Warum du sofort aufhören solltest, soziale Medien zu nutzen
Noch-US-Präsident Trump ist der Herrscher bei Twitter. Ariana Grande ist die Queen bei Instagram und die 16-jährige Charli D’Amelio tanzte sich bei Tiktok zu 100 Millionen Followern. Diese drei sind Profiteure einer Technologie, die du aus guten Gründen vermeiden solltest.
Seit bald zehn Jahren sind soziale Medien in aller Munde. Nicht nur beim jüngeren Publikum, sondern über alle Altersgruppen hinweg bestimmen Facebook, Instagram, Twitter und Co. einen beachtlichen Teil der Internet-Nutzung. Sogar Radio SRF 2 Klassik erwähnt Inhalte aus den sozialen Netzwerken.
Man findet auch immer wieder kritische Hintergrundberichte über die Nutzung von sozialen Medien. Empfohlen wird Nutzung mit Mass und Mitte. Dabei wird jedoch verschwiegen, dass der einzig korrekte Umgang die Vermeidung ist. Zu diesem Schluss muss man fast zwangsläufig kommen, wenn man versteht, wie die Geschäftsmodelle und die Kundenbeziehungen aussehen.
Ich befasse mich aus beruflichen Gründen mit Technologie, Geschäftsmodellen und mit Marketing. Dabei bin ich immer wieder perplex, wie offen und blind der Umgang von Firmen und Personen mit sozialen Medien ist. Es wird den Menschen quasi eingeredet, dass dies eine normale und sinnvolle Sache sei. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Zur Einleitung die Definition gemäss Gablers Wirtschaftslexikon:
Soziale Medien (engl. Social Media) dienen der – häufig profilbasierten – Vernetzung von Benutzern und deren Kommunikation und Kooperation über das Internet. Das Attribut kann im Sinne der menschlichen Gemeinschaft oder eines selbstlosen und gerechten Umgangs verstanden werden. Für manche Betreiber ist das Soziale nur Mittel zum Zweck (der Datennutzung), und Cybermobbing und -stalking sind gerade in sozialen Netzwerken verbreitet (Antisocial Media). Unter Betonung des Technischen spricht man auch von Social Software. Das Web 2.0, das Mitmachweb, ist wesentlich durch soziale Medien geprägt.
So weit, so gut. Das wären also soziale Medien gemäss Definition: Netzwerke von und für Benutzer.
Das Geschäftsmodell von Facebook und Instagram
Schauen wir uns einmal die grossen sozialen Netzwerke an. Vielleicht passt hier weniger der Begriff «soziales Netzwerk», sondern eher das Konzept des Parasitismus.
Wie genau funktioniert das Geschäftsmodell sozialer Netzwerk wie Facebook und Instagram? Worin liegt die wirtschaftliche Genialität dieser Unternehmen?
Wer genau arbeitet für die Plattformen?
Die Inhalte werden von den Benutzern produziert. Diese veröffentlichen stetig neue Inhalte für die Plattform. Warum? Die Plattform nutzt einen psychologischen Trick, um die Benutzer nicht dafür bezahlen zu müssen, ständig neue Inhalte zu produzieren. Das tun sie freiwillig. Für ihre mehr oder weniger interessanten Inhalte erhalten sie vermeintliche soziale Anerkennung in Form von “Gefällt-mir”-Auszeichnungen und anderen Interaktionen. Diese soziale Anerkennung hat jedoch nur eine Haltbarkeit von wenigen Sekunden. Dann sind die Inhalte bereits wieder in den Tiefen der Datenmülltonne der Plattformen verschwunden und werden einzig noch zur Kategorisierung der Benutzer verwendet.
Spannend ist, dass sogar viele Firmen, darunter auch Medienhäuser, freiwillig auf Facebook, Instagram und Twitter referenzieren und die Plattformen damit kostenlos bewerben. Umgekehrt aber zeigen die Betreiber der Plattformen jeden Post, der nur schon einen Link auf eine andere Seite enthält, nur noch gegen Bezahlung an.
Wer ist der Kunde?
Die Kunden sind verschiedene Firmen oder Organisationen, gross und klein, die bezahlen, damit ihre Inhalte von möglichst leicht zu beeinflussenden Benutzern gesehen werden. Die Plattform selbst nutzt die freiwillig erstellten Inhalte und das Benutzerverhalten, um möglichst gut einschätzen zu können, welche Benutzer durch eine entsprechende Werbung am ehesten zu einem Klick zu verleiten sind. Und politische Gruppierungen können die Plattform natürlich auch nutzen; dort heisst das dann nicht Werbung, sondern Propaganda.
Was ist das Produkt?
Du, deine Aufmerksamkeit und implizit natürlich deine Kaufkraft werden vermarktet. Als Benutzer gibst du mehr oder weniger viel von dir preis auf den Plattformen, und mit diesen Informationen werden auf dich zugeschnittene Werbungen ausgespielt.
Ein Kunde kann diese Dienstleistung bei einem der genannten sozialen Netzwerke einkaufen:
- Die Stimulation von Benutzern, also das Wecken von Neugier und vom Verlangen sich zu exponieren
- Das Initiieren von Benutzerverhalten, sei es Kaufverhalten oder auch Meinungsentwicklung
Wer verdient damit?
Zuallererst die frühen Investoren von Facebook und Co. Denn die Kursgewinne übertreffen alle anderen Beträge bei Weitem. Zu den Profiteuren gehören dadurch natürlich auch die Gründer der Plattformen.
Danach kommen die Kunden - also die Firmen, die Werbung schalten, nicht die Benutzer. Denn generell wird Werbung geschaltet, weil sie etwas bewirkt. Es laufen mir zwar immer wieder Menschen über den Weg, die behaupten, dass sie sich nicht durch Werbung beeinflussen lassen. Ich habe mich schon selbst dabei ertappt, das von mir zu behaupten. Aber seien wir ehrlich, das ist Quatsch. Das einzige, was hilft, ist die entsprechenden Medien nicht zu konsumieren.
Und natürlich die Mitarbeiter und Zulieferer der Plattformen. Die damit auch ein mehr oder weniger gutes Einkommen erzielen.
Wie viel nimmt Facebook ein?
Facebook hat im Jahr 2019 einen Gewinn von 7.35 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Dies bei angeblich 2.5 Milliarden Benutzern.
Ein bisschen anschaulicher sind die Einnahmen pro Benutzer:
- USA $ 41
- Europa $ 13
- weltweit $ 8.50
Wer verliert in dem System?
Wir als individuelle Benutzer. Wir verlieren unsere Zeit, unsere Aufmerksamkeit und unsere Intelligenz. Weil wir unsere Zeit unnötigerweise auf den parasitären Plattformen verschwenden, statt sie für wichtigere Dinge zu verwenden. Vielleicht indem wir sie mit Freunden verbringen, neue Dinge lernen, oder einfach einer bezahlten Arbeit nachgehen. Weil wir unsere Aufmerksamkeit für so flüchtige Dinge investieren, dass sie eben nicht investiert wird, sondern im Nichts verschwindet. Man erinnert sich schon nach wenigen Minuten nicht mehr, was man angeschaut hat. Und falls jemand es trotzdem herausfinden möchte, wird es schwierig, denn schon haben neue Inhalte die alten verdrängt. Weil wir auf den Plattformen oft nur banalste Inhalte finden, wird deine Intelligenz mit Füssen getreten.
Und was ist mit YouTube?
Mit YouTube verdient der Produzent der Videos so wenig, dass er sich korrumpieren lassen muss. Daher gibt es ja zuhauf offen käufliche Influencer. Im Journalismus ist es unethisch, sich so direkt kaufen zu lassen, was nicht heisst, dass alle Journalisten Heilige sind, aber immerhin verletzt die Käuflichkeit das Berufsethos im Journalismus.
Oder aber die guten Inhalte werden durch die Gebührenzahler finanziert. Wie zum Beispiel die grandiosen Videos “Kurz gesagt” bzw. “In a nutshell”. Die werden vom deutschen Fernsehen produziert und damit durch den deutschen Gebührenzahler.
So werden die Steuern umverteilt vom Bürger zu Alphabet, dem Konzern hinter Google und YouTube.
Und YouTube wurde gross durch illegales Musikstreaming. YouTube war und ist die grösste Plattform für Musikstreaming. Nicht umsonst gibt es mit YouTube Premium einen Dienst, bei dem man die Videos ohne Video streamen kann.
Randnotiz zu Facebook und YouTube
Die Benutzer der Plattformen klauen sich gegenseitig gnadenlos Inhalte um sich auf den Plattformen zu profilieren. Dazu gibt es ein passendes Video des oben erwähnten Kanals In a nutshell. Das Urheberrecht wird mit Füssen getreten. Die Zahlen bezüglich abgespielter Videos sind ebenfalls sehr dubios.
Fazit
Nicht nur lieferst du den Plattformen die kompletten Inhalte, nein, du wirst für deine Arbeit auch noch mit Werbeanzeigen manipuliert. Du wirst sozusagen doppelt geschröpft.
Sei der Kunde! Entscheide selbst, was dir etwas wert ist und bezahle dafür. In dem Sinne sind Plattformen wie Netflix und Spotify zu begrüssen, die werbefrei sind und bei denen der Benutzer auch der Kunde ist. Und lies Bücher, echte Bücher aus Papier, da kommen keine Empfehlungen, Werbeunterbrechungen oder Nachrichten von Bekannten und Unbekannten um dich davon abzuhalten.
Wenn etwas gratis ist, verleitet es oft zu irrationalem Handeln. In dem Sinne kann man auch prinzipiell alles meiden, was sich als gratis in den Vordergrund zu drängen versucht. Gratis gibt es nichts. Die Frage ist nur, ob man merkt, wie genau man bezahlt.
Auf jeden Fall findet hier eine Umverteilung von vielen Parteien an wenige Grosskonzerne statt, die noch durch unkoordiniertes staatliches Handeln finanziell gefördert wird.
Und verantwortlich dafür sind wir alle. Als Konsumenten und als Bürger eines demokratischen Landes. Ein erster Schritt ist damit getan, dass wir privat keine der parasitären Dienste für soziale Medien nutzen. Und einen Werbeblocker installieren, es gibt mittlerweile auch für das Mobiltelefon gute Lösungen. Und falls man doch nicht davon lassen kann, dann kann jeder dazu beitragen die Qualität zu erhöhen, indem man sich der Verantwortung bewusst ist, die man hat, wenn man Inhalte verbreitet, sei es, indem man neue schreibt oder bestehende teilt.
Wie weiter?
Bräuchte es eine «Social Media»-Plattform, bei der die Benutzer die Kunden sind und für den Dienst bezahlen, eine im Sinne der Definition? Ein offenes System, idealerweise «Open Source», damit transparent ist, wie dieses funktioniert. Es gibt zwar ein paar soziale Netzwerke in der Richtung, aber eine echte Alternative scheint sich noch nicht abzuzeichnen.
Digitec Galaxus in den sozialen Medien
Natürlich sind auch digitec und Galaxus in den sozialen Netzwerken unterwegs. Wir informieren dich zum Beispiel über neue interessante Artikel unserer Redaktion. Oder du siehst Werbung, die auf unser vielfältiges Sortiment hinweist. Ist das ein Widerspruch zur Tirade gegen die sozialen Netzwerke? Ja, zum Teil ist das so. Ganz entziehen können wir uns dem Sog nicht, wir haben aber eine kritische Haltung und reflektieren unsere eigene Arbeit kontinuierlich. Vielleicht ist es eine Hassliebe. Dazu blicken wir mit Ironie auf die Werbeindustrie, was man unserer Werbung hoffentlich ansieht. Und wir sind stolz darauf, dass die allermeisten unserer Kundinnen und Kunden direkt zu uns kommen.
Cool: Schnittstellen zwischen der realen Welt und der Welt der reinen Informationen aufbauen. Uncool: Mit dem Auto ins Einkaufszentrum fahren, um einzukaufen. Mein Leben ist «online», und das Informationszeitalter ist meine Heimat.