«Shōgun»: Jetzt schon das Highlight des Jahres – nach nur zwei Folgen
«Shōgun» entführt uns ins Japan des Jahres 1600, wo politische Spannungen und Samurai-Kämpfe das Land beherrschen. Mit hochkarätiger Besetzung und opulenter Ausstattung verspricht die Serie das fesselndste Historiendrama des Jahres zu werden.
Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.
Es ist nicht die erste Adaption des gleichnamigen Historienromans aus der Feder James Clavells. Aber womöglich die bisher beste. Das zumindest sagen sowohl Kritikerinnen als auch Zuschauer. Denn mit opulenten Bildern, einem vielschichtigen Ensemble und einer spannenden Story, die geschickt Historie mit Fiktion verbindet, hat «Shōgun» das Potenzial, Fans von «Game of Thrones» und «The Last Samurai» gleichermassen zu begeistern.
Mehr noch: Ich habe bisher zwar nur zwei Folgen gesehen, aber ich wage jetzt schon zu behaupten, dass uns mit «Shōgun» das Serien-Highlight des Jahres bevorsteht.
Darum geht’s in «Shōgun»
Wir schreiben das Jahr 1600. Nach dem Tod des Taiko, dem mächtigen Anführer Japans, herrscht Chaos im Land. Zwar hat er einen siebenjährigen Sohn und Erben hinterlassen, aber einen, der wegen seiner Minderjährigkeit noch nicht regieren kann. Genau darum hat der Taiko verfügt, dass sein Rat der fünf Regenten, die je für eine der fünf grossen Regionen Japans stehen, das Land verwalten sollen, bis sein Sohn die Volljährigkeit erreicht. Aber kaum ist der Taiko tot, gehen die Ränkespiele los.
Denn vier der fünf Regenten, von der Stärke ihrer eigenen Samurai-Armeen überzeugt, streben nach mehr als blosser Verwaltung Japans. Sie sind sich jedoch bewusst, dass ein offener Konflikt keinen Sieger hervorbringen würde. Daher greifen sie zunächst zu subtileren Methoden, um ihren rivalisierenden Regenten, Yoshii Toranaga (Hiroyuki Sanada) aus Kanto, auszuschalten. So soll er zuerst seines Amtes enthoben und damit zu Freiwild erklärt werden. Aber Toranaga hat selbst noch ein Ass im Ärmel: den gestrandeten englischen Navigator John Blackthorne (Cosmo Jarvis).
Der Protestant Blackthorne ist seinerseits nicht nur der erste Engländer in Japan. Er hat zusammen mit Toranaga auch gemeinsame Feinde im Land: die portugiesischen Katholiken, die bereits eine starke Präsenz bis in die höchsten politischen Ebenen etabliert haben. Toranaga erkennt darin eine Gelegenheit. Durch geschicktes Einsetzen von Blackthorne kann er Zwietracht zwischen den teilweise katholischen Regenten säen und somit Zeit gewinnen. Zeit, um nach dem höchsten Titel zu trachten, der Normalsterblichen in Japan die ultimative Macht verleiht: der des Shōgun.
Kein Spiel um Throne, aber eines um Titel
Shōgun. Zu Deutsch: barbarischer General. Im feudalen Japan gebührte dieser Titel dem höchsten militärischen Befehlshaber. Eigentlich sogar dem Führer des ganzen Landes. Denn die Zeit der Shōgunate war eine Ära, in der Japan von einem Militärregime beherrscht wurde. In dieser Periode, auch als Edo-Zeit bekannt, war der Shōgun der eigentliche Machthaber, während der Kaiser eher eine zeremonielle Rolle innehatte. Schliesslich endete das Shōgunat mit der Meiji-Restauration im Jahr 1868, als den einst ehrenvollen Samurai ihr privilegierter Status aberkannt wurde, die politische Macht wieder auf Kaiser Meiji überging und Japan eine Modernisierung und Öffnung gegenüber dem Westen begann.
Falls dir das bekannt vorkommt: Ja, «The Last Samurai» spielt genau während dieser Meiji-Restauration. Ebenfalls im Film dabei: Hiroyuki Sanada als unerbittlicher Samurai-Schwertmeister Ujio. Heute, 21 Jahre später, übernimmt er in «Shōgun» die Rolle des Lordregenten Yoshii Toranaga. Ruhiger ist er da. Würdevoller. Durchtriebener. Aber kein bisschen weniger gefährlich.
Aber wo «The Last Samurai» seine Geschichte aus der Perspektive des Fremden im fremden Land erzählt, namentlich aus der von Tom Cruises amerikanischen Ex-Generals, ist «Shōgun» ein klassisches Ensemble-Stück und damit in Sachen Pacing, Vibes und Spannung ganz nah bei den frühen «Game of Thrones»-Staffeln. Einfach ohne Fantasy. Dafür mit Samurai.
Es gibt also keinen individuellen Hauptcharakter, sondern mehrere. Einige davon wichtiger als die anderen. Nacheinander zeigen uns ihre Szenen, ihre Pläne, ihre Interessen. Und wie geschickt sie ihre Fäden ziehen, um im delikaten Spiel um den Titel des Shōgun die Oberhand zu gewinnen. Spannung pur. Zumindest für Freunde des gepflegten Storytellings. Denn während uns die grossen und in den Trailern angedeuteten Schlachtengemälde erst noch bevorstehen, startet die Serie vorerst langsam und bedächtig – auch wenn rollende Köpfe oder lebendig gekochte Menschen nie über die unerbittliche Natur eines Volkes hinweg täuschen, das Sitte und Tradition wie eine Maske tragen und ablegen kann.
Authentizität wie selten aus Hollywood
Dabei sieht «Shōgun» schlichtweg atemberaubend aus. Von der Ausstattung über die Kostüme und Rüstungen bis hin zum Make-up und den Kulissen. Ganz zu schweigen von den Computereffekten. Etwa, wenn der gestrandete Engländer Blackthorne in Erwartung, Wilden und Barbaren in die Hände geraten zu sein, zum ersten Mal ins feudale Osaka geführt wird. Nicht nur ihm fällt der Kinnladen herab bei solch majestätischer Zivilisation.
Zu dieser beeindruckenden Authentizität trägt bei, dass die Serie den japanischen Figuren eine deutlich grössere Rolle beimisst als noch die Vorlage. «Shōgun», das Buch, wird nämlich vor allem aus eben jener Perspektive des John Blackthornes erzählt. Die als Ensemble-Stück konzipierte Serie hingegen nicht. Tatsächlich wird die meiste Zeit sogar nur Japanisch gesprochen – und auf eine hollywoodsche Synchronisierung verzichtet, bei der Japaner Englisch mit Akzent sprechen. Das trägt unheimlich zur Immersion bei.
Ausser es wird gerade Portugiesisch gesprochen. Dann redet man eben doch Englisch. Dies hat seinen Grund: Die Portugiesen waren die ersten Europäer, die einen sicheren Weg nach Japan fanden und Handelsbeziehungen knüpften, den Katholizismus verbreiteten und die portugiesische Sprache etablierten. Lange Zeit wurde in Japan sogar angenommen, dass ganz Europa nur aus Portugal bestehe. Diese Vorstellung änderte sich erst mit der Ankunft des englischen Navigators William Adams Anfang des 17. Jahrhunderts, auf dem die Figur von John Blackthorne lose basiert.
Im «Shōgun»-Universum sprechen Blackthorne sowie die wenigen bilingualen Japaner darum ebenfalls Portugiesisch, auch wenn wir Zuschauende Englisch hören (und in der deutschen Synchronfassung Deutsch). Hätte sich das Team hinter der Adaption tatsächlich für eine hundertprozentig authentische Umsetzung in puncto Sprachen entschieden, hätten sie gleich die gesamte Serie mit Untertiteln versehen können. So weit wollte man als amerikanisch-japanische Produktion dann doch nicht gehen.
Fazit: Ich will noch mehr politische Intrigen und Samurai-Kämpfe – jetzt!
Es sind zwar nur zwei Folgen, die bisher offiziell erschienen sind. Aber die alleine haben mich schon tief ins feudale Japan eintauchen lassen, das gerade kurz vor einem Jahrhunderte langen Bürgerkrieg steht. Zu beanstanden habe ich nichts. Dafür viel mehr zu loben. Vor allem die spannende Story, die trotz des (noch) gemächlichen Tempos kein bisschen Langeweile aufkommen lässt.
Über Story und Ausstattung thront ein unglaublich gut aufgelegter Cast, angeführt vom sensationellen Hiroyuki Sanada als Regent Yoshii Toranaga und dem mit besonders dreckiger Zunge spielenden Cosmo Jarvis als John Blackthorne. Die politischen Intrigen haben begonnen. Die epischen Schlachten kommen erst noch. Und die nächste Episode? Ich kann sie kaum erwarten. Bis dahin gönne ich mir etwas Hintergrundmaterial.
«Shōgun» hat am 27. Februar mit einer Doppelfolge auf Disney+ (Star) gestartet. Die Serie besteht aus zehn Folgen à etwa 60 Minuten. Jeden Dienstag erscheint die jeweils nächste Folge. Freigegeben ab 12 Jahren.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»