Sennheiser Momentum True Wireless 4
ANC, 7 h, Kabellos
Sennheiser bewirbt seine Edel-In-Ears mit starker Connectivity, langer Akkulaufzeit und hoher Wiedergabetreue. Und natürlich mit dem heutzutage unvermeidbaren «individuellen Hörerlebnis». Ich gehe dem nach und erlebe viel Sonnenschein und ein klein wenig Schatten.
Nach zwei Jahren bringt Sennheiser die mittlerweile vierte Iteration seiner In-Ears auf den Markt. Diese unterscheidet sich optisch und haptisch kaum von ihrem Vorgänger. Muss sie aber auch nicht, denn hier machte Sennheiser vieles bereits richtig. Sowohl die 60 Gramm schwere Ladeschale als auch die rund 6 Gramm schweren Hörer wirken hochwertig verarbeitet.
Wie immer ist die Ladebox mit einem Stoffgewebe bespannt, was für einen unverwechselbaren Look sorgt. Du kannst dir entweder die in Graphit oder die silberne Version aussuchen. Im Inneren hat sich einiges verändert – zum Guten? Ich probiere die Kopfhörer aus und nehme die AirPods 2 Pro und die WF-1000 XM5 von Sony zum Vergleich.
Sennheiser hält sich beim Lieferumfang ans Altbewährte. Kurzanleitung, USB-A zu USB-C-Kabel und vier verschiedene Aufsatzgrössen. Dazu liefern die Deutschen drei verschiedene Finnen-Aufsätze für den Tragekomfort am Aussenohr. Dankenswerterweise sind die Öffnungen der Aufsätze recht gross. Das Wechseln eben jener geht also schnell und einfach – ohne dass du sie mit den Fingernägeln in einer ewigen Prozedur drüberziehen musst. Apropos: Du musst keinen Schutz über die Kopfhörer ziehen.
Die In-Ears haben eine IP54-Zertifizierung, sind also vor Spritzwasser geschützt. Ein wenig Regen tut ihnen also nichts an.
In Sachen Connectivity schöpft Sennheiser aus dem Vollen: Nebst dem aktuellsten Bluetooth-Standard (5.4), kommen die Momentum mit jeder Menge Codec-Support: SBC, AAC, AptX Lossless, AptC Adaptive und LC3. Und auch Auracast wird unterstützt. Wie immer gilt das meiste aber nicht für Apple. Hast du ein iPhone, musst du mit AAC Vorlieb nehmen. Neu unterstützten die Momentum True Wireless 4 (MTW4) die «Snapdragon Sound»-Technologie. Wenn du einen Audio-Streaming-Anbieter hast, der Lossless-Formate unterstützt (z. B. Tidal), kommst du zudem in den Genuss von «flawless bit-by-bit lossless Audio», wie Sennheiser es nennt. Mit AptX Adaptive hast du zudem die Möglichkeit, zulasten der Audioqualität eine noch niedrigere Latenzzeit zu aktivieren – so kannst du die (Multipoint-fähigen) MTW4 mit dem Steam Deck oder deiner Nintendo Switch verbinden und zocken.
Wie bei fast allen grossen Audio-Herstellern gibt’s für Android und iOS eine App: «Sennheiser Smart Control». Die App bietet eine Reihe von Features, die dem Hörgenuss zuträglich sind. Ich empfehle dir, sie herunterzuladen.
Als erstes wichtig: Wenn du sie installiert hast, suche nach Firmware-Updates für die Kopfhörer. Sennheiser hat nämlich eines verteilt, nachdem der Hersteller die Momentum True Wireless 4 ausgeliefert hat. Zum Zeitpunkt dieser Review ist es die Version 5.3.4.
Die App bietet verschiedene Optionen, um den Sound der Momentum True Wireless 4 nach deinem eigenen Gusto zu gestalten. Dazu gehört ein Equalizer mit Bass Boost und Podcast-Option (ergo optimiert für menschliche Stimmen). Daneben kannst du die Bänder für fünf Frequenzen (63, 250, 1000, 4000 und 8000 Hz) zwischen -6 dB und 6 dB verschieben. Cool: Du kannst verschiedene Konfigurationen einstellen und anschliessend in einer «Klangzone» abspeichern. Wenn du also in einer lärmigen Umgebung bist und in eine ruhige wechselst, ändert sich das gespeicherte Preset. Zumindest, wenn du das Location-Tracking aktiviert hast – ansonsten musst du das manuell machen.
Weiter kannst du die «aktive Geräuschunterdrückung» und den «Anti-Wind-Mode» aktivieren. Während Letzteres im Test die nervigen Windgeräusche erfolgreich ausgeblendet hat, überzeugt mich die «Adaptive Noise Cancellation» weniger. Der Unterschied zum «normalen» «Active Noise Cancelling» liegt darin, dass die Kopfhörer sowohl messen, was aus den Speakern kommt, als auch, was von aussen an dein Ohr dringt. Je nach Lautstärke der Störgeräusche wird der «Cancelling-Effekt» stärker oder schwächer. Ich hatte hier immer den Effekt, dass der Sound leiser wird. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Momentum True Wireless 4 mit gewissen hochfrequenten Geräuschen nicht immer klar kommen – dadurch stellte sich bei der Adaption gefühlt ein Zufallseffekt ein. Ich würde die adaptive Geräuschunterdrückung daher abschalten. Denn das normale Noise Cancelling ist stark. Und zwar Bahnhof-Zürich-Hardbrücke-werktags-um-17-Uhr-stark.
Weiter gibts den Transparency-Modus. Für den Fall, dass du an besagtem Bahnhof stehst und trotz Musik die Durchsagen hören möchtest. Hier stellt dir Sennheiser einen Regler zur Verfügung – wie durchlässig sollen die Hörer denn sein? Die Mikrofone für die Durchlässigkeit weisen ein hörbares Eigenrauschen auf. Allerdings nur, wenn du die Transparenz auf ganz hoch stellst. Das bedeutet aber wiederum, dass der Umgebungslärm hoch sein wird – und du deshalb das Eigenrauschen wohl gar nicht hörst.
Daneben gibt’s noch die Möglichkeit, die Touch-Control frei zu belegen mit Play/Pause, Anrufannahme, Lautstärkekontrolle und so weiter.
Den Sound individuell aufs Ohr abzustimmen, liegt bei den Audio-Firmen im Trend. Mit der Smart-Control-App kannst du das auch hier machen. Sennheiser gibt sich dabei richtig Mühe und führt dich mit klaren Anweisungen durch den Prozess. Am Anfang des personalisierten Sounds steht der Passtest der Aufsätze. Neben dreierlei Finnen-Aufsätzen, die sich mit unterschiedlicher Ausprägung an die Ohrmuschel anpassen, legt Sennheiser vier Paar Aufsätze für ins Ohr bei. In vier verschiedenen Grössen, versteht sich. Ich starte mit den Zweitkleinsten. Während rechts alles tiptop zu schein seint, verortet die App links ein Problem. Mit einigem Gezerre erreiche ich das Verdict «fair fit» statt «poor fit». Nicht optimal. Eine Grösse mehr scheint dann auf beiden Seiten zu passen und hält sehr gut in meinem Ohr. Er rutscht rein und breitet sich in meinem Ohr danach wieder aus, aber ohne zu drücken.
Anschliessend werden Strings, Bass und Drums anhand eines Testsongs angepasst. Zuerst stellst du eine Lautstärke ein, mit der du dich wohlfühlst. Danach pegelst du Sound so runter, dass du ihn gerade noch hörst. Auf der tiefstmöglichen Stufe, die dein Ohr noch wahrnehmen kann. Zum Schluss kannst du noch kleine Anpassungen anhand eines Reglers treffen. Die App empfiehlt mir, die Lautstärke, die ich zuerst eingestellt habe, «für eine angenehme Hörerfahrung» weiter zu senken. Da rennt sie offene Türen ein. Zum Schluss höre ich einen klaren Unterschied und hole noch ein bisschen was aus dem sowieso schon starken Sound raus.
Ich bin glücklich. Aber leider nur, wenn ich stehe oder sitze. Wenn ich mich bewege, wird die Vibration jedes Schritts auf hartem Boden (Asphalt, Laminat, Stein, Holz) direkt an mein Ohr übertragen. Nicht akustisch, ich habe ja die aktive Geräuschunterdrückung eingeschaltet. Aber körperlich wahrnehmbar. Schalte ich das ANC aus, wird es weniger – dennoch ist die Vibration zu stark. Ich packe die kleineren Aufsätze wieder drauf. Die kleineren Silikonpfropfen halten zwar weniger gut, das Vibrationsproblem ist dafür deutlich kleiner. Eine suboptimale Lösung, aber das geringere Übel. Womöglich nur ein individuelles Problem. Dennoch schade.
Für meinen Klangtest habe ich die MTW4 gegen zwei Konkurrenten antreten lassen: Die Apple Airpods Pro 2 und die WF-1000 XM5 von Sony. Sie alle verbinde ich mit meinem Smartphone und höre mir drei Stücke an. Jedes dieser drei Lieder wähle ich mit einem bestimmten Fokus – mit einem möchte ich die Balance der MTW4 testen, mit einem das hochfrequente Spektrum und mit dem dritten Bässe und Stimmen.
Gleich beim ersten Lied spielen die MTW4 ihre grossen Stärken aus. Sie bieten einen sehr klaren, präzisen Klang und sind gut ausbalanciert. Schon zu Beginn bei den Regengeräuschen klingen sie natürlicher und klarer als die Konkurrenz. Auch tritt die Stimme mehr in den Vordergrund als dies bei den beiden anderen Geräten der Fall ist. Sennheiser legt hier eine starke Balance an den Tag.
Der Boss höchstpersönlich muss antraben, damit ich die Höhen der MTW4 testen kann. Bei der Wiedergabe der Höhen fühlt sich der MTW4 knackiger an als etwa die Airpods 2. Trotz vieler hochfrequenter Klänge schafft es der Kopfhörer, diese nicht zu überspitzen. Insgesamt sind sie sehr «bekömmlich», werden nie schrill. Ausserdem sind die verschiedenen Frequenzen gut unterscheidbar, der MTW4 gibt sie präzise wieder und schöpft das ganze Höhenspektrum aus.
Dieses Lied zeichnet sich durch eine intensive Bass-Melange und sehr wenig menschliche Stimme aus. Ein richtiges Durcheinander. Hier fällt mir auf, dass der MTW4 es schafft, die einzelnen Klänge voneinander losgelöst und präzise wiederzugeben. Allerdings hat der Bass der Sony-Kopfhörer und auch der Apple-Hörer etwas mehr Kick. Der Sound der beiden ist wärmer und lässt mich noch mehr in das Stück eintauchen, während die MTW4 eher nüchtern klingen. Hier ist es Geschmackssache, was man bevorzugt.
Sennheiser verbaut drei Mikrofone in jeden der beiden Hörer. Beim Telefonieren werden die Störgeräusche von aussen gut abgeschirmt und ein Eigenrauschen vernehme ich nicht. Mein Gegenüber ist mit der Gesprächsqualität zufrieden, ich bin gut zu hören. Der Klang ist allerdings etwas blechern. Aber überzeuge dich selbst:
Sennheiser hat sich Mühe gegeben, seine In-Ears noch langlebiger zu machen. Dies ist ihnen gelungen. In meinem Test hielten die Kopfhörer mit einer vollen Ladung sieben Stunden durch, bevor die Low-Battery-Warnung kam. Ich spreche hier von sieben Stunden mit aktivierter Geräuschunterdrückung und Lossless-Sound, verbunden mit meinem Oppo-Smartphone.
Die Ladeschale hat dann noch drei weitere Ladezyklen in Petto – ohne ANC bist du hier für über 30 Stunden gerüstet, mit liegt die Dauer bei rund 28 Stunden. Diese Herstellerangaben haben sich im Gebrauch bestätigt und sind mehr als ordentlich. Auch eine Quickcharging-Funktion haben die MTW4. Packst du sie für 10 Minuten in die Schale, gibt’s 60 Minuten zusätzlichen Sound. Da kann man wirklich nicht meckern.
Die Sennheiser Momentum True Wireless 4 sind fabelhafte Kopfhörer. Mit der unverfälschten Musikwiedergabe, der langen Akkulaufzeit und der edel und solide verarbeiteten Hardware steht ihnen ein langes Leben bevor – auch wenn das stoffbespannte Ladecase mit der Zeit etwas abgewetzt aussieht. Auch die Möglichkeiten zur Individualisierung überzeugen grösstenteils.
Ein wenig nützliches Feature ist die adaptive Geräuschunterdrückung – hier bevorzuge ich es, mich akustisch dauerhaft von der Aussenwelt zu isolieren. Bleibt das Problem mit den Vibrationen – dass sich wohl mit anderen Aufsätzen lösen lässt. Insgesamt begegnet Sennheiser seiner In-Ear-Konkurrenz in ähnlicher Preis- und Qualitätsklasse auf Augenhöhe. Hier musst du dir also die Frage stellen, welche Klangsignatur du bevorzugst.
Pro
Contra
Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.