«Shapez 2» angespielt: tolles Automatisierungsspiel, aber nicht für mich
Nichts außer Automatisierung: In «Shapez 2» steht das Transportieren und Umbauen von abstrakten Formen im Mittelpunkt. Doch mir fehlt die langfristige Motivation.
Wenn du mich letzte Woche gefragt hättest, was ein Automatisierungsspiel ausmacht, hätte ich ohne zu zögern «Förderbänder» geantwortet. Durch «Shapez 2» habe ich aber herausgefunden, dass für mich doch mehr dazugehört. Das Spiel erschien am 15. August 2024 im Early Access und erhielt 98 Prozent Empfehlungen bei mittlerweile rund 5000 Bewertungen auf Steam. Der Trailer machte mir richtig Lust auf das Game und ich hätte nicht gedacht, dass ich mit ihm daneben greifen kann. Und doch fesselt es mich nicht wie andere Automatisierungsspiele, beispielsweise «Dyson Sphere Program» und «Satisfactory».
In «Shapez 2» dreht sich alles, wie der Name nahelegt, um zweidimensionale Formen, die ich manipuliere und mit anderen Formen kombiniere. Dazu schicke ich sie über Förderbänder von Maschine zu Maschine. «Shapez 2» reduziert das Prinzip Automatisierung auf diesen einen Aspekt: die effiziente Verkettung von komplexen Verarbeitungsprozessen. Es gibt keine Story, keine Spielwelt, keinen steuerbaren Charakter, keine weitere Infrastruktur wie Strom und auch keine Feinde.
Am Anfang war der Kreis
In «Shapez 2» stehen mir Förderbänder und Maschinen in unbegrenzter Zahl zur Verfügung. Ich baue alles nach Belieben auf und reiße es wieder ab. Eigentlich ist das ein Traum für die Optimierung von komplexen Systemen. Auch die Aufgabenstellung in «Shapez 2» ist einfach. Ich soll mittels Förderbändern immer eine bestimmte Menge bestimmter Formen in den Vortex werfen. Der Vortex ist ein großer Wirbel auf einer Plattform mitten im leeren Raum. Wohin die Formen verschwinden, weiß ich nicht, es ist aber auch nicht wichtig. Hauptsache, der Vortex ist zufrieden.
300 Halbkreise werden als erstes verlangt. Das Spiel zeigt mir eine Plattform, auf der ich Vorkommen an Kreisformen finde. Das kannst du dir so vorstellen wie Erzvorkommen in anderen Spielen, nur dass ich keine Eisenerze oder Kohle aufs Förderband lade, sondern zunächst nur Kreise und Quadrate.
Ich baue also Extraktoren auf die Kreisvorkommen und führe die Kreise über ein Förderband zu einer Schneidemaschine. Diese Maschine zerstört die eine Hälfte der gelieferten Form und gibt den Rest – in diesem Fall Halbkreise – auf der anderen Seite aus. Die schicke ich per Förderband zum Vortex. Hat der genug Halbkreise bekommen, belohnt er mich mit Forschungspunkten und einer neuen Aufgabe. Habe ich genug Forschungspunkte zusammen, schalte ich damit Verbesserungen frei, wie zum Beispiel schnellere Förderbänder oder neue Maschinen.
Jeder Verarbeitungsschritt ist sichtbar
Eine Besonderheit an «Shapez 2» ist, dass ich zuschauen kann, wie die Produkte bearbeitet werden. In anderen Automatisierungsspielen sind Verarbeitungsmaschinen gewissermaßen Zauberboxen: Ich liefere ein Ausgangsprodukt hinein und auf der anderen Seite kommt ein unter mysteriösen Umständen zusammengeklöppeltes Produkt heraus. In «Shapez 2» ist dagegen alles sichtbar. Die einzelnen Arbeitsschritte sind zwar nicht sonderlich komplex, aber es ist befriedigend zu sehen, wie Formen zerschnitten, rotiert, gefärbt oder aufeinander gestapelt werden.
Und das alles ist auch nötig, denn bei einfachen Halbkreisen bleibt es nicht lange. Jede Grundform setzt sich aus bis zu vier Vierteln zusammen, die ich herauslösen und anderweitig verwenden kann. Später muss ich mir richtig Gedanken machen, mit welchen Maschinen ich am besten zwei diagonale Viertel aus einem Kreis heraustrenne, ein Viertel-Quadrat einfärbe und in den Kreis einsetze.
«Shapez 2» bietet keine echte Spielwelt, die ich erkunden kann. Stattdessen befinde ich mich in einer Art Pseudo-Weltall mit wirbelnden Nebeln im Hintergrund. Weiter weg von meiner Startplattform mit dem Vortex schweben andere Plattformen herum, auf denen ich mehr Formen und besagte Flüssigkeiten abbaue. Mit breiten «Space-Förderbändern», die das Material von vier normalen Förderbändern transportieren können, verbinde ich die Plattformen miteinander.
Bei entspannenden, sphärischen Klängen und einer dezenten Geräuschkulisse zuzuschauen, wie kleine Roboterarme die Formen manipulieren, macht wirklich Spaß. Da kommt schon fast ein gewisser Wuselfaktor auf.
Ein künstlicher Bonus für längerfristige Motivation
Manche Aufgaben sind als Meilensteine definiert. Nach dem Abschließen von Meilensteinen ist es sinnvoll, das dafür angeforderte Produkt weiterhin in den Vortex zu liefern. Dadurch steigere ich meinen «Operator-Level» und erhalte weitere Belohnungen. Dieser Trick soll dafür sorgen, dass ich nach dem Erreichen eines Ziels die dafür notwendige Produktion nicht abreiße, sondern stattdessen komplexe Fabriken mit möglichst vielen Vortex-Produkten baue. Einen anderen Zweck haben die Endprodukte nicht.
Der Abschluss eines Meilensteins kann durchaus recht lange dauern. Nach wenigen Stunden Spielzeit soll ich bereits 14 000 «Schachbrettquadrate mit darauf liegender Kreuzblume» abliefern. Obwohl ich bereits alle Vorkommen der beteiligten Rohformen in meinem Weltraumquadranten nutze, zieht sich das lange hin. Ich kann das Spiel auch nicht schneller laufen lassen. Während der Wartezeit kümmere ich mich um kleine Nebenaufgaben, deren Fertigungsstraßen ich nach dem Abschluss wieder abreiße. Oder ich schaue, welche Meilenstein-Formen als nächstes gefordert werden.
Normalerweise gehe ich bei Spielen immer in den Pausenmodus, wenn ich den Rechner kurz verlasse – aber bei «Shapez 2» lasse ich das Spiel bewusst weiterlaufen, wenn ich mir etwas zu essen hole. Kein gutes Zeichen: Ich beginne mich zu langweilen.
Die Steuerung sitzt, passt, wackelt und hat Luft
Aufbauen und wieder abreißen gehört in «Shapez 2» zum Geschäft. Und die Steuerung macht mit. Förderbänder über verschiedene Ecken und Ebenen zum Ziel führen, funktioniert perfekt. Nach kurzer Zeit habe ich die Hotkeys verinnerlicht, mit denen ich auch längere Systeme anwähle und abreiße. Auch das Kopieren, Ausschneiden und Einfügen mit den weithin bekannten Tastenkürzeln STRG C, X und V funktioniert. So ist es ein Leichtes, ganze Komplexe zu kopieren und gespiegelt oder eine Ebene höher einzufügen.
Nach kurzer Zeit habe ich auch Zugriff auf ein Bauplan-Buch. Damit kann ich beliebige Bereiche meiner Fabrik als Bauplan speichern und später wieder einfügen. Das macht das immer wieder neue Aufbauen gleicher Fabrikbereiche obsolet.
Kann ich in der normalen Bauansicht einzelne Gebäude und Förderbänder löschen, kopieren und einfügen, geht es in der Plattformansicht ums Große und Ganze. Hier wähle ich ganze Plattformen mitsamt allen Inhalten aus und kopiere sie. Es ergibt also Sinn, größere Bearbeitungsschritte auf eine Plattform zu konzentrieren und diese dann als Bauplan zu speichern. So kann ich zum Beispiel zum Entfernen eines Viertels aus einer Form einfach diese Plattform aus dem Bauplan hinzufügen. In anderen Worten: Meine Fabrik wird modular.
Warum ich trotzdem nicht ganz mit «Shapez 2» warm werde
«Shapez 2» ist weitgehend frustfrei. Es fehlt an nichts und größere Fertigungsstraßen sind in Windeseile gebaut. Der Automatisierungstüftelei steht also nichts im Wege. Aber dieses Gameplay motiviert mich auch nicht besonders. Ich habe nach rund zehn Spielstunden, die ich das Spiel getestet habe, eine Weile überlegen müssen, was mich stört. Mir fehlt die Gefühlsachterbahn aus Frust und Freude, die ich aus «Dyson Sphere Program», «Satisfactory» & Co. kenne. Frust, wenn ich in der Wildnis bemerke, dass ich wichtige Materialien nicht dabei habe und zurück zum Lager latschen muss. Freude, wenn ich endlich eine Verbesserung oder genügend Ressourcen habe, um einen Engpass zu beheben. In «Shapez 2» gibt es für mich weder viel Frust noch viel Freude.
Während ich in anderen Fabrikbauspielen verlockende Ziele vor Augen habe, die bestehende Probleme lösen oder einfach Spaß versprechen, fehlt das in «Shapez 2». Es gibt zwar immer neue Aufgaben, aber eine Aufgabe abzuschließen befriedigt nicht so sehr. Dazu kommt, dass die produzierten Formen keinen anderen Zweck erfüllen als den Selbstzweck. In anderen Spielen kann ich Endprodukte produzieren, die einen Sinn haben. In «Shapez 2» bekomme ich nur Formen, aus denen ich höchstens noch mehr Formen herstelle.
Auch mit dem modularen Bauen werde ich nicht warm. Modular zu bauen ist natürlich kein Muss, aber ich merke, dass ich aus Faulheit doch immer wieder ganze Plattformen kopiere und sie neu kombiniere, ohne noch genau zu wissen, wie ich die eigentlichen Probleme gelöst habe.
«Shapez 2»: Schön aufgezogen, aber nichts für mich
Meine Kritik ist kein Fehler des Spiels, sondern ein Problem meiner Erwartungshaltung, die sich an anderen Spielen orientiert. In einem Blogpost beschreibt der Entwickler Tobias Springer, wie es zu diesen Gameplay-Entscheidungen kam: Die Entwicklung von «Shapez 2» fand sehr eng mit der «Shapez 1»-Community statt. Unendliche Ressourcen, abstrakte Formen, einfache Grafik und entspannendes Gameplay ohne Feinde sind Punkte, die den Fans des Vorgängers am wichtigsten waren. Diese Features wurden in «Shapez 2» entsprechend beibehalten und das Gameplay wurde um viele in der Community gewünschte Features ergänzt.
«Shapez 2» ist perfekt, wenn du gerne effiziente Produktionen aufbaust und keine weitere Motivation dafür brauchst. Handwerklich ist das Spiel hervorragend: einfach zu bedienen, schön gestaltet und mit passender Musik sowie angenehmer Geräuschkulisse versehen. Wenn du aber lieber eine richtige Spielwelt mit deiner Fabrik vollstellst und nicht nur mit abstrakten Produkten arbeiten möchtest, ist «Shapez 2» nicht das Richtige für dich.
Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.