«Star Trucker» angespielt: gefangen zwischen Brummifahrer-Romantik und Schuldenfalle
Hintergrund

«Star Trucker» angespielt: gefangen zwischen Brummifahrer-Romantik und Schuldenfalle

«Star Trucker» ist ein Lastwagen-Simulator im Weltraum, der sogar mich als Sim-Anfänger begeistert. Nur mit der finanziellen Stabilität kämpfe ich noch etwas.

Langsam schwebt eine Schachtel in mein Sichtfeld. Weg mit dir, du versperrst mir die Sicht! Das Gravitations-System, das das Interieur meines Trucks an Ort und Stelle hält, fällt natürlich genau dann aus, wenn ich mit 180 Sachen über die Weltraum-Autobahn rase. Das Cockpit meines Space Trucks füllt sich mit schwebenden Akkus, Benzinkanistern und sonstigem Reservematerial. Dabei habe ich gerade so schön aufgeräumt. Und was piepst jetzt schon wieder? Der Sauerstoff ist alle? Mist. Also Tempomat rein und ab in den Raumanzug. Zum rechts Ranfahren bleibt keine Zeit. Die Lieferung muss pünktlich ankommen.

Glücklicherweise bleibt der Gegenverkehr aus. Dafür wird es plötzlich gleissend hell: eine Sonneneruption. Schnell, Storen runter, sonst brate ich im Cockpit und sehen tue ich auch nichts mehr. Jetzt muss ich das letzte Stück über die Aussenkameras navigieren. Immerhin ist es nicht mehr weit zum Abladeplatz. Ich schaffe es gerade innerhalb der Lieferfrist, den Anhänger abzukoppeln. Das verdiente Geld reicht knapp zum Auftanken und die Truck-Reparatur. Das Leben als Weltraum-Lastwagenfahrer ist wahrlich kein Spaziergang. Trotzdem plane ich bereits meine nächste Route. Ich habe Kerosin geleckt.

Truck-Simulator mit Retro-Charme

Studio Monster and Monster bezeichnet «Star Trucker» als Lastwagen-Simulator mit einer grossen Portion Retro. Bei meinem Anspieltermin an der Gamescom vor einem Jahr versichert mir einer der Entwickler, dass sich das Spiel sowohl an Sim-Fans als auch Gelegenheits-Fahrer richtet. «Star Trucker» setzt auf eine Mischung aus Zugänglichkeit und «Realismus» – ich steuere immer noch einen Lastwagen im Weltraum. Im Kern geht es darum, Lieferungen möglichst unbeschadet und pünktlich von A nach B zu bringen. Im Gegensatz zu Brummifahrern auf der Erde muss ich im Weltall aber ganz andere Herausforderungen bewältigen.

Mit Anhänger rückwärtsfahren ist im echten Leben schon schwierig, hier gibt es noch mehr Richtungen zu beachten.
Mit Anhänger rückwärtsfahren ist im echten Leben schon schwierig, hier gibt es noch mehr Richtungen zu beachten.
Quelle: Philipp Rüegg

Das fängt bei der Steuerung an. Mein Lastwagen schwebt und hat Momentum. Die Fahrphysik ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Besonders beim Andocken an Raumstationen und Anhänger. Dann muss ich punktgenau und mithilfe der Heckkamera den runden Verbindungspunkt anvisieren, bevor ich den Hebel für die elektromagnetische Kupplung umlegen kann. Mit mehreren Anhängern wird das Gefährt noch träger. «Aber im Weltraum hast du ja unendlich Platz zum Manövrieren», denkst du jetzt vielleicht. Das Problem ist, dass abseits der markierten Strecken jede Menge Geröll herumschwirrt, das meinen Truck beschädigt. Gibt es Löcher, muss ich sie manuell flicken. Sonst verliere ich Sauerstoff. Dann heisst es, Raumanzug anziehen, aussteigen und Schweissgerät anwerfen.

Wenn dein Fahrstil meinem gleicht, wirst du dich oft in dieser Situation wiederfinden.
Wenn dein Fahrstil meinem gleicht, wirst du dich oft in dieser Situation wiederfinden.
Quelle: Philipp Rüegg

Solche Spaziergänge kosten Zeit und Energie, denn der Anzug will danach wieder aufgeladen werden. Von allem habe ich konstant zu wenig. Nach knapp zehn Stunden mit der PC-Version bin ich noch nicht sicher, ob es an der mangelnden Balance liegt oder ob ich einfach ein mieser Truck-Fahrer bin. Die Kredithaie ziehen immer engere Kreise um mich. Denn einen Weltraum-Lastwagen in Schuss zu halten, ist teuer. Akkus, Luftfilter, Kerosin, alles kostet ein Heidengeld. Und wenn ich Aufträge nicht zufriedenstellend abschliesse, bekomme ich nicht das volle Honorar. Ohne fahrtüchtigen Truck keine Aufträge und ohne Aufträge kein Geld. Also dauert es nicht lange, bis die Bank mir einen Kredit vorschiessen muss. Und damit fängt sich die Schuldenspirale an zu drehen.

Brummi-Romantik trotz konstantem Stress

Auch wenn meine Brummifahrer-Karriere noch nicht durchgestartet ist, hat mich das Spiel gepackt. Die Lieferfahrten sind zwar oft stressig, aber weil sie mich durch die stimmungsvoll in Szene gesetzten Systeme führen, wirkt alles irgendwie gemütlich. Da gibt es Raumstationen, die aussehen wie eine von Kindern gezeichnete Sonne, blau schimmernde Asteroidenfelder und über alles hinweg erstrecken sich die Lichter der intergalaktischen Autobahn.

Besonders farblich sind die Systeme toll in Szene gesetzt.
Besonders farblich sind die Systeme toll in Szene gesetzt.
Quelle: Philipp Rüegg

Dass aus dem Radio der perfekte Soundtrack aus Oldies, Blues und Country-Musik trällert, trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei. Regelmässig funken mich zudem andere Fahrer an, um mich mit neuen Aufträgen durch die Systeme zu geleiten, aber oft auch einfach zum Plaudern.

Das Herz des Spiels ist natürlich mein Truck. Dieser steuert sich richtig schön manuell. Mein Cockpit, das die Grösse einer geräumigen 1-Zimmer-Wohnung hat, besteht aus jeder Menge Hebeln und Schaltern. Unter der Tachoanzeige befinden sich Innenbeleuchtung- und Scheinwerfer-Schalter, die ich zum Stromsparen ausschalten kann. Links und rechts sind Monitore, bei denen ich über zwei Tasten zwischen mehreren Statusanzeigen oder Aussenkameras hin- und herwechseln kann. Es gibt einen Hebel für die Notbremse oder die Storen, um mich von den eingangs erwähnten Sonneneruptionen zu schützen und vieles mehr.

Bei Sonneneruptionen heisst es, schnell Storen runter. Navigieren kann ich dann aber nur noch mit Kameras.
Bei Sonneneruptionen heisst es, schnell Storen runter. Navigieren kann ich dann aber nur noch mit Kameras.
Quelle: Philipp Rüegg

Überall im Cockpit verteilt sind ausserdem die Zugänge zu den Sauerstoff-, Temperatur-, Lüftungs- und Gravitations-Systemen. Sie müssen regelmässig gewartet werden. Das bedeutet, Akkus, Filter oder durchgebrannte Elektronik ersetzen. Ständig nehme ich irgendwo Akkus raus, stopfe sie vorübergehend in ein anderes System. Als Erstes trifft es meist das Gravitations-System, weshalb ich ständig die Regale neu einräumen muss. Es ist mir schleierhaft, wieso ich kein Auffangnetz montieren kann.

Genauso unverständlich ist, warum es kein Akku-Ladegerät gibt. Nachhaltigkeit scheint kein Thema in diesem Retro-Weltraum. Sonst würde ich mir Sonnenkollektoren auf meinen Truck schnallen. Vielleicht gibt es das alles als Upgrade. In Garagen kann ich nämlich nicht nur schickere Stossstangen oder einen frischen Anstrich kaufen, sondern auch bessere Auspuffe, die weniger Schadstoffe verursachen. Das wiederum schont meine Luftfilter. Da nicht alle Händler und Shops das gleiche Angebot haben, weiss ich noch nicht, auf welche Art ich meinen Truck sonst noch pimpen kann.

Ich schwöre, sonst habe ich immer schön aufgeräumt.
Ich schwöre, sonst habe ich immer schön aufgeräumt.
Quelle: Philipp Rüegg

Für erledigte Aufträge erhalte ich neben Geld auch Erfahrungspunkte. Damit schalte ich neue, lukrativere Auftragsarten wie Giftmüll-Transporte frei oder verbessere die Energie-Effizienz meines Raumanzugs. Zusammen mit den Truck-Upgrades bin ich immer motiviert, den nächsten Auftrag anzunehmen und mich neuen Herausforderungen zu stellen.

Baustellen und wie du sie umfährst

Wo «Star Trucker» ab und zu nervt, ist bei der fehlenden Transparenz. Da liefere ich pünktlich und ohne Zusammenprall einen Dünger-Anhänger ab, nur um bei der Abrechnung einen fetten Abzug für beschädigte Ware und rücksichtsloses Fahren zu erhalten. Ok, letzteres könnte daran liegen, dass ich erst nach fünf Stunden bemerkt habe, dass es auf den Autobahnen Tempolimits gibt. Aber gelten die auch abseits der Strasse? Und wenn die Luftfilter einen Service verlangen, kann ich sie reinigen oder muss ich sie wirklich gegen teures Geld ersetzen? Eine Kiste mit Putzutensilien hätte ich, aber vielleicht ist die nur für den Handel gedacht. Woher soll ich das wissen? Zwar habe ich unter dem Tacho ein Handbuch, das viele praktische Infos zur Bedienung des Trucks und allgemein zum Spiel enthält. Aber es erklärt leider nicht alles.

Der Anzug dient nicht nur zu Raumspaziergängen, sondern auch, wenn die Luft im Cockpit mal wieder etwas dünn wird.
Der Anzug dient nicht nur zu Raumspaziergängen, sondern auch, wenn die Luft im Cockpit mal wieder etwas dünn wird.
Quelle: Philipp Rüegg

Auch gab es definitiv schon Zusammenpralle, bei denen nicht ich schuld war – bei den meisten liegt es definitiv an mir, respektiver meiner «Need for Speed»-Vergangenheit. Trotzdem kassiere immer ich die schmerzliche Busse. Und wenn ich mich mit anderen kreuze, gilt dann Rechtsvortritt? Auf der Strasse herrscht Rechtsverkehr, es würde also Sinn machen. Bisher hat aber niemand für mich gebremst.

Wiederum bin ich schon Bussen entkommen, in dem ich einen alten Speicherstand geladen habe. Der Aufruf zur Gewichtskontrolle des Lastwagens war dann plötzlich verschwunden und ich konnte unbehelligt weiterreisen.

Das bringt mich zu ein paar wichtigen Tipps, die das «Star Trucker»-Abenteuer einfacher machen:

  • Speichere oft: Du kannst jederzeit speichern und das rate ich dir dringendst. Zumindest anfangs hast du so wenig Geld, dass es sich lohnt, bei jedem Zusammenstoss oder jeder Busse neu zu laden.
  • Nutze Aufbewahrungsboxen: Material, das du im Cockpit mitführst, nimmt Schaden, wenn es herumfliegt. Was beim Ausfall des Gravitations-Systems oder beim Zusammenprallen garantiert passiert. Darum packe Dinge wie Akkus, Filter oder Elektronik in sichere Aufbewahrungsboxen.
  • System-Check vor der Abfahrt: Das sagt dir zwar auch das Spiel, aber auf das hört doch niemand. Doch nur so verhinderst du, dass du mit leeren Akkus für das Sauerstoff-System oder mit zu wenig Kerosin losfährst.
  • Folge der Strasse: Der direkte Weg ist zwar der schnellste, aber mit grosser Sicherheit reissen Geröll und Abfall Löcher in deine Hülle. Das kostet Geld und Zeit zum Reparieren. Du hast eigentlich immer genug Zeit, um der Strasse zu folgen.
  • Verschulden ist ok: Auch wenn ich über Kredithaie schimpfe, kaufe lieber einen neuen Luftfilter, selbst wenn du dir das Geld leihen musst. Wenn du dich während der Fahrt ständig um defekte Systeme kümmern musst, fängt schnell das Chaos an.
  • Lese das Handbuch: Auch das sagt dir das Spiel und es lohnt sich wirklich, wenigstens drin zu blättern und es danach bei Bedarf zu konsultieren.
Auf der Autobahn verträgt es keine Schlenker, sonst rammst du schnell andere Trucks. Und das wird teuer.
Auf der Autobahn verträgt es keine Schlenker, sonst rammst du schnell andere Trucks. Und das wird teuer.
Quelle: Monster and Monster

Fazit: unaufgeregt, aber konstant befriedigend

Schon nach der Anspielmöglichkeit an der letztjährigen Gamescom war ich optimistisch, dass «Star Trucker» durchstarten wird. Nun geht mein Daumen definitiv nach oben. Was ich bisher gesehen und erlebt habe, macht Lust auf mehr. Der Lastwagen-Simulator mit Retro-Zukunft-Vibes hat es mir schwer angetan. Ich liebe es, mit meinem trägen Truck durch das bunte Weltall zu tuckern, das Radio aufzudrehen und anderen Trucks zuzuhupen.

Dass ich nicht nur stur Kilometer abspule, sondern mich aktiv um mein Fahrzeug kümmern muss, sorgt dafür, dass mir nie langweilig wird. Ständig brennt es irgendwo. Sei es die überhitzte Elektronik oder die Sonne, die mir wortwörtlich den Schweiss auf die Stirn treibt, weil ich mich nur noch auf die Aussenkameras verlassen kann. Und wenn ich trotz besseren Wissens doch mal eine Abkürzung durch Geröllfelder nehme, versinke ich regelrecht in meinem Sofa, wenn ich mich unter Asteroiden durch ducken will. Einmal wäre ich fast im Weltall verschollen, weil ich für die Reparatur ausgestiegen bin, ohne vorher vollständig zu bremsen. In «Star Trucker» erlebe ich immer irgendetwas. Jedes Spielelement ist für sich genommen nicht sonderlich aufregend, aber zusammen ergeben sie einen stimmigen Roadtrip.

«Star Trucker» wurde mir von Raw Fury zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist verfügbar für PC, Xbox Series X/S und ist im Game Pass enthalten.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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