OneOdio Open Rock Pro T1
NC, 19 h, Kabellos
Die OpenRock Pro kommen mir vor wie ein Nischenprodukt ohne Anwendungsszenario. Ich wurde eines Besseren belehrt. Aber: Die breite Masse wird ihn sich trotzdem nicht kaufen.
Die OpenRock Pro sind Sportkopfhörer mit offener Sound-Architektur. Der Vorteil dieser Bauart liegt darin, dass du auch während des Musikhörens deine Umwelt wahrnimmst. Zudem befindet sich der Output vor dem Ohr und muss nicht in den Gehörgang eingeführt werden – dies soll den Tragekomfort erhöhen.
«Was zum Teufel ist das denn?», ist mein erster Gedanke, als ich die OpenRock Pro von OneOdio auspacke. Ein fast faustgrosses Ladecase aus Kunststoff liegt da drin. Oval, knapp zehn Zentimeter gross und satte 90 Gramm schwer, wenn die Kopfhörer drin sind. Das gibt eine ziemliche Beule, wenn du das Case in deine Hosentasche steckst.
Ich brauche auch einen Moment, um zu kapieren, wie dieses Teil aufgeht. Nämlich vertikal. Das Erstaunen findet auch dann kein Ende. Die riesigen, teil-gummierten, rund geformten Kopfhörer sehen nicht im Ansatz aus, als würden sie an Ohren gehören. So wie sie geformt sind, denke ich spontan an eine ganz andere Körperöffnung, um die OpenRock Pro einzuführen.
Zum ersten Mal seit ich Kopfhörer teste , muss ich mir die Anleitung zu Gemüte führen. Weil sich mir wirklich nicht erschliesst, wie sich diese Geräte an meinem Kopf befestigen lassen sollen. Ich hab’s dann aber rausgekriegt. Der Audioausgang befindet sich direkt vor deinem Gehörgang. Ins Ohr hineingesteckt wird nichts. Praktisch und bequem. Ausser, du trägst eine Brille mit breitem Gestell. Da sich die Kopfhörer hinter und dann über deinem Ohr durchschlängeln, kommen sich die beiden in die Quere, was störend sein kann.
Das massive Case ist dazu da, diese mehrere Zentimeter grosse Konstruktion einigermassen platzsparend zu verstauen. Und natürlich zu laden. Obwohl das Scharnier etwas lotterig ist, wirkt die Ladeschale stabil. Sollte dir das Case mal runterfallen, bräuchtest du dir wohl keine Sorgen um deine Openrock-Pro-Kopfhörer machen. Abgesehen von einem USB-C-Port fürs Laden und einem Button fürs Pairing gibt es keinen Schnickschnack an der Schale, der kaputtgehen könnte.
Ich finde die OpenRock Pro echt bequem. Sie sind mit 13 Gramm pro Ohrhörer viel leichter, als sie aussehen. Deshalb halten sie auch besser am Ohr, als ich befürchtete. Damit sich der Kopfhörer noch näher ans Ohr schmiegt, lässt sich der gummierte Teil des Bügels biegen. Und die Optik? Gewöhnungsbedürftig. Aber über Geschmack lässt sich streiten.
Dank IPX5 sind sie auch vor leichtem Regen geschützt. Interessant ist die Bedienung. Sie ist angenehm, aber (teilweise) etwas unorthodox. So verfügt jeder Hörer über eine physische Taste – auf Touch verzichtet der Hersteller. Ein schneller Tastendruck wirkt «Play/Pause». Ein doppelter Tipper erhöht auf der rechten Seite die Lautstärke und senkt sie auf der linken Seite. Drücke ich anderthalb Sekunden, wird ein Titel übersprungen. Ungewöhnlich, aber nicht unangenehm.
Die Kopfhörer enthalten jeweils einen 16,2-mm-Treiber und die sogenannte «TubeBass-Technologie». OneOdio verspricht, dass die Kopfhörer so mehr Bass und einen kraftvolleren Klang bieten als Konkurrenzprodukte. Das will nicht viel heissen, denn On-Ear-Kopfhörer mit offener Architektur sind rar.
Um das zu beurteilen, höre ich drei Lieder verschiedener Genres sowie einen Podcast: «Baker Street», von Gerry Rafferty, «Die Jahreszeiten, Op. 37a : August» von Tchaikovsky und «Cosmic Order» von Avao. Der Sound ist definitiv druckvoll und der Bass liefert starke Ergebnisse mit viel «wumms», obwohl er sich nicht mit dem Bass eines In- oder Over-Ears vergleichen lässt. Denn auch wenn der Ausgang direkt vor dem Ohr platziert ist, gibt es bei der offenen Bauart immer etwas Verlust bei der Übertragung der Wellen ins Ohr. Steckt der Hörer direkt im Gehörgang, ist dies nicht der Fall, genausowenig wie wenn das komplette Ohr vom Gehäuse umschlossen ist. Zudem kommt den In- und Over-Ears die Geräuschunterdrückung zu Gute. Etwas, das der OpenRock Pro nicht hat.
Grundsätzlich höre ich den Kopfhörern an, dass sie fürs Tragen während körperlicher Aktivitäten gedacht sind. «Pumping Music» heisst das im englischen Sprachgebrauch. Also Musik, die aufpeitscht. Entsprechend dominant und druckvoll sind die Bässe bei «Cosmic Order», einem elektronischen, sehr Bass-lastigen Lied. Die Mitten sind recht weich. Sie klingen nicht schlecht, verlieren aber oft den Kampf gegen die Bässe. Dies geht etwas zu Lasten der Stimmen.
Die Höhen sind da deutlich präsenter. Das wird bei Tschaikowskys Klavierkonzert besonders deutlich: Hochfrequente Klänge werden klar und unverfälscht wiedergegeben. Ich höre keine Verzerrungen oder sich überschlagende Töne. Wir sprechen hier nicht von der Brillanz eines «WF-1000 XM5» von Sony, oder eines «Sennheiser Momentum 3 TW», aber für einen Hörer seiner Preisklasse bringt der OpenRock Pro eine gute Leistung – obere Mittelklasse.
Der Klang ist nicht schlecht. Doch in welchem Szenario macht das spezielle Design der OpenRock Pro überhaupt Sinn? Zum Beispiel wenn du In-Ears nicht magst – etwa weil du sie unbequem findest – aber auch keine monströsen Over-Ears mit dir rumschleppen magst. Oder wenn du trotz Musik deine Umwelt wahrnehmen willst. Etwa beim Joggen oder Fahrradfahren.
Das Problem dabei: die Lautstärke. Sitze ich zu Hause auf dem Sofa, ist sie ausreichend. Nutze ich die Kopfhörer aber in einer lauteren Umgebung, habe ich Probleme, die Musik richtig zu hören. Das gilt für natürliche Geräuschkulissen, wie Wind. Aber auch Motoren und andere Umgebungsgeräusche übertönen die OpenRock Pro. Auch dann, wenn ich den Sound auf volle Pulle hochdrehe. Immerhin hält der Kopfhörer gut, auch wenn ich auf den Bus renne.
Die Bedenken, die ich hinsichtlich «Soundbleeding» habe, erweisen sich im Test als unnötig. «Soundbleeding» bezeichnet , wie stark andere Personen die Geräusche wahrnehmen können, die aus einem Kopfhörer kommen. In meinem Testszenario sitzt ein Bekannter neben mir im Bus. Erst als er seinen Kopf ganz nah (weniger als 50 Zentimeter) neben mir hat, kann er mithören. Meine Childhood-Throwbacks mit Pumuckl und den fünf Freunden bleiben also privat.
Inspiriert durch Kollege Kevin Hofers Suche nach geeigneten Kopfhörern zum Einschlafen, prüfe ich die OpenRock Pro auch im Bett und bin positiv überrascht. Anders als bei In-Ears bohren sich in Seitenlage keine Stöpsel in meine Gehörgänge. Auch der Druck oben am Ohr, wo der Bügel an meinen Schädel anliegt, hält sich wegen der Gummierung in Grenzen. Und last but not least: Im Gegensatz zu gewöhnlichen In-Ears fallen die OpenRock Pro nicht raus. So muss ich sie am nächsten Morgen nicht unter meiner Armada von Kopfkissen suchen. Dafür vergebe ich Extra-Punkte.
Das Mikrofon ist die Schwachstelle der OpenRock Pro. Als leichter Headset-Ersatz würde ich sie dir nicht empfehlen. Beim Telefonieren beklagt sich mein Gegenüber, dass ich sehr leise sei. Auch bei Audioaufnahmen – beispielsweise für WhatsApp-Sprachnachrichten – bin ich nicht besonders gut zu hören. Aber urteile selbst:
Die Akkulaufzeit der OpenRock Pro beträgt im Test fast 46 Stunden. Das ist beeindruckend. 17 Stunden hält eine Ladung der Hörer, rund zwei weitere Ladezyklen bietet das Ladecase. Das reicht mir auch bei intensiver Nutzung eine volle Arbeitswoche lang.
Ausserdem sind die OpenRock Pro mit einer Schnellladefunktion ausgestattet. In fünf Minuten bekomme ich 60 Minuten Spielzeit. Wenn ich sie morgens während des Frühstücks 15 Minuten lade, komme ich damit durch den Tag. Die Hörer glänzen zudem mit ihrer Energiesparfunktionen. Sie schalten sich nach zehn Minuten Inaktivität automatisch aus.
Die OpenRock Pro von OneOdio klingen gut, wenn auch etwas basslastig. Der ungewöhnliche Formfaktor erweist sich als sehr bequem. Und der Akku stellt selbst die besten Konkurrenten von Sony in den Schatten.
Schlecht finde ich das Mikrofon, mit dem ich fast nicht zu verstehen bin. Bei lauter Umgebung stösst ausserdem die Lautstärke der OpenRock Pro schnell an ihre Grenzen. Suchst du aber nach einer leichten Alternative zu In-Ears fürs Gym, als Einschlafhilfe oder fürs Joggen im ruhigen Quartier, kannst du zugreifen.
Titelbild:Florian BodokySeit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.