Ratgeber

Teardown: Ich bastle mir eine Infrarotkamera

Das Ziel meines Teardown-Projekts ist, aus einer Spiegelreflex-Kamera eine Infrarotkamera zu basteln. Dafür muss ich das Gerät auseinandernehmen, den Infrarotsperrfilter entfernen und es wieder zusammensetzen.

Infrarotfotos hast du wahrscheinlich auch schon gesehen. Pflanzenblätter strahlen besonders viel Infrarot ab und erscheinen deshalb auf Infrarotaufnahmen sehr hell.

shutterstock.com/Anda Mikelsone
shutterstock.com/Anda Mikelsone

Infrarot ist für das menschliche Auge nicht sichtbar, für Kamerasensoren schon. Trotzdem kannst du mit einer Digicam nicht einfach so Infrarotaufnahmen machen. Denn ein Sperrfilter schirmt das Infrarot vom Sensor ab. Dies verbessert die Bildqualität, weil nur das Licht zum Sensor dringt, das wir tatsächlich sehen. Bei einer normalen Kamera gelangt also praktisch kein Infrarot zum Sensor.

Mit anderen Worten: Für Infrarotbilder muss der Sperrfilter einer Kamera entfernt werden. Dazu muss sie zerlegt werden.

Vorbereitungen

Ich werde mich hüten, meine normale Cam für diesen Teardown zu verwenden. Denn ich mache das zum ersten Mal und meine handwerklichen Fähigkeiten sind nicht gerade legendär. Selbst wenn ich die Kamera nicht schrotten sollte: Ein Fotoapparat ohne IR-Sperrfilter taugt für den normalen Gebrauch nicht viel.

Daher habe ich mir auf ricardo.ch eine alte Nikon D90 für 150 Franken gekauft. Die hatte ich selbst lange und weiss, dass es eine gute Kamera ist – oder zumindest für die damalige Zeit war. Spiegelreflexkameras, die noch älter sind, wären ungeeignet, denn diese können das Sucherbild nicht auf dem LCD anzeigen. Und das ist für die Infrarotfotografie nötig. Dazu später mehr.

Natürlich habe ich mich auch ein wenig auf Youtube umgeschaut – es gibt ja genug Leute, die einen solchen Umbau schon vor mir gemacht und sich selbst dabei gefilmt haben. So habe ich eine ungefähre Ahnung, was mich erwartet. Aber die Details sind bei jeder Kamera anders. Und vor allem ist es ein grosser Unterschied, ob du etwas nur in einem Video gesehen oder selbst gemacht hast.

Der Eingriff, Teil 1: Das Miststück

Der Umbau wird in unserem Videostudio gefilmt. Ins Studio nehme ich unser iFixit-Werkzeugset mit und ein A3-Blatt, auf dem ich die Schrauben auslege und beschrifte. Ich muss schliesslich wissen, wo welche Schraube reingehört.

Beim Zerlegen der Kamera arbeite ich mich Schritt für Schritt von hinten zum Sensor vor:

  1. Bodenplatte abschrauben
  2. Rückwand entfernen
  3. Platine lösen und entfernen
  4. Zweite Platine lösen, wo der Sensor drauf montiert ist
  5. IR-Sperrfilter entfernen

Und dann baue ich alles in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammen.

Klingt im Prinzip einfach. Doch der Teufel steckt immer im Detail. Ausserdem stehe ich unter einem gewissen Druck. Ich werde im Videostudio gefilmt, es sind mehrere Leute in das Projekt involviert. Weil das Studio danach wieder gebraucht wird, muss ich alles in einem Tag schaffen.

Das erste Problem lässt denn auch nicht lange auf sich warten. Der LCD der Rückwand ist durch Elektronikstränge mit der Platine verbunden. Auf der anderen Seite der Platine befinden sich noch mehr Verbindungen. Ich komme nicht an den Sensor heran, ohne diese Kabel zu lösen. Und ich weiss nicht genau, wie ich sie löse, damit ich sie ganz sicher nicht kaputt mache.

Kaum ist das Ding offen, taucht schon das erste Problem auf.
Kaum ist das Ding offen, taucht schon das erste Problem auf.

Ich bin nun bereits etwas gestresst. Würde ich so etwas privat zuhause machen, würde ich erst mal alles beiseitelegen und ein bisschen im Internet recherchieren. Vielleicht ein paar Tage ruhen lassen. Oder wenigstens eine Pause machen und mich entspannen. Die rettende Idee würde schon irgendwann kommen.

Aber hier geht das eben nicht. Anstatt dass mich Stephanie endlos filmt, wie ich rumrätsle, hole ich mir Kevin Hofer, unseren MacGyver, wenn es um Elektronikgebastel geht. Es gibt drei Typen von Verbindungsstücken; bei zweien davon erklärt mir Kevin, wie ich sie löse. Beim dritten weiss er es selbst nicht, doch es stellt sich heraus, dass wir diesen Stecker drin lassen können.

Das andere Problem, das auftaucht, ist weniger einfach zu lösen. Einige Schrauben sitzen fest. Meistens bringe ich sie heraus, wenn ich den Schraubenzieher stark gegen die Schraube drücke, damit sie nicht abrutscht. Manchmal aber nützt auch das nichts, und dann besteht die Gefahr, dass ich die Schraube vermurkse.

Genau das passiert bei der letzten von drei Schrauben, mit denen die Sensorplatine befestigt ist. Beim Versuch, sie herauszudrehen, verarbeite ich den Kreuzschlitz zu Metallstaub.

Kevin freut sich, dass er dremeln darf.
Kevin freut sich, dass er dremeln darf.

Da das Miststück von Schraube fast draussen ist, will ich sie einfach herausreissen, doch Kevin glaubt, dass dann auch anderes Zeug mitgerissen würde. Er versucht, die Schraube von oben mit dem Dremel zu zerkleinern. Das funktioniert nicht, er rutscht ab.

Mittagspause.

Der Eingriff, Teil 2: Die Lösung

Die Zeit vergeht zu schnell. Wir sind noch nicht mal fertig mit dem Zerlegen, und das Zusammensetzen dauert bestimmt länger. Schaffe ich das noch? Andererseits bin ich froh, dass schon Mittag ist, denn ich bin ziemlich fertig. Mal was essen und entspannen tut gut.

Auf Rat von Kevin kaufe ich einen frischen Metallbohrer in der richtigen Grösse. Und tatsächlich: Damit klappt es. Der Schraube haut es den Kopf ab, jetzt kann ich die Platine herausnehmen. Darunter, endlich: der Sensor. Mitsamt Infrarotsperrfilter.

Am Sperrfilter hängen ebenfalls Elektronikverbindungen. Aber da wir den Sperrfilter eh nicht mehr brauchen, schneide ich die einfach durch.

Beim Zusammenbauen ist eigentlich nur die Platine eine Herausforderung – aber die gleich richtig. Immer wenn ich ein Verbindungsstück angeschlossen habe, komme ich an ein anderes nicht mehr heran, weil ich die Platine dann nicht mehr frei bewegen kann. Insgesamt löse ich sie zwei oder drei Mal, bis es endlich klappt. Zudem bin ich nie sicher, ob die Verbindungen nun weit genug eingesteckt sind. Was mich am meisten beunruhigt: Ein Steckplatz bleibt seltsamerweise leer. Ich gehe mit Video Producerin Stephanie die Aufnahmen durch, doch dieser Steckplatz ist nie im Fokus, nie scharf genug, um wirklich zu erkennen, wie es korrekt aussehen muss. Nach längerem Rätseln entscheide ich, dass der Steckplatz jetzt einfach frei bleibt. Und: Egal, ob es klappt oder nicht, die Platine nehme ich nicht noch einmal auseinander.

Funktioniert das Ding?

Sobald alles einigermassen zusammen hängt und ich den Akku reindrücken kann, schalte ich die Kamera ein. Sie läuft! Beide Bildschirme zeigen etwas an! Damit habe ich spätestens seit dem leer gebliebenen Steckplatz nicht mehr gerechnet. Was für ein tolles Gefühl!

Fertig zusammengeschraubt, holen wir ein Objektiv. Ich kann Fotos machen. Sie werden etwas unscharf. Soweit ich weiss, ist das normal, wenn man den IR-Sperrfilter entfernt. Wenn ich mit Live View (Sucheranzeige auf dem LCD) fokussiere, werden die Bilder scharf.

Ob es mit der Infrarotfotografie klappt, ist noch nicht sicher. Denn dazu brauche ich vor dem Objektiv einen Infrarotfilter. Der tut das Gegenteil vom Infrarotsperrfilter: Er lässt nur Infrarotlicht durch. Der Filter muss im Durchmesser zum Objektiv passen. Das heisst, ich muss wissen, welches Objektiv ich verwenden will.

Nicht alle Objektive sind für die Infrarotfotografie geeignet. Bei manchen tritt ein Hotspot auf, ein heller Bereich in der Mitte des Bildes. Diese Kompatibilitätsliste hat mir weitergeholfen.

Mein einziges Objektiv, das in Frage käme, hat ein kaputtes Filtergewinde. Daran kann ich nichts anschrauben. Da dieses Objektiv für Infrarot gut funktioniert und ich es auch sonst super finde, kaufe ich mir genau dasselbe nochmal. Auch relativ günstig auf Ricardo.ch.

Stunde der Wahrheit: Das erste Infrarotfoto

Ich fotografiere zum Testen eine Zimmerpflanze. Kein tolles Foto, aber es zeigt, dass die Kamera als Infrarotkamera zu gebrauchen ist: Die Blätter sind weiss.

Dasselbe Bild mit der unmodifizierten D7500 wird schwarz, weil die beiden Filter zusammen (Sperrfilter und Durchlassfilter) das ganze Lichtspektrum blockieren.

Wenn ich 30 Sekunden oder noch länger belichte, kommt dennoch etwas Infrarot hindurch. So sind auch mit einer unmodifizierten Kamera Infrarotaufnahmen möglich. Die langen Belichtungszeiten schliessen jedoch Aufnahmen ohne Stativ und Videos von vornherein aus.

So sieht das Bild mit der modifizierten Kamera ohne Infrarotfilter aus. Die Farben sind gar nicht so falsch, finde ich. Das Blau im Hintergrund entsteht auch mit einer unmodifzierten Kamera, es hat nichts mit dem IR-Sperrfilter zu tun.

Fazit: Just do it

Der Teardown ist ein voller Erfolg. Es war nicht gerade easy, aber nun habe ich genau, was ich wollte. Dabei bin ich ein Bastel-Noob. Wenn ich das kann, kannst du das auch! Der Aufwand lohnt sich: In einer Zeit, in der es viel zu viele ähnliche Bilder gibt, schaffst du etwas, was immer noch recht speziell und selten ist.

Natürlich gehört zu einer guten Infrarotbild mehr als nur die Kamera. Im Moment ist leider gerade die falsche Jahreszeit dafür. Aber ein Beitrag zur Infrarotfotografie folgt spätestens im Frühling.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 

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