Sony WF-SP800N: Der Porsche unter den Sportkopfhörern im Test
Ich habe die neuen True-Wireless-Sportkopfhörer von Sony ausprobiert. Mein Fazit: Statt eines Porsches in den Ohren, wäre mir ein Traktor lieber gewesen.
Nervös. Dieses Adjektiv kommt mir im Zusammenhang mit den neuen Sportkopfhörern von Sony als erstes in den Sinn. Die WF-SP800N True-Wireless wirken mit ihren vielen Features auf mich wie ein Porsche mit übersensiblen Fahreigenschaften, denn sie machen nicht immer das, was sie sollen. Ein Traktor wäre mir lieber.
(Zu) viele Features
Die Produktentwickler bei Sony haben es gut gemeint. Zu gut. Oder ihre neuen True-Wireless-Sportkopfhörer mit Noise Cancelling wurden von Menschen entwickelt, die keinen Sport treiben. Das Problem sind die vielen Features und die hypersensible Steuerung der WF-SP800N.
Über die Sony Headphones-Connect-App verbindest du die Kopfhörer mit deinem Smartphone. Hier legst du die Funktionen von linkem und rechtem Earbud fest. Und du siehst dort den Akkustand der Buds und des Ladeetuis. Du kannst den Buds folgende Funktionen zuweisen, die du über ihren Touchsensor bedienst:
- Steuerung der Umgebungsgeräusche
- Wiedergabesteuerung
- Lautstärkeregler
- Google Assistant
- Amazon Alexa
Du solltest dir also genau überlegen, was du während deines Trainings wie steuern willst. Sonst bist du währenddessen ständig mit dem Smartphone und der App beschäftigt, statt dich auf deine Performance zu konzentrieren.
Bedienung
Ich steuere die Wiedergabe über den rechten und die Lautstärke über den linken Earbud. Die Sensoren sind jedoch derart sensibel, dass die Steuerung mühsam ist. Du bist zum Beispiel im Fitnessstudio und möchtest zum nächsten Song wechseln. In meinem Fall zweimal rechts tippen und was passiert? Der rechte Bud registriert dreimal tippen und springt wieder an den Anfang des aktuellen Songs. Das wiederholt sich einige Male, bis ich in der richtigen Geschwindigkeit tippe und beim gewünschten Song lande. Das nervt, wenn ich mit meiner Konzentration eigentlich beim nächsten Set Backsquats bin und nur rasch den Song wechseln will. Ich habe das auch nach sechs Wochen immer noch nicht im Griff. Oder du machst Bench Press, berührst beim Hochheben der Stange mit der rechten Schulter leicht den Touchsensor und schon stoppt die Musik. Auch das stört die Konzentration und bringt mich aus dem Rhythmus. Die Steuerung der WF-SP800N ist mir definitiv zu nervös.
Weitere Specs der WF-SP800N
Die voll aufgeladenen Kopfhörer haben laut Sony bis zu neun Stunden Saft, das Ladeetui macht weitere neun Stunden möglich. Bei deaktivierter Geräuschminimierung soll der Akku 13 Stunden halten und weitere 13 Stunden über das Ladeetui bringen – insgesamt bis zu 26 Stunden Wiedergabezeit. Wenn du es eilig hast, kannst du mit der Schnellladefunktion nach zehn Minuten weitere 60 Minuten Musik hören. Da ich noch nie länger als drei Stunden Sport am Stück getrieben habe, bin ich damit mehr als gut bedient. Und auch für einen 24-Stunden-Lauf sollten diese Kopfhörer also genug Power mitbringen.
Die Bluetooth-Verbindung ist drinnen wie draussen stabil und die geringe Audiolatenz erlaubt zudem störungsfreies Videostreaming.
Die Kopfhörer sind nach Schutzart IP55 wasser- und staubfest, sodass du sie auch waschen kannst. Ich hab's ausprobiert und die Buds unter fliessendem Wasser leicht gespült. Das hat ihnen wie versprochen nichts ausgemacht.
Noise Cancelling und adaptive Steuerung
Im Zug oder dem Grossraumbüro nutze ich die Noise-Cancelling-Kopfhörer WH-1000XM3 von Sony. Mit dem Sound der Over-Ears können die WF-SP800N natürlich nicht ganz mithalten. Dennoch passt ihre Tonqualität für mich. Musik ist Geschmackssache, genauso wie der Sound. Mehr Bass, weniger Bass – jeder mag was anderes. Da kommt der Equalizer der App zum Einsatz. Du kannst aus diversen vorprogrammierten Einstellungen auswählen oder dein Soundprofil benutzerdefiniert erstellen. Mehr Bass beim Workout, weniger auf dem Trail.
Ist die adaptive Geräuschsteuerung aktiviert, kann die App erkennen, ob du an einem Ort verweilst, gehst, läufst oder in einem Fahrzeug unterwegs bist. Ausserdem lassen sich Orte, die du regelmässig besuchst, speichern und mit einem Soundprofil versehen. Also zum Beispiel Noise Cancelling im Zug und dem Gym, aktive Umgebungsgeräusche beim Joggen. Schwierig wird es, wenn du hin und her wechselt. Mal sitzen, mal gehen, dann wieder sitzen. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Benachrichtigungston in der App auszuschalten, sonst hast du ein dauerndes Bimmeln im Ohr.
Tragekomfort
Ich lese immer wieder von Menschen, die Probleme mit In-Ear-Kopfhörern haben. Die Buds fallen ihnen aus den Ohren oder sind sehr unbequem zu tragen. Ich bin diesbezüglich wohl mit In-Ear-Standard-Ohren ausgerüstet. Nach zwei Stunden sitzen sie noch immer bequem am selben Ort und auch die Buds stören mich nicht 😉. Ein weiterer Punkt: Viele Personen scheinen mit In-Ears beim Sport die eigenen Schritte zu hören. Auch dieses Problem kenne ich mit diesen Sonys nicht. Im Lieferumfang sind Silikon-Ohrstöpsel in vier Grössen enthalten. Hier sollte für jedes Ohr die passende Grösse dabei sei, um die Klangqualität zu maximieren und Umgebungsgeräusche zu minimieren. Ohrbügel gibt es in zwei Grössen.
Fazit: lieber einen Traktor statt einen Porsche
Die WF-SP800N sitzen angenehm in meinen Ohren, der Sound passt für mich. Ebenso das Design, die Batterielaufzeit und die Tatsache, dass ich die Dinger bedenkenlos vollschwitzen kann. Oder sie auch mal in eine Pfütze fallen dürfen. Und es ist ja toll, dass ich in der App für jeden Ort ein bestimmtes Soundsetting vordefinieren kann. Aber: Die Steuerung ist ein echtes Ärgernis. Würde ich damit zur Arbeit fahren oder die Buds im Büro benutzen, könnte ich vielleicht darüber hinwegsehen. Denn im Zug oder dem Grossraumbüro hantiere ich selten bis nie mit der Langhantel. Allerdings habe ich mit den WH-1000XM3 von Sony für den Arbeitsalltag bereits das Produkt meiner Wahl. Und beim Sport? Da brauche ich Kopfhörer, die robust sind, möglichst jede meiner Aktivitäten schadlos mitmachen und vor allem: einfach in der Bedienung sind. Beim Sport brauche ich einen Traktor in den Ohren, keinen Porsche.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.