Revival eines 70er-Jahre-Trends, mit dem ich nicht gerechnet habe
Immer mehr Designstudios fliesen ihre Möbel und Wohnaccessoires oder stellen sie gleich aus den Steingutplatten her. Wie schön das aussehen kann, zeigen diese Beispiele.
Eine gewöhnliche Fliese ist vielleicht nicht gerade das Highlight eines Badezimmerbodens, aber stell sie dir auf einem Wohnzimmertisch oder an einer Lampe vor. Schon sieht das Ganze anders aus. Dann wird aus einem simplen Möbel ein modernes Designstück. Zumindest empfand ich es so, als ich die folgenden Objekte in unterschiedlichen Ausstellungen entdeckt habe. Sie regen dazu an, grosskariert zu sein und das unterschätzte Material noch einmal zu überdenken.
Wandbilder und Lampen aus Fliesen von Stéven Coëffic
Ob eine Lampe, die mit Spielsteinen angeschaltet werden muss, oder ein Couchtisch, der wie eine Tischtennisplatte aussieht – der französischen Künstler und Designer Stéven Coëffic stellt regelmässig Keramikstücke mit Überraschungseffekt in seiner Werkstatt in Belleville her. Darunter auch die Stehlampe «Lampadaire», die sich aus Steingutmodulen zusammensetzt. Sie macht Licht, aber nicht mithilfe eines plumpen Schalters. Um die Glühbirne zum Leuchten zu bringen, musst du zwei Fliesen aufeinanderstapeln.
Auch die farbenfrohen Wandbilder «Art Mural Bas Relief» haben etwas Kurioses an sich: Durch ihre Glasur schimmern sie wie Ölgemälde. Doch sie entstehen aus einem Fliesen-Relief.
Steingutplatten bei Mambo Unlimited Ideas
Das portugiesische Unternehmen Mambo Unlimited Ideas stellt Möbel, Lampen und Keramikfliesen her. Da überrascht es nicht, dass die unterschiedlichen Disziplinen in manchen Designs miteinander verschmelzen. Der Esstisch «Caldas Stripes» ist ein Beispiel dafür. Seine Tischplatte besteht aus einem Fliesen-Mosaik, das ihm eine raffinierte Struktur gibt.
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
Die Möbelmarke fertigt nicht nur einzelne Fliesen, sondern auch ganze Paneele an, die sich zum Verkleiden einer kompletten Wand eignen. Aber auch ein einziges Paneel genügt, um einen Akzent im Raum zu setzen: Denn hier treffen kleine und grosse handgefertigte Stücke sowie ein Holzrahmen aufeinander. Aufgehängt gleicht dieser einem Kunstobjekt.
Gekachelte Hocker von Tajimi Custom Tiles
Tajimi Custom Tiles ist eine junge Marke mit Sitz im historischen Zentrum der japanischen Fliesenindustrie in Tajimi. Sie ist auf die Fliesenherstellung spezialisiert und kollaboriert regelmässig mit Designstudios, um zu zeigen, was sie alles kann. Kwangho Lee hat beispielsweise Tische entwickelt, die aus horizontal oder vertikal gestapelten Keramikmodulen gebildet werden. Die französischen Designer Ronan und Erwan Bouroullec haben hingegen pastellfarbene Steingutvasen mit einem zylindrischen Körper entworfen, die mit zusätzlichen Fliesen verziert sind.
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
In Zusammenarbeit mit Möbeldesigner Max Lamb sind modulare, dreidimensionale Fliesen entstanden, die zu einer Reihe von Sitzgelegenheiten verarbeitet wurden. Wegen der satten Farbe und der weichen Form wirken Hocker und Bank trotz des Retro-Materials modern.
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
Fliesensysteme von UU Tiles
Das Designstudio UU Tiles sieht Fliesen als physische Schnittstelle zwischen Architektur und Wohnraum. Es hat ein System entwickelt, bei dem sich auch Haken und Lampen nahtlos in eine Fliesenwand integrieren lassen. Wie alle der Designstücke, die ich gesehen habe, präsentieren auch sie unzählige Möglichkeiten, mit Fliesen Möbel und Wohnaccessoires neu zu interpretieren.
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
Ein unerwartetes Revival
In unserem Sortiment habe ich ebenfalls einige Stücke entdeckt, die von gefliesten Küchen, Badezimmern oder sogar Pools inspiriert zu sein scheinen. Selbst wenn sich ihre Farbpaletten und Muster ändern, sind sie wegen des strengen Musters und der Fugen alle sehr ähnlich. Das macht es leicht, sie miteinander zu kombinieren.
Die Idee, ein Möbelstück zu fliesen, ist jedoch nicht neu. Sie stammt vom italienischen Architektur- und Designbüro Superstudio. 1969 überzog es erstmals zahlreiche Möbel mit ihrem charakteristischen Karomuster. Die erste Kollektion für die Möbelmarke Zanotta enthielt Hocker, Wandverkleidungen und weitere Möbel. Sie galt damals schon als avantgardistisch. Heute umfasst die aktuelle Zanotta-Kollektion namens «Quaderna» eine Sitzbank, einen Esstisch und eine Konsole, die nur noch optisch das Kachelmuster übernehmen. Die Möbel sind aus bedrucktem Holz statt aus Steingut.
Titelfoto: Pia SeidelWie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.