Hintergrund

Solar-Race-Fahrer Jonas: «Zum Glück sind die Spaltmasse nicht perfekt – das gibt Wind im Cockpit»

Martin Jungfer
12.10.2023

In wenigen Tagen startet die World Solar Challenge 2023 – mit einem Schweizer Team am Start. Im Solar-Rennauto der ETH Zürich sitzt unter anderem Jonas Rudin am Steuer. Ein Interview mit ihm.

Früher Nachmittag in Zürich, später Abend in Darwin, Australien. Der Termin für das Interview muss die Begebenheiten der verschiedenen Zeitzonen berücksichtigen. Jonas und ich haben uns zu einem WhatsApp-Videocall verabredet. (Aus irgendwelchen Gründen hat mein Chef die Dienstreise nach Down Under nicht genehmigt …)

Jonas, guten Abend nach Australien! Hast Du Dich bereits akklimatisiert?
Jonas: Ich bin erst seit zwei Tagen hier. Das Wetter ist sehr heiss, über 30 Grad. Und es ist schwül. Aber das wird schon.

Wie geht es dem Rest des Teams, das schon etwas länger vor Ort ist?
Jonas: Sie sind fleissig und bereiten das Auto auf den Einsatz beim Rennen vor. Das startet am 22. Oktober – und man merkt schon, dass das nicht mehr viel Zeit ist.

Was gibt es da denn jetzt noch zu tun? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war das Auto ja fahrbereit …
Jonas: Fahrbereit und fit sein für ein Rennen über 3000 Kilometer quer durch Australien - das sind dann doch nochmal zwei Paar verschiedene Schuhe. Bisher sind wir hier vor Ort erst etwa 200 Kilometer gefahren. Da entdeckt man doch noch das eine oder andere, was zu verbessern wäre.

Was ist das grösste Thema?
Jonas: Ganz klar unser Solardeck. Mit dem Mechanismus, wie er öffnet und schliesst, sind wir noch nicht zufrieden. Wir haben ausserdem gesehen, dass das ein durchaus kritischer Punkt ist. Ein Team aus den Niederlanden hat kürzlich bei einer Testfahrt das ganze Dach verloren. Das musste wie bei einer Not-OP geflickt werden. So etwas wollen wir natürlich vermeiden.

Tests unter australischer Sonne: das ETH-Team in Cooper Peedy.
Tests unter australischer Sonne: das ETH-Team in Cooper Peedy.
Quelle: Alpha Centauri Racing
Parkposition auf australischem Sand, im Fahrersitz schwitzt hier ETH-Studentin Noa Moulin.
Parkposition auf australischem Sand, im Fahrersitz schwitzt hier ETH-Studentin Noa Moulin.
Quelle: Alpha Centauri Racing

Apropos andere Teams. Belauert man sich da? Es sind ja auch Konkurrenten.
Jonas: Im Gegenteil, da gibt es wirklich keine Rivalität oder gar Spionage. Wir tauschen uns auch viel aus mit anderen Studierenden über deren Ideen und Lösungen für bestimmte Aufgaben. Wir lernen ziemlich viel. Vielleicht ist der Konkurrenzgedanke bei Teams stärker, die bereits häufiger dabei waren. Wir freuen uns vor allem einfach, dass wir hier sein dürfen.

Zu Deiner speziellen Rolle: Wie bereitest Du Dich als Fahrer vor?
Jonas: Ich bin einer von vier Fahrern im Team. Bis zum Start des Rennens ist das Ziel, dass wir alle möglichst viele Testkilometer im Auto sammeln. Dabei lernen wir das Auto kennen, üben die Kommunikation per Funk mit dem Team.

Und auch den Umgang mit der Hitze, wenn die australische Sonne aufs Plexiglas-Cockpit knallt, oder?
Jonas: Ja, das auch. Solange wir fahren, lässt sich das aber gut aushalten. Wir haben wohl mehr Spaltmass als den Karosserieverantwortlichen lieb ist. Aber genau durch die Spalten strömt der Fahrtwind und kühlt einigermassen. Wenn wir allerdings stehen, müssen wir schnell raus aus dem Auto. Da muss jemand ganz schnell das Dach aufmachen, sonst backt man da drin wie in einem Ofen.

Ein Foto aus dem August. Damals stand Jonas noch unter der Sonne Dübendorfs.
Ein Foto aus dem August. Damals stand Jonas noch unter der Sonne Dübendorfs.
Quelle: Martin Jungfer

Wie lange werdet Ihr während des Rennens fahren?
Jonas: Wir haben so geplant, dass von den vier Fahrern pro Tag jeweils drei im Einsatz sind. Gefahren wird täglich von 8 bis 17 Uhr. Wir teilen die Zeit in Schichten auf, sodass jeder maximal drei Stunden am Stück fahren muss. Irgendwann lässt auch die Konzentration nach. Mal abgesehen von Pipi-Pausen und Technik-Checks, die Fahrer und Auto brauchen.

In Australien gibt es ja auch ein paar gefährliche Tiere. Schreckt Dich die Aussicht auf seltsames Getier im Camp nicht?
Jonas: Stimmt schon. In Australien gibt es mehr tödliche Tiere als irgendwo auf der Welt. Wir hatten auch schon ein paar grössere Käfer im Auto, als wir am Morgen zu Testfahrten einsteigen wollten. Im Rennen werde ich dann morgens mit der Taschenlampe mal in die dunklen Ecken leuchten. Für Schlangen gibt es im Auto durchaus ein paar gemütliche Stellen. Aber die wollen wir natürlich nicht als Passagiere mitnehmen.

Da wünsche ich Dir viel Glück – bei der Schlangensuche. Und beim Rennen.

Vor dem Start des Rennens am 22. Oktober werden wir hier im Magazin noch einmal über das Team und den letzten Stand der Vorbereitung berichten. Wer mehr über Alpha-Centauri-Solar-Racing erfahren will, kann hier oder hier ältere Berichte lesen. Wenn du vielleicht sogar das Team finanziell unterstützen willst, kannst du das bei der Crowdfunding-Kampagne tun. Auch via Instagram teilt das Team immer wieder spannende Insights.

Titelfoto: Alpha Centauri Racing

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 

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