Produkttest

Vector Luna – Die Smartwatch für Minimalisten

Die Vector Luna Smartwatch ist schlicht, leicht und schwarz. Die Hersteller gehen eigene Wege in Hardware- und Softwaredesign, was einen Test fast schon zwingend macht. Ich habe mir die Uhr umgeschnallt und getestet.

«Mach du mal. Ich hab Q4», sagt Produktmanager Domenico Melina im Vorbeigehen. Er sieht zwar aus, als ob er mehrere Tage lang nicht geschlafen hat, grinst aber nach wie vor sein «Jetzt wird’s spannend»-Grinsen, als er mir die schwarze Kiste in die Hand drückt. Darauf ist ein Kreissymbol und das Wort Vector. Sonst nichts. Bevor ich Domenico Melina aber fragen kann, was das jetzt soll und er solle mir gefälligst erklären, warum ich jetzt eine schwarze Kiste begutachten soll, ist der Produktmanager wieder aus der Redaktion verschwunden.

Denn weisst du, wir «haben Q4». Das bedeutet, dass das Produktmanagement am Anschlag läuft und sein Möglichstes versucht, damit die Lagerregale mit euren liebsten Produkten voll bleiben. Der Grund: Du willst deine Weihnachtsgeschenke auch zu Weihnachten haben, wofür wir hier die eine oder andere Überstunde schieben. Da ist jede Hilfe des Redaktors gern gesehen. Das und die Hilfe der Kaffeemaschine, die im Q4 ebenfalls Überstunden schiebt. Intern aber wissen wir: Wir sind auf Kurs.

Aber das erklärt immer noch nicht die schwarze Schachtel – oder ist sie doch eher Dunkelgrau? – in meiner Hand.

Was für eine schlichte Kiste. Was da wohl drin ist?

Eine Kiste kann man in der Regel öffnen. Daher setze ich mich mal daran. Ein Faden um einen Knopf gewickelt verschliesst das recht edle Kistlein, das in etwa so gross ist wie eine Spieluhr. Auf der Unterseite des Deckels steht «What truly matters» und in der Kiste liegt eine Smartwatch. Schlicht und schwarz. Ich schliesse daraus «Mach du mal» heisst ausgeschrieben «Würdest du bitte so freundlich sein und diese Uhr kritisch begutachten, sie im Alltag testen und dann ein Review schreiben?» Darum: Review Time!

Leicht, sportlich, unauffällig

So edel die Kiste, so unscheinbar der Inhalt. Wenig überraschend ist die Vector Luna im Look. Sie ist vor allem schwarz. Selbst im Betrieb ist ein Grossteil des Bildschirms schwarz. Android Wear? Fehlanzeige. Obwohl die Uhr über einen interaktiven Bildschirm verfügt, ist der Bildschirm kein Touchscreen.

Der Grund für all die Feature-Armut? Energiesparen. Denn unter der Haube ist die Vector Luna alles andere als unauffällig. Der Akku soll laut Hersteller bis zu 30 Tage halten. Bei anderen Smartwatches hält der Akku grade etwas unter 30 Stunden. Dafür hat der Hersteller aus England auf eine Unzahl an Features verzichtet.

Das ist es im Wesentlichen auch schon. Die Uhr ist unauffällig, was willst du noch hören? Alles ist schwarz, das Silikonband ist schwarz und Geschmackssache, das Zifferblatt ist hauptsächlich schwarz mit nur wenigen grafischen Elementen. Das Zifferblatt hat den 8bit-Charme, den wir von Uralt-Nintendo-Games her kennen. Leicht verpixelt, irgendwie retro, irgendwie charmant.

Hardwareseitig habe ich einen Bug gefunden, wenn ich das mal in Computersprache ausdrücken kann. Die Schnalle am Silikonarmband ist genau so unauffällig wie alles andere auch. Sie ist minimalistisch verarbeitet, wie alles andere auch. Doch das Schliessstück ist so präzise minimalistisch verarbeitet, dass ich es mit nur wenig Kraft auf die andere Seite der Rollschnalle durchdrücken kann. Das Teil zurückdrücken geht genauso einfach, also keine grosse Sache.

Die einzige Hardware-Schwachstelle, die Rollschnalle

Die perfekte Smartwatch für Entspannte

Smartwatches haben noch nicht die Nische gefunden, die sie innehaben wollen oder sollen. Mit den Frameworks der grossen Hersteller Apple und Google ist ein Ökosystem geschaffen worden, das so offen wie nur möglich ist. Smartwatches können alles, von Telefonieren bis hin zu Pulsmessen. Aber irgendwie hat uns das alles noch nicht so aus den Socken gehauen? Der Weg, den die Hersteller gehen, sieht im Moment vor, dass mehr Features verbaut werden.

Von wegen Klumpen am Handgelenk...

Vector geht da den Weg, dass sie weniger Features verbauen. Im täglichen Gebrauch ertappe ich mich selten dabei, wie ich minutenlang an der Uhr rumdrücke und mich durch irgendwelche Bildschirme durchwische, mich frage, was denn nun wo ist und überhaupt, wo ist die Menschheit gescheitert, dass ich da ewig mit meiner Uhr reden soll?

Die Vector Luna macht es mir einfach. Da sind drei Knöpfe an der Uhr, die die gesamte Steuerung übernehmen.

  1. Der Knopf in der Mitte ist OK, Ja oder Öffnen
  2. Der Knopf oben scrollt nach oben
  3. Der Knopf unten scrollt nach unten

Fertig. Ist doch super einfach.

Jede Nachricht, die ich auf meinem Handy empfange wird an die Uhr weitergeleitet. Also muss ich die öffnen und kann dann ans Ende scrollen während ich lese. Für längere Messages ist das kompletter Schwachsinn, aber für Kurznachrichten ist das perfekt. Softwareseitig kann ich einstellen, welche Messages ich erhalten will und welche nicht. Wenn ich mehrere Notifications auf der Uhr habe, so muss ich mich durch alle Notifications durchklicken um wieder zum Zifferblatt zu gelangen.

Antworten kann ich nicht, aber sind wir doch mal ehrlich, die Antwortfunktion auf Android Wear Uhren ist nicht nur limitiert, sondern auch super umständlich zu bedienen. Warum also ewig an der Uhr rumdoktern wenn es mit dem Griff in die Hosentasche genauso ein geht?

Jede Nachricht? Jede Nachricht!

Die Vector Luna ist nicht ganz ohne ihre Nachteile. Standardmässig sind die Notifications auf der Uhr so gesetzt, dass sie das Verhalten des Telefons imitieren. Dazu liest die Uhr Veränderungen in der Notification Area – also alles, was du siehst, wenn du «die Schublade» oben runterziehst – und vibriert, sobald sich da irgendwas tut. An sich recht clever. Doch das führt dazu, dass die Uhr etwas übereifrig ist.

Nach jedem Lied, das ich auf dem Handy abspiele, informiert mich die Uhr darüber, dass jetzt ein neues Lied spielt. Danke, Vector Luna, hätte ich jetzt nicht gehört. Echt super. Merci, gell. Auch wenn ich jemanden anrufe meint die Luna, dass ich eine Vibration am Handgelenk brauche. Warum? Weil mir sonst nicht auffallen würde, dass ich grade ein Telefon am Ohr habe?

Notifications einstellen? Kein Problem, dauert aber einen Moment

Okay, kann ich alles ausschalten, aber bis ich all die Apps gefunden habe, die meine Notification Area beeinflussen, die eigentlich komplett nutzlos auf der Uhr sind, vergeht etwa ein Tag. Wie bei jedem Gerät muss ich halt Einstellungen in der App vornehmen.

Der Alltag mit der Uhr

Was ich am meisten an der Vector Luna schätze ist die Tatsache, dass ich sie bisher nie bewusst aufgeladen habe. Einmal habe ich die Uhr in den Wochen, seit ich den Test begonnen habe, ans Kabel gehängt, weil die Uhrsoftware ein Update erhalten hat. Dann habe ich die Uhr einige Stunden am Kabel gelassen und seither funktioniert das.

Der softwareseitige Blick auf alle Funktionen nebst der Zeit

Die Luna ist auch in der Benutzung nicht auffällig. Ich weiss nicht, was ich gross schreiben soll. Die Uhr stört mich nicht, zählt Schritte und vibriert dann und wann wieder. Die Smartwatch balanciert neue smarte Features sehr gut mit der Unauffälligkeit und dem Komfort einer klassischen Uhr. Sie ist ein Understatement, bewusst reduziert, und punktet durch das sauber durchdachte und ausgeführte Konzept, selbst wenn die Features nicht ganz mit den smartesten der Smartwatches mithalten kann.

10 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.

11 Kommentare

Avatar
later