One Perfect Shot: Wie du Rauch fotografierst
Aus einer Laune heraus beschliesse ich, Rauch zu fotografieren. Dazu stelle ich wieder meine Wohnung um und lerne wichtige Lektionen der Beleuchtung in der Fotografie.
Die Ursprünge der Idee sind irgendwo verloren gegangen, doch der Gedanke hat nachgehangen: Ich will Rauch fotografieren. Kann ja so schwer nicht sein, oder?
Gut, ich muss zugeben: Ich habe vom Fotografieren nur wenig Ahnung. Seit meinem jüngsten Artikel zum Thema «One Perfect Shot» sind zwar schon einige Wochen ins Land gezogen und ich habe seither nicht aufgehört zu fotografieren, aber als mehr als einen «ambitionierten Amateur» würde ich mich immer noch nicht bezeichnen.
In der Zwischenzeit habe ich mich mit Licht auseinandergesetzt. Welches Licht macht was und wie. Dann: Wie kann ich mir das zu Nutze machen. Ich habe im Dunkeln fotografiert und gegen das Licht, nur um zu sehen, wie meine Sony a7s ii reagiert und was dabei herauskommt. Dabei hat mich nicht nur das Foto am Ende interessiert, sondern auch, was die Kamera technologisch macht. Ich war an Tattoo Conventions und habe Tätowierer João Otreze über die Schulter geschaut und ein Bild mit kalter Bildtemperatur geschossen.
Ich war an der Fantasy Basel und habe versucht, ein Foto zu machen, das eine Person im Menschengewimmel heraushebt. Beim Schnappschuss von Cosplayerin Melo ist mir das dann so mehr oder weniger gelungen. Gerne hätte ich da mehr Licht gehabt, um sie auszuleuchten und so noch mehr hervorzuheben, aber an jenem Samstag ging das halt nicht.
Doch ich wollte ein Projekt angehen, an dem ich das Licht unter Kontrolle habe. An Studioscheinwerfer komme ich so schnell nicht heran, daher musste halt wieder alles herhalten, was ich in meiner Wohnung habe.
Die Technik: 45 Grad und Gegenlicht
Ich werkle also drauflos. Dass ich ohne meine Schlafzimmerlampe irgendwas anständig fotografieren werde, daran zweifle ich schon zu Beginn. Daher stelle ich meine Wohnung analog dem ersten Fotoprojekt dieser losen Serie um. Ich warte also auf den Einbruch der Nacht, denn wenn ich alles Licht kontrollieren will, dann muss ich das Naturlicht so weit wie möglich mit Storen und Mond reduzieren. Um 22 Uhr beginnt meine Arbeit also.
Ich rauche nicht. Aber ich habe Räucherkerzen, die ich in einer kleinen Drachenfigur anzünde. Dann raucht es aus dem Mund der Figur raus und der Drache sieht aus, als würde er Feuer atmen. Der soll also mein Model sein.
Von hinten beleuchten geht schon mal gar nicht, weil dann blende ich über den Rauch. Ich verschiebe das Licht also. Am ehesten sehe ich die Erfolgschancen bei 45 Grad hinter dem Rauch. Denn da sehe ich schon von Auge am meisten vom Rauch, wenn ich mich auf Höhe der Kamera bewege.
Trotzdem, die ersten Fotos sind unbefriedigend. Ich sehe zwar, dass ich auf der richtigen Spur bin, aber das geht so nicht.
Licht ist nicht nur Lampen
Ich probiere also herum. Irgendwie muss das doch hinzukriegen sein. Ich denke so über Rauch nach, während ich die zweite Kerze des Abends anzünde und meinem Drachenkollegen beim Dampfen zusehe. Wann wirkt Rauch am besten? Wie sehen die coolen Rauchbilder in meinem Kopf aus. Irgendwann fällt mir auf, dass die alle im Dunkeln zu sein scheinen. Denn der Hintergrund ist dort immer entweder dunkel oder schwarz. Da Rauch feine Schwaden zieht, ist es nur mit Schwierigkeiten möglich, den Hintergrund in Photoshop zu bearbeiten. Das weiss ich, weil ich mal ein Wallpaper vor weissem Hintergrund mit einer Frau darauf, die einen durchscheinenden Rüschenrock trägt, habe editieren müssen, sodass sie vor einem schwarzen Hintergrund steht. Solche Aufgaben habe ich währenddem ich mir Photoshop im Selbststudium beigebracht habe aus allen Ecken des Netzes angenommen.
Mir dämmert es: Ich muss den Hintergrund austauschen. Sprich, ich muss einen dunklen Hintergrund schaffen. Da alle meine Wände aber weiss sind, muss ich hier kreativ werden. Ich nehme mir also meine Schlafzimmerlampe, gehe ins Zimmer, in das die Lampe eigentlich gehört, mache dann Licht und hole ein schwarzes Fixleintuch aus dem Schrank. Dann die ganze Lichtanlage wieder zurück ins Esszimmer und das Leintuch wird mit Gaffa Tape an der Wand befestigt. Das hält so okay gut. Gaffa Tape is magic and should be worshipped.
Die Falten im Stoff hoffe ich mit Tiefenschärfe und notfalls mit Photoshop auskorrigieren zu können.
Mit diesem Setup merke ich aber schnell, dass irgendwas kaputt ist. Klar, denn ich fotografiere so halb gegen das Licht. Wenn du gegen das Licht fotografierst, dann pendelt sich die Kamera auf die Helligkeit im Hintergrund ein und macht alles im Vordergrund entsprechend dunkel.
Ein Beispiel: Ich fotografiere unser Redaktionseinhorn Horny vor dem Büro gegen das Licht und mit dem Licht.
Wenn du in der Situation bist, dass du gegen das Licht arbeiten musst, dann musst du gegenleuchten. Heisst das in der Fachsprache so? Keine Ahnung, aber ich nenne das jetzt mal so. Aber das geht so: Wenn die Kamera dir im Vordergrund abdunkelt, dann musst du ihr mehr Licht geben. Es ist genau dieser Grund, weshalb eine der Regeln, die mir anno dazumal für's journalistische Fotografieren beigebracht worden sind: «Wenn du jemanden fotografierst, dann schaut die Person in die Sonne».
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie du gegenleuchten kannst:
- Blitz
- Mit Lampen
Ich bevorzuge die Methode mit den Lampen, vor allem beim Rauch-Projekt. Denn so, so meine ich zumindest, kann ich das finale Bild besser planen. Dazu habe ich keinen Blitz. Die a7sii hat standardmässig keinen Blitz verbaut, und einen Studioblitz habe ich gegen Mitternacht auch nicht gerade zur Hand.
Daher suche ich nach einer Lampe. Da ich aber meine eine mobile Lampe gerade dazu verwende, den Rauch der mittlerweile vierten Räucherkerze auszuleuchten, kann ich nicht auf sie zurückgreifen. Ich überlege mir, eine Kerze vor den Drachen zu stellen. Aber dann finde ich meine Velolampe zuerst.
Jetzt sieht mein Setup so aus:
Das Problem: Ich habe unten die hässliche Tischkante. Ich mag meinen Tisch allgemein sehr gut, aber eigentlich hat er auf diesem Foto nichts verloren. Ich schnappe mir also eine Packung eines Expansion Packs des Kartenspiels Cards Against Humanity und stelle meinen Drachen darauf.
Wieder müsste ich auf Photoshop zurückgreifen, denn der Schriftzug auf meinem Kartenspiel für böse Menschen glänzt so richtig hässlich im Bild herum. Mist. Gut, warum also nicht einen Trick verwenden, den ich schon vorher mit dem Leintuch verwendet habe? Ich wickle die Kiste in ein T-Shirt ein. Schwarze T-Shirts habe ich laut zynischen Videoproduzentinnen mit Namen Stephanie Tresch mehr als genug.
Skizziert kann ich also darauf schliessen, dass folgendes Setup vor einer schwarzen oder dunklen Wand am funktioniert:
Der schwarze Hintergrund ist bei mir ein Leintuch, das vordere Licht eine Velolampe. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, hätte ich die beiden Lichtquellen aufeinander abgestimmt und sie im selben Licht – einem warmen Ton – scheinen lassen.
Ab jetzt ist es einfach: Sechste Kerze anzünden, warten bis die Rauchentwicklung gross genug ist, abdrücken und dann Freude haben.
Ich entscheide mich aber dafür, die Kamera etwas höher zu stellen, damit ich mehr Rauch im Shot habe. In Photoshop pushe ich dann noch die Schwarzwerte etwas, damit der Hintergrund dunkler wird und voilà!
Die Exif-Daten geben folgende Werte aus:
- F-Stop: f/2.8
- Belichtungszeit: 1/40
- ISO: 1600
- Brennweite: 68 mm
Das Bild ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Wenn es jetzt nicht morgens um 2 Uhr wäre, dann würde ich versuchen, den Drachen noch etwas schärfer hinzukriegen. Wenn jetzt Tag wäre, dann würde ich eine Lampe kaufen gehen. Ich neige zu Kurzschlusskäufen in solchen Fällen. Aber ich meine je länger je mehr, dass ein Ringlicht in meinem Haushalt sinnvoll wäre.
So. Fertig. Meine Wohnung riecht jetzt wie ein Esoterik-Laden, ich bereue nichts und auch wenn ich mal wieder Schlafmangel habe: Spass hat's gemacht.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.