«Nettoyer au Karcher»: So wird der Hochdruckreiniger in Frankreich politisiert
Zu Kärcher fallen einem so einige Adjektive ein: gelb, effizient, bünzlig, marktführend. Mit rechten Parolen aber würde ihn in der Schweiz wohl niemand in Verbindung bringen. In Frankreich ist das anders.
Hierzulande ist der Kärcher als effizienter Hochdruckreiniger bekannt. Vielleicht auch ein wenig als Spiessergadget: Haus, Hund, Kind, Kärcher. Gleichzeitig ist die Marke Kärcher so bekannt, dass ihr Name gar stellvertretend für alle Marken und als Verb – kärchern – benutzt wird.
Das ist auch in Frankreich nicht anders. Dort werden die Strassen mit Hochdruck vom Dreck gereinigt. Eine Szene, die oft als «nettoyage de Karcher» statt «nettoyage haute pression» beschrieben wird. Solche Eingänge in den Sprachgebrauch sind Beleg der Marktdominanz des Familienunternehmens aus Baden-Württemberg. Auch wenn diese nicht immer positiv konnotiert sind.
Es muss durchgeputzt werden
Es ist der 19. Juni 2005. Der spätere französische Präsident Nicolas Sarkozy ist Innenminister. In der «Cité des 4000», einem Quartier der Stadt La Courneuve – sie bildet einen Teil der Banlieues um Paris –, wird ein elfjähriger Junge durch eine verirrte Kugel getötet. Tags darauf wird Sarkozy der trauernden Mutter versprechen, den sozialen Brennpunkt mit dem Kärcher zu reinigen: «On va nettoyer au Karcher la cité des 4000».
Dieser Satz kommt nicht gut an. Nicht in den Medien und vor allem nicht bei den Jugendlichen des Pariser Vorortes. Sie fühlen sich im wahrsten Sinne wie Dreck behandelt. Sarkozy scheint diese Welle der Empörung wenig zu stören. Zehn Tage nach dem Vorfall wiederholt er seine Worte gegenüber den Medien.
Im Herbst desselben Jahres brennen die Pariser Vororte. Auch wegen Äusserungen wie «nettoyer au Karcher», die Ausdruck für das Unverständnis zwischen der Regierung und der Jugend wird.
Wie Kärcher zum Politikum wurde
Das Unternehmen ist wenig begeistert, dass es mit menschenverachtenden Aussagen in Verbindung gebracht wird. Es ist in 72 Ländern weltweit vertreten und bemüht sich überall um ein Saubermann-Image. So reinigt Kärcher seit den 1980er-Jahren gratis Wahrzeichen wie Mount Rushmore in South Dakota, das Brandenburger Tor in Berlin, die Christo-Statue in Rio de Janeiro oder den Obelisken von Luxor mitten in Paris.
Sarkozys Äusserung scheint indes längst zum geflügelten Wort verkommen zu sein. Denn die Redewendung hält sich bis heute. Immer wieder wird sie von Politikern und Politikerinnen des rechten politischen Lagers verwendet. Kärcher wehrt sich. Prangert die Politisierung des eigenen Namens an. Schaltet in Frankreich Anzeigen, dass sich das Unternehmen von der Politik säubern will. Veröffentlicht Protestbriefe und warnt Präsidentschaftskandidaten und -kandidatinnen davor, im Wahlkampf den Markennamen zu missbrauchen – auch im letzten Wahlkampf Anfang diesen Jahres.
Valérie Pécresse, Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, derweil: «Il faut ressortir le Kärcher. Il a été remisé à la cave par François Hollande et Emmanuel Macron depuis plus de dix ans.» Das bedeutet so viel wie: «Der Kärcher muss wieder hervorgeholt werden. Er wird von François Hollande und Emmanuel Macron seit über zehn Jahren im Keller gelassen.» Genützt hat ihr die Äusserung wenig. Sie bekommt im ersten Wahlgang am 10. April 2022 weniger als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen.
Wollen wir nicht über andere Dinge sprechen?
Kärcher selbst kommentiert diesen Namensmissbrauch und die negative Assoziation, die damit einhergeht, wie folgt: «Wir kämpfen seit Jahren dagegen, dass unser Markenname politisch ausgenutzt wird, und dass er mit irgendeiner Partei oder politischen Strömung in Verbindung gebracht wird. Unsere eingetragene Marke Kärcher darf nur verwendet werden, um unsere Produkte zu bezeichnen. Die Verwendungen auf diese Art und Weise sind umso schädlicher, als sie unsere Marke und unsere Produkte mit Gewalt und Unsicherheit in Verbindung bringen. Das steht völlig konträr zu den Werten, für die unser Familienunternehmen steht.»
Danach wird auf die Unterstützung von SOS-Kinderdörfern, die bereits genannten kostenlosen Reinigungen und ein ein «umgekehrtes Graffiti» an einem Staudamm verwiesen. Hierfür hat das Unternehmen mit dem Hochdruckreiniger in die Schmutzpatina gemalt. Das ist toll und wird in der Öffentlichkeit sicher lieber gesehen als Vandalismus. Ein Saubermann-Graffiti ohne Kontroverse – womit wir wohl wieder beim leichten Spiessertum wären. 😉
Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.