die kostenlose ToxFox-App zur Verfügung. Oder du umgehst das Problem, indem du zu Naturkosmetik mit entsprechenden Siegeln greifst oder natürliche Alternativen wie Zucker oder Salzpeelings nutzt.

Vermeide synthetische Kleidung: Synthetische Kleidung wie Polyester, Nylon und Fleece gibt bei der Wäsche winzige Mikrofasern ab, die ins Abwasser gelangen, oft nicht herausgefiltert werden und so schließlich in Gewässern landen. Versuche stattdessen, Kleidung aus natürlichen Materialien wie Baumwolle, Leinen oder Wolle zu wählen, um die Verbreitung von Mikroplastikpartikeln zu minimieren.

Titelfoto:chayanuphol

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


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