Objektiv-Bezeichnungen: So blickst du im Abkürzungs-Dschungel durch
All die Abkürzungen und Zahlen in den Namen von Objektiven sind teilweise verwirrend, aber wichtig. Sie sagen dir nicht nur, was das Objektiv leistet, sondern auch, ob du deine Kamera überhaupt damit benutzen kannst.
Nehmen wir mal an, du hast eine Nikon-Spiegelreflexkamera und willst nun ein passendes Tele-Objektiv dazu kaufen. Kein Problem – sollte man meinen. Einfach im Shop die Marke «Nikon» und «Teleobjektiv» auswählen, und schon werden alle passenden Linsen angezeigt. Wenn du schon weisst, welche Brennweite es sein muss, kannst du das ebenfalls anwählen. Also, da hätten wir zum Beispiel ein Objektiv mit dem wunderschönen Namen «Nikon AF-P DX NIKKOR 70-300 mm f/4.5-6.3G ED». Klingt gut, oder? Fast so gut wie «Nikon AF-P DX NIKKOR 70-300 mm f/4.5-6.3G ED VR». Finde den Unterschied! Oder darf es ein «Nikon AF-S 70-300mm, f/4.5-5.6G VR» sein? Falls ja, willst du dieses Objektiv als Direktimport oder nicht? Vielleicht entscheidest du dich aber auch für das «Nikon AF-P NIKKOR 70-300mm f/4.5-5.6E ED VR». Und was ist eigentlich so toll am «Nikon AF-S 300mm, f/2.8G ED VR II», dass es etwa zehnmal so viel wie die anderen kostet?
All die Bezeichnungen und Abkürzungen sagen etwas über das Objektiv aus. Wenn man sie kennt, weiss man bereits sehr viel, ohne die Spezifikationen durchzuwühlen. Wenn nicht, steht man da wie der Banause vor der Weinkarte, der einfach mal den Zweitbilligsten bestellt. Wobei der Vergleich hinkt: Der Wein passt auf jeden Fall in deine Kehle, das zweitbilligste Objektiv aber vielleicht nicht auf deine Kamera.
Brennweite
Die Brennweite (in Millimetern) gibt an, wie gross der Bildausschnitt ist. Je kleiner die Zahl, desto grösser der Bildausschnitt. Wenn hier nur eine Zahl steht, ist der Bildausschnitt fix, das heisst, man kann nicht zoomen. (Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, Genaueres dazu im Beitrag No Zoom, No Problem). Wenn zwei Angaben stehen, handelt es sich um ein Zoom-Objektiv.
Wichtig: Wie gross der Bildausschnitt ist, hängt nicht nur von der Brennweite ab, sondern auch von der Grösse des Kamerasensors. Kameras mit sehr grossen Sensoren (Vollformat) bilden bei 50 Millimetern etwa den menschlichen Blickwinkel ab. Bei den kleineren APS-C-Sensoren hat man diesen Ausschnitt bei knapp 33 Millimetern und bei den noch kleineren 1-Zoll-Sensoren etwa bei 18,5 Millimetern. Du musst also unbedingt wissen, wie gross der Sensor deiner Kamera ist.
Noch nicht genug verwirrt? Bitte sehr: Damit die Angaben trotzdem untereinander vergleichbar sind, werden sie manchmal aufs Vollformat (= Kleinbildformat) umgerechnet. Diesen Wert findest du in den Spezifikationen unter «Brennweite (kleinbildäquivalent)».
Lichtstärke
Die Lichtstärke gibt an, wie weit die Blende geöffnet werden kann. In der Regel wird sie als Bruchzahl mit Zähler 1 geschrieben, z.B. 1:4. Alternative Schreibweisen: f/4, f4, F/4 oder F4. Bei Zoom-Objektiven lässt die Lichtstärke oft nach, wenn man heranzoomt. Dann besteht die Lichtstärke wie die Brennweite aus zwei Angaben (z.B. 1:3,5-5,6).
Sensorgrösse Vollformat/APS-C
Canon, Pentax, Nikon und Sony haben Kameras mit verschiedenen Sensorgrössen im Angebot. Knifflig ist die Unterscheidung zwischen Vollformat und APS-C, weil die Objektive teilweise für beide Sensorgrössen verwendet werden können, teilweise aber auch nicht:
- Vollformatobjektive können an APS-C-Kameras angeschlossen werden, haben dann aber einen kleineren Bildausschnitt. Sie sind ausserdem tendenziell grösser, schwerer und teurer, als es für APS-C-Fotografen eigentlich nötig wäre.
- Umgekehrt können APS-C-Objektive entweder gar nicht an Vollformatkameras angeschlossen werden (Canon), oder die Bildecken bleiben schwarz (Nikon).
Folgende Bezeichnungen geben an, für welche Sensorgrösse das Objektiv gedacht ist:
Canon: EF = Vollformat, EF-S = APS-C
Nikon: keine Bezeichnung oder FX/DX
Pentax: meist FA/DA, im Zweifelsfall Spezifikationen beachten
Sony: E-Mount (spiegellose Kameras): FE/E, A-Mount (Spiegelreflexkameras): keine Bezeichnung/DT
Bei Drittherstellern, die Objektive für Canon, Nikon und Sony basteln, kennzeichnen folgende Kürzel den Unterschied:
Sigma: DG/DC
Tamron: Di/Di II
Tokina: D oder FX/DX
Tipp: Im digitec-Shop braucht man das zum Glück nicht alles auswendig zu wissen. Du kannst nach Vollformat bzw. APS-C filtern und wenn du unsicher bist, findest du unter den Spezifikationen den Punkt «Sensorkompatibilität».
Autofokus-Angaben
Ein Autofokus ist seit langem selbstverständlich. Falls das überhaupt noch im Produktnamen erwähnt wird, kann man es ignorieren.
Vorsicht bei Nikon
Bei Nikon funktioniert nicht jeder Autofokus mit jeder Kamera. Daher sind folgende Bezeichnungen wichtig:
AF-S: Problemlos, funktioniert immer. S steht für Silent und damit für Ultraschallmotor (USM).
AF-P: Diese Objektive arbeiten mit Schrittmotor (STM) und funktionieren nur mit neueren Kameras (ca. ab 2013). Nikon hat eine Liste mit kompatiblen Kameras veröffentlicht.
Nur «AF» ohne Anhängsel (heute sehr selten): Hier übernimmt ein Motor in der Kamera das Fokussieren. Einige günstigere Nikon-Kameras haben keinen solchen Motor eingebaut , weshalb sich diese Objektive dann nicht automatisch scharfstellen lassen. Das betrifft vor allem die 3000er- und 5000er-Serie (z.B. Nikon D5600).
Art des Fokusmotors
Bei anderen Marken wird zum Teil die Art des Autofokusmotors angegeben, ohne dass dies Auswirkungen auf die Kompatibilität hätte:
USM = Ultraschallmotor, fokussiert leise und recht schnell (bei Sigma heisst dasselbe HSM und bei Tamron USD).
STM = Stepping Motor, zu Deutsch Schrittmotor, soll noch besser sein als USM.
Generelle Qualität
Manche Abkürzungen sagen eigentlich nicht viel mehr als «Das ist ein super Teil, im Fall!» Was man aber eigentlich auch schon am Preis ablesen kann.
Canon: Profis bevorzugen Objektive, mit denen man Nägel einschlagen und mit dem Panzer drüber fahren kann. Die Objektive der L-Serie sind für den ruppigen Einsatz im Profi-Alltag gedacht. Man erkennt sie nicht nur am Buchstaben L, sondern auch am roten Ring.
Fujifilm: XC sind preisgünstigere Einsteiger-Modelle, XF wenden sich an anspruchsvollere (oder wohlhabendere) Käufer.
Nikon: Bei Nikon ist es wieder mal ein bisschen komplizierter. Es gibt keine generelle Bezeichnung für die Qualität, aber eine ganze Reihe von speziellen Angaben. Das grosse goldene «N» auf gewissen Objektiven steht für Nanovergütung, unterdrückt Reflexionen und ist den teureren Objektiven vorbehalten. Das N ist aber nicht Teil des Produktnamens. Dafür haben fast alle heutigen Linsen ein «G» und «ED» im Namen. G ist ein Anti-Qualitätsmerkmal: kein Blendenring, die Blende kann nur an der Kamera eingestellt werden. ED steht für Extra-low dispersity und reduziert Farbfehler. Weitere Abkürzungen direkt bei Nikon.
Olympus: Die besseren Objektive haben ein «Pro» im Namen.
Sony: Der Buchstabe G steht bei Sony für «Gold», was zwar nicht das verwendete Material ist, aber doch auf ein Teil von hoher Qualität hindeuten soll.
Bildstabilisator
Ein Bildstabilisator ist vor allem bei Teleaufnahmen nützlich. Gut zu wissen ist nicht nur, ob überhaupt einer vorhanden ist, sondern auch, um welche Generation es sich handelt, denn die Hersteller haben bei der Bildstabilisierung im Lauf der Jahre doch einige Fortschritte gemacht.
Canon: IS (II für 2. Generation) Abkürzung für «Image Stabilization»
Nikon: VR (II für 2. Gen.), Vibration Reduction
Fujifilm: OIS, Optical Image Stabilization
Sony: OSS, Optical Steady Shot
Panasonic: O.I.S.
Olympus: IS
Sigma: OS
Tamron: VC (Vibration Compensation)
Manche Hersteller bauen auch Stabilisatoren in ihre Kameras ein (Olympus, Panasonic, Sony). Die Objektive dieser Marken haben unter Umständen keinen Stabilisator. Wenn man also ein Olympus-Objektiv an eine Panasonic-Kamera schraubt (was im Prinzip möglich ist), muss man prüfen, ob entweder an der Kamera oder am Objektiv ein Staiblisator vorhanden ist.
Beispiel Nikon-Teleobjektive 70-300mm
Mit den obigen Infos bist du nun in der Lage, die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. Zur besseren Verwirrung hier nochmal die Objektive:
Die beiden ersten Objektive unterscheiden sich nur dadurch, dass das zweite einen Bildstabilisator hat («VR» im Namen). Beide haben einen Schrittmotor (AF-P) und eignen sich daher nur für neuere Kameras. Für Vollformatkameras sind sie auch nicht geeignet (DX).
Nummer 3 und 4 unterscheiden sich nur dadurch, dass beim teureren die Garantie auf drei Jahre verlängert wird, wenn man sich bei Nikon Schweiz registriert. Sie haben gegenüber 1 und 2 bei maximaler Brennweite eine etwas höhere Lichtstärke (f/5,6 statt f/6,3) und vor allem sind sie auch für Vollformatkameras geeignet (kein «DX» im Namen).
Nummer 5 ist eine Festbrennweite (300 mm). Das Killerfeature bei diesem Objektiv ist die sehr hohe Lichtstärke von f/2,8. Der moderne Bildstabilisator (VR II) und die Nanokristallvergütung (N, nur auf dem Objektiv, nicht im Namen) treiben den Preis weiter nach oben.
Nummer 6 funktioniert nur mit neueren Kameras (AF-P), ist aber vollformattauglich (kein DX im Namen). Wegen AF-P und dem Zusatz «E» für elektromagnetische Blendensteuerung sollte dieses Objektiv schneller fokussieren als andere (Sport- und Tierfotografie).
Zur Diskussion in den Kommentaren:
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.