Sneaker mit Stiletto-Absatz: Die hässlichsten Schuhe, die ich je gesehen habe
26.8.2024
Unter dem Label Sneex verkauft Spanx-Gründerin Sara Blakely neu Sneaker mit hohen Absätzen. Dass die Schuhe geschmacklos aussehen, ist dabei noch nicht einmal das Schlimmste an ihnen.
In den letzten Monaten habe ich über einige gewöhnungsbedürftige Sneaker-Hybriden geschrieben. Da waren die Sneaker-Sandalen von Keen, die Sneaker-Loafer von New Balance oder die Sneaker-Pantoffeln aus der Kollaboration von New Balance und Miu Miu. Sie alle fallen unbestritten in die polarisierende, aber überaus beliebte Kategorie des Ugly Shoe. Und sie alle hatten mein vollstes Verständnis. Ich verstand die Vision, den Vibe, verstand ihren Reiz. Doch die neueste Turnschuh-Kreuzung triggert mich zutiefst.
Sara Blakely, die Gründerin der Shapewear-Marke Spanx, bot vergangene Woche reichlich Gesprächsstoff. Sie hat eine neue Marke lanciert: Sneex. Auf der Website schreibt die US-Amerikanerin: «Ich träume davon, bequeme High Heels zu erfinden, seit ich angefangen habe, sie zu tragen. Ich sehnte mich nach einer völlig neuen Art von Schuh. Etwas, das Verspieltheit ausstrahlt und mir wieder Lust macht, mich anzuziehen.»
Dieses Etwas ist ein Sneaker mit Stiletto-Absatz – und so ziemlich das hässlichste Schuhwerk, das mir in den letzten Jahren unter die Augen gekommen ist. Damit meine ich nicht hässlich auf die unbekümmerte, provokante oder ironische Art. Vielmehr hat der Schuh die Ausstrahlung eines Ladenhüters, der in einer schlecht frequentierten Dorf-Boutique als fetzig angepriesen wird. Bloss, dass die Modelle von Sneex zwischen umgerechnet 340 bis über 500 Franken kosten.
Blakely arbeitet seit Jahren an bequemen High Heels
Tatsächlich spielt Blakely seit über einem Jahrzehnt mit der Idee bequemer Absatzschuhe. Schon 2013 brachte sie in der TV-Sendung «60 Minutes Australia» ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass die Menschen einen Mann auf den Mond geschickt, aber noch keine bequemen High Heels erfunden hätten. Nun habe es ihr gereicht. Gegenüber InStyle erklärt die 53-Jährige: «Ich rege mich auf, wenn sich etwas auf dem Markt jahrelang – in diesem Fall jahrhundertelang – nicht ändert.»
Mehrere Jahre haben sie und ihr Team an High-Heel-Sneakern getüftelt und dabei drei Hauptprobleme von hohen Schuhen in Angriff genommen. Die Gewichtsverteilung zwischen Ballen und Fersen wurde ausgeglichen, die Lücke zwischen dem Fuss und der gewölbten Sohle geschlossen und der vordere Part des Schuhs so geformt, dass er die Zehen nicht eindrückt.
Man müsse sie anprobieren, um die «darin versteckte Magie» zu spüren, heisst es in der Pressemitteilung. Dank ihrer Stiletto-Sneaker würden Frauen tanzen, bis die Freudentränen kullern. «Sie können nicht glauben, dass es sich um einen knapp acht Zentimeter hohen Absatz handelt», so Blakely. Doch ich muss den Schuh nicht anprobieren, um zu sehen, dass der hohe, dünne Heel zwischen Pflastersteinen und in weichem Teer stecken bleibt – wie jeder andere Stiletto-Absatz auch. Und dass die Acht-Zentimeter-Neigung die Haltung verändert und die Wadenmuskulatur verkürzt.
Sneaker mit Absatz könnten bald einen Hype auslösen
Dass Sneex gerade jetzt in den Markt einsteigt, liegt wohl daran, dass seit rund drei Jahren ein Comeback von Absatzsneakern prophezeit wird. Die Idee ist schliesslich alles andere als neu. 2011 brachte das französische Luxuslabel Isabel Marant den «Bekett» auf den Markt. Ein High-Top-Sneaker mit durchgehendem Wedge-Absatz. Er zierte in den frühen Zehnerjahren so ziemlich jeden prominenten Frauenfuss. Kurz darauf lieferte Sportartikelhersteller Nike mit dem Modell «Sky Hi» die günstigere Alternative – die auch den Weg in meine pubertäre Schuhsammlung fand.
Eigentlich entspricht es ja dem Zeitgeist, dass die Schuhe von Sneex aussehen wie Frankensteins missglücktes Experiment. Das Problem ist, dass sie ihre Hässlichkeit leugnen. Damit unterscheiden sie sich von anderen erfolgreichen Ugly Shoes wie Crocs oder Adiletten. Deren Charme besteht gerade darin, dass sie sich selbst nicht zu ernst nehmen – und diese Nonchalance auf die Trägerin oder den Träger übertragen.
Sneex ist zu sehr von sich eingenommen
Sneex jedoch nimmt sich todernst. Sneex will Frauen dazu ermutigen, «neue Höhen zu erreichen, an ihre Grenzen zu gehen und sich niemals zufriedenzugeben». Sneex sieht sich als sensationelle Innovation, die uns von einem jahrhundertealten Dilemma erlöst. Dabei gäbe es eine viel einfachere Lösung: etwas tiefere Absätze.
Ich muss es wissen. Stinknormale Stiefeletten mit Sechs-Zentimeter-Heels haben mich schon auf zahlreichen Städtetrips mit täglichen Schrittzahlen im fünfstelligen Bereich begleitet. Ohnehin sind sogenannte Kitten Heels – Absätze, die maximal fünf Zentimeter hoch sind – gerade einer der grössten Schuhtrends. Und wer sich trotz Sneaker etwas höher schummeln will, ist mit Plateau-Modellen, wie etwa den Adidas Gazelle Bold, oder nostalgischen Wedge-Sneakern weitaus modischer unterwegs. Das hemmungslose Marketing-Gesülze von Sneex gehört in Teleshopping-Shows anno 1990 – und nicht in die Mode 2024.
Hat grenzenlose Begeisterung für Schulterpolster, Stratocasters und Sashimi, aber nur begrenzt Nerven für schlechte Impressionen ihres Ostschweizer Dialekts.