Hintergrund

Schweizer Studie: Handynutzung könnte Spermienqualität verschlechtern

Anna Sandner
7.11.2023

Eine neue Studie zeigt: Junge Männer, die ihr Smartphone häufig nutzen, haben durchschnittlich eine geringere Spermienkonzentration als diejenigen, die ihr Handy nur selten zur Hand nehmen. Mit steigendem Mobilfunkstandard wird der Zusammenhang jedoch geringer.

Etwa eines von sechs Paaren leidet unter Unfruchtbarkeit, einem Problem mit teils gravierenden Folgen für die Psyche der Betroffenen. Rund die Hälfte der Fälle geht auf den männlichen Partner zurück. Trotzdem ist die Ursache für abnehmende Spermaqualität (dazu zählt u.a. die Spermienkonzentration, -form, -bewegung und -vitalität) bislang ungenügend erforscht. Da Untersuchungen zu diesem Thema ihre Teilnehmer meist bei Samenbanken rekrutieren, besteht hier von vornherein kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung.

Eine neue Studie der Universität Genf und dem Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut liefert nun aber ein weiteres Puzzleteil zur Erforschung der Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit – ohne diesen Selektionsbias (Verzerrung bei der Auswahl) der Probanden.

Spermaqualität und Smartphonenutzung junger Schweizer ausgewertet

Die Querschnittsstudie nutzte Informationen von 2.886 Schweizer Männern im Alter von 18 bis 22 Jahren. Da die Daten zwischen 2005 und 2018 in sechs verschiedenen Rekrutierungszentren der Schweizer Armee gesammelt wurden, liefern sie einen Einblick in das Handynutzungsverhalten und die Samenqualität eines breiten Durchschnitts.

Die jungen Männer gaben eine Spermaprobe für die Untersuchung ab und füllten dazu einen Fragebogen zu ihrem Handynutzungsverhalten aus, in dem sie die Häufigkeit der Smartphonenutzung angaben.

Sinkende Spermienzahl hat viele Ursachen

Insgesamt hat die Spermaqualität in den vergangenen 50 Jahren abgenommen, wovon in erster Linie Männer in westlichen Ländern betroffen sind. Im Schnitt hat sich die Spermienzahl etwa halbiert, von durchschnittlich 99 Millionen Spermien pro Milliliter auf 47 Millionen pro Milliliter. Die Handynutzung wird als eine mögliche Ursache vermutet neben Umweltfaktoren wie endokrinen Disruptoren (chemische Substanzen, die den Hormonhaushalt stören) oder Pestiziden und Lebensstilfaktoren wie Alkohol- und Tabakkonsum, Ernährung und Stress.

Mehr Smartphonenutzung, weniger Spermien

Die Schweizer Studie zeigte nun eine Verbindung von häufiger Handynutzung mit geringerer Spermienkonzentration. Männer, die ihr Smartphone öfter als 20-mal am Tag zur Hand nahmen, wiesen im Vergleich zu denjenigen, die es höchstens einmal in der Woche nutzten, eine signifikant niedrige Spermienzahl auf. (Fragst du dich jetzt, welche jungen Männer heutzutage ihr Smartphone höchstens einmal pro Woche nutzen? Das erklärt sich damit, dass die Studie bereits 2005 startete, als es noch üblicher war, ohne Handy in der Hand zu leben.)

Laut WHO Definition ist das Risiko der Handy-Dauernutzer als infertil zu gelten (weniger als 20 Millionen Spermien pro Milliliter) um 30 Prozent höher als das der Smartphonemuffel.

Smartphone in der Hosentasche möglicherweise kein zusätzliches Risiko

Die Studie fragte auch ab, ob das Handy in der Hosentasche steckte, wenn es gerade nicht genutzt wurde. Dabei konnte kein Zusammenhang zwischen der Spermienqualität und dem Aufbewahrungsort näher oder weiter entfernt vom Körper festgestellt werden. Allerdings war die Vergleichsgruppe für eine verlässliche Schlussfolgerung zu klein: Nur wenige der Teilnehmer trugen das Handy nicht in der Hosentasche.

Wie wirkt sich der Mobilfunkstandard auf die Spermien aus?

Zwischen dem Beginn der Studie 2005 und dem Ende 2018 hat sich viel in Sachen Mobilfunkstandard verändert. Interessanterweise spiegelt sich die Umstellung von 2G auf 3G und später von 3G auf 4G auch in den Spermadaten wider: Der festgestellte Zusammenhang zwischen Handynutzung und Spermienqualität nahm im zeitlichen Verlauf der Studie ab. Am stärksten war die Assoziation in der ersten Phase (2005-2007) der Studie, dann ging sie schrittweise zurück. Der höhere Mobilfunkstandard geht mit geringerer Sendeleistung der Smartphones einher, wodurch die Auswirkungen auf die Spermien möglicherweise reduziert werden.

Titelfoto:cottonbro studio/pexels

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