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Vier schlechte Singles-Filme – und vier gute

Luca Fontana
11.11.2021

Filme schauen. Die perfekte Beschäftigung für den Singles’ Day. Warum auch nicht? Damit du nicht nachdenken musst, was du dir anschauen könntest: Hier sind ein paar ausgewählte Tipps für dich.

Heute ist Singles’ Day. Ein Tag, der 1993 an der Universität in Nanjing, China, für Singles erfunden wurde. Die Idee: Feiern. Studenten, nicht wahr!? Aber alsbald verliessen sie die Uni, wurden erwachsen und gründeten Familien. Jene, die alleine blieben, führten die Tradition einfach fort. Und heute feiert die ganze Welt mit.

Für mich Grund genug, eine Liste mit richtig miesen Singles’-Day-Filmen zu machen – und eine Liste mit Singles’-Day-Filmen, die tatsächlich richtig, richtig gut sind.

Schlechte Filme, aber auf die gute Art!

Miese Filme, die trotzdem irgendwie lässig sind? Nennen wir sie «guilty pleasure». Das geht in etwa so: Romantische Komödie, Klischees ohne Ende, die Protagonistin oder der Protagonist ist ein Single, die wahre Liebe gibt’s nicht, dann gibt’s sie doch, Techtelmechtel, Kitsch, Streit, Versöhnung, Happy End.

Und das ist gut so.

«Legally Blonde» (2001)

Elle Woods (Reese Witherspoon) ist einfach super: Sie ist die Präsidentin ihrer Studentenverbindung, sieht unfassbar gut aus, ist «Miss June» im Campus-Kalender und hat die tollsten, schönsten und natürlichsten blonden Haare überhaupt. Dazu datet sie den hübschesten Jungen des Campus’: Warner Huntington III. Alles ist perfekt. Bis sich Warner von Elle trennen will, weil sie für ihn und seine blaublütige Familie zu blond ist.

Gekränkt setzt sich Ellen in den Kopf, Warner zu zeigen, dass sie mehr als ein blondes Dummerchen ist. Als ob’s das Einfachste der Welt wäre (laut Film ist es das), beginnt sie ein Jurastudium in Harvard, wo auch Warner studiert. Elle beginnt den Kampf um ihren Freund, ihre Würde, und überhaupt, um die Würde aller Blondinen dieser Welt.

Jep, das ist der Film. Das. Ist. Der. Film. Überraschender als die erstaunlich hohle Inhaltsangabe ist nur, dass der Film tatsächlich cleverer ist, als es den Anschein macht – genau wie seine Hauptdarstellerin. Okay, der war mies. Dennoch: Reese Witherspoon ist erstaunlich witzig und charmant. Ganz alleine hält sie einen äusserst behämmerten Film zusammen, der ohne sie wie ein staubtrockenes Guetzli zerbröseln würde.

«Forgetting Sarah Marshall» (2008)

Der erfolglose Musiker Peter Bretter (Jason Segel) ist nicht nur in seine berühmte Freundin Sarah Marshall (Kristen Bell) verliebt, er vergöttert sie regelrecht. Aber nach sechs Jahren Beziehung in ihrem Schatten ist’s Sarah genug: Sie verlässt ihn und läuft stattdessen in die Arme eines sexbesessenen Skandalrockers. Um sich von der Trennung zu erholen, reist Peter ins Inselparadies Hawaii – und trifft unverhofft wieder auf Sarah, die dort gerade ihren Liebesurlaub mit dem verruchten Rocker verbringt.

Der Film? Er ist perfekt für alle, die sich gerade getrennt haben oder verlassen worden sind. Jason Segel ist super darin, sich ins schwarze Loch des Selbstmitleids zu graben und im Liebesschmerz zu suhlen. Empathie ist garantiert. Aber nach und nach findet Peter wieder zu sich selbst. Zieht sich aus dem Loch heraus. Und zeigt, dass das Leben auch nach einer harten Trennung wieder weitergeht.

«The 40 Year Old Virgin» (2005)

Andy Stitzer (Steve Carell) führt ein eigentlich schönes Leben mitsamt befriedigend-langweiligem Job in einem Elektrogeschäft. Doch da ist eine Sache, die ihm noch fehlt. Andy ist 40 – und er hatte noch nie Sex. Er hat sich längst damit arrangiert, aber seine Kollegen wollen das nicht auf sich beruhen lassen. Voller Tatendrang organisieren sie eine Wagenladung von misslungenen Verabredungen – bis Andy endlich auf die alleinerziehende Mutter Trish (Catherine Keener) trifft. Plötzlich könnte «es» tatsächlich endlich passieren…

Ich mag den Film, auch wenn die Gags oft gefährlich nahe am Rande des schlechten Geschmacks sind. Aber: Sie zünden. Das kann ich nicht abstreiten. Und Steve Carell, bereits in «Anchorman» aufgefallen, ist unglaublich witzig in seiner ersten Hauptrolle, die ihn anno 2005 berühmt gemacht hat.

«The Holiday» (2006)

Amanda (Cameron Diaz), enttäuscht von der Liebe, will nichts wie weg aus Los Angeles. Genauso geht es Iris (Kate Winslet) in England. Über das Internet vereinbaren die beiden Frauen einen Häusertausch. Amanda reist ins vermutlich wunderschönste, kitschig-verschneite Landhaus Englands, während Iris in die vielleicht prächtigste Poolvilla des sonnigen Hollywoods zieht. Obwohl beide den Männern abgeschworen haben, verliebt sich Amanda schon bald in Iris’ attraktiven Bruder Graham (Jude Law), während Iris dasselbe mit Amandas unverschämt sympathischen Arbeitskollegen Miles (Jack Black) passiert.

Nein, diese Liste konnte ich nicht ohne waschechte Nancy-Meyers-Liebeskomödie machen. Irgendwo zwischen Kitsch und absolut vorhersehbarem Plot steckt da immer ganz viel Herz und zuckersüsser Humor drin. Dazu noch ein Hans-Zimmer-Score, der zu jeder guten Weihnachtsplayliste mit Filmmusik gehört. Darum: Zurücklehnen, warme Schoggi bereitstellen, Heizdecke einschalten – und geniessen.

Gute Filme mit Niveau (oder so)

Weg von den «Romcoms», den romantischen Komödien. Schauen wir uns ein paar Filme an, bei denen es zwar auch um mehr oder weniger einsame Menschen geht, die aber ganz ohne Beziehungswirrwarr zu sich oder einer höheren Wahrheit finden.

Gute Filme halt.

«The Secret Life of Walter Mitty» (2013)

Walter Mitty (Ben Stiller), Einzelgänger, arbeitet seit Jahren im Fotoarchiv der Zeitschrift «Life!». Um seinem grauen Alltag zu entfliehen, gibt er sich den abenteuerlichsten, heldenhaftesten und romantischsten Tagträumereien hin – mit ihm als Protagonisten. Sein einziger Lichtblick ist Kollegin Cheryl (Kristen Wiig), die Walter mutlos aus der Ferne bewundert.

Dann die Hiobsbotschaft: «Life!» wird eingestellt. Eine allerletzte Ausgabe soll das Magazin würdig verabschieden. Natürlich mit einem Titelbild des berühmten «Life!»-Fotografen und Abenteurers Sean O’Connell (Sean Penn). Doch das Bild, das an Walter geschickt wurde, ist verschwunden. Einzig O’Connells Negativ könnte die letzte Ausgabe noch retten. Walter nimmt all sein Mut zusammen und begibt sich auf die Suche – und reist dafür bis ans Ende der Welt. Unterwegs erlebt er Abenteuer, die alles übertreffen, was er sich selbst je ausgemalt hatte.

Wenn du dir nur einen einzigen Film in dieser Liste aussuchen dürftest, und du mich fragen würdest, welchen du wählen solltest – das wäre er. «Mitty» kam zu einer Zeit heraus, in der ich selber eine kleine Sinnkrise durchlebte. Ich erkannte so viel von ihm in mir wieder. Und der Film war genau die Therapie, die ich brauchte: Ich hätte mir nichts Lebensbejahenderes, Bestärkerendes und Inspirierenderes wünschen können. Dazu die wunderschönen Bilder von Kameramann Stuart Dryburgh. Noch heute treibt mir allein der Trailer Tränen in die Augen.

«Little Women» (2019)

Amerika, Mitte des 19. Jahrhunderts: Vier junge Frauen wollen ihr Leben selbstbestimmt und nach eigenen Vorstellungen gestalten. Das zu einer Zeit, in der die Möglichkeiten für Frauen begrenzt sind. Denn mehr als Heiraten und Kinder in die Welt zu setzen, ist eigentlich gar nicht vorgesehen. Und trotzdem – allen gesellschaftlichen Hindernissen zum Trotz – gehen die March-Schwestern Jo (Saoirse Ronan), Meg (Emma Watson), Amy (Florence Pugh) und Beth (Eliza Scanlen) mutig ihren Lebensweg.

Erzählt aus der Perspektive von Jo March – dem Alter Ego von Autorin Louisa May Alcott, auf deren Roman der Film basiert –, erzählt «Little Women» die Geschichte von vier Schwestern, die vier unterschiedliche Lebensentscheidungen treffen. Keine ist explizit richtig oder falsch. Aber alle gehen sie zu Herzen. Genau diese unmoralische Auseinandersetzung macht den Film aus, der 2020 mit dem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet worden ist. Eine riesengrosse Empfehlung für einen Film, der im Trubel der Corona-Pandemie zu Unrecht untergegangen ist.

«Wild» (2014)

Die junge Cheryl Strayed (Reese Witherspoon) musste bereits viele Schicksalsschläge hinnehmen. Da ist der Verlust ihrer geliebten Mutter Bobbi (Laura Dern). Oder das Ende ihrer Ehe, zerbrochen an Cheryls Heroinsucht, die sie in ein tiefes Loch hat fallen lassen. All das versucht sie zu verarbeiten, indem sie ihrem alten Leben den Rücken kehrt und sich – ohne geringste Vorkenntnisse und mit einem viel zu schwerem Rucksack – auf eine 2000-Kilometer-Wanderung entlang der Westküste der USA begibt.

Auf ihrem Weg bekommt es Cheryl mit der Erbarmungslosigkeit der Natur zu tun. Angst, Durst, Hunger, Hitze und Kälte begleiten sie auf jedem Schritt. Aber einmal dem Ruf der Wildnis gefolgt, übersteht sie bald auch Begegnungen mit gefährlichen Raubtieren. Cheryl wächst, und langsam aber sicher relativieren sich all die bisherigen Erfahrungen, Erfolge und Rückschläge.

Wieder ein Film mit Reese Witherspoon. Dieses Mal aber in einer Romanverfilmung des autobiografischen Buchs von Cheryl Strayed. Die Parallelen zum viel bekannteren «Into the Wild» sind zweifelsohne da. Was «Wild» aber meiner Meinung nach so wichtig macht, ist seine Protagonistin. Schliesslich gibt’s kaum Filme über Aussteigerinnen. Ständig wird gesagt: Frauen sollten sowas nicht tun. Nicht alleine. Es gehört sich nicht. Ist zu gefährlich. Weibliche Aussteiger-Vorbilder gibt’s darum kaum. Umso wichtiger, dass es dafür Filme wie «Wild» gibt.

«Tracks» (2013)

Es sind die 1970er. Die junge Robyn Davidson (Mia Wasikowska) bricht – entgegen aller Widerstände von Freunden und Familie und nur begleitet von ihrem Hund und von vier Kamelen – zu einem Fussmarsch quer durch den australischen Kontinent auf. Insgesamt 2700 Kilometer wird sie hinter sich bringen und dafür acht Monate unterwegs sein. Vor Beginn ihrer Reise lernt sie den Fotografen Rick Smolan (Adam Driver) kennen, der sich kurzerhand entschliesst, ihre Reise für National Geographic in atemberaubenden Fotos für die Ewigkeit festzuhalten. So beginnt eine lange und beharrliche Reise voller Hindernisse durch die ebenso majestätische wie feindliche Natur.

Den Film zu beschreiben, ist schwierig. «Tracks» ist wunderschön. Aber schmerzhaft. Er ist unvergesslich. Aber traumhaft. Schauspielerin Mia Wasikowska ist dabei eine Wucht, und die Bilder von Kamerafrau Mandy Walker schlichtweg unvergleichbar und eindringlich. Ein Film übers Alleinsein, der dich nicht mehr loslässt.


Und jetzt du: Welche Filme gehören hier unbedingt auf die Liste? Schreib’s in die Kommentare.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 

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