Hintergrund

Warum eigentlich beleuchten wir den Weihnachtsbaum?

Egal ob echte Kerzen oder Lichterketten, Beleuchtung gehört zwingend an den geschmückten Weihnachtsbaum. Warum eigentlich?

Fragile Kugeln in Gold und Rot. Die leider nicht ganz so fragilen Strohbasteleien des Göttibuebs. Ein Stern als Centerpiece oben auf der Spitze. So in etwa sieht eine durchschnittliche Nordmanntanne an Heiligabend aus. Richtig festlich wird der Nadelbaum aber erst mit Lichtern.

Warum eigentlich?

Hoffnung und Gesundheit

Im Jahre 1611 kam Herzogin Dorothea Sibylle von Schlesien als Erste auf die Idee, ihren Weihnachtsbaum neben Äpfeln und Nüssen mit Wachskerzen zu schmücken. Das Licht hatte in der dunklen Adventszeit schon längst eine wichtige Rolle, sollte es doch Böses vertreiben und Hoffnung bringen. Auch die Tradition, sich immergrüne Pflanzen im Winter nach drinnen zu holen, ist viel älter. Schon die alten Ägypter, Hebräer und Chinesen glaubten, dass das Gesundheit ins Haus bringe. Und die Römer schmückten ihre Gebäude mit Lorbeerkränzen. Literarisch wird der heidnische Brauch zuerst 1492 von Sebastian Brandt erwähnt. In «Das Narrenschiff» hiess es:

Denn wer nicht etwas Neues bringt || Und um das Neujahr geht und singt || Und Tannengrün steckt an sein Haus, || Der meint, er leb' das Jahr nicht aus; || Das hielt Ägypten schon für wahr! || Desgleichen, wem zum neuen Jahr || Von anderen nichts wird geschenkt, || Der meint, daß schlecht das Jahr anfängt.
Das Narrenschiff

Weniger spöttisch äusserte sich Goethe in «Die Leiden des jungen Werther» aus dem Jahr 1774 über den Weihnachtsbaum, damals mit «Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln» geschmückt. Die Kombination der Herzogin hatte sich also längst durchgesetzt. Zumindest unter hohen Beamten und wohlhabenden Städtern, da Tannen ein rares und daher kostspieliges Gut waren.

Die Nachfrage nach Bäumen wurde grösser. Tannen- und Fichtenwälder wurden angelegt. Ab dem 19. Jahrhundert stand in allen bürgerlichen Stuben auf dem Land und in den Städten Mitteleuropas ein Baum mit Kerzen. In den USA lebte man damals noch hinter dem Mond. Erst der emigrierte deutsche Harvard-Professor Karl Follen brachte den Brauch in die neue Welt, indem er einen Weihnachtsbaum bei sich zu Hause aufstellte und beleuchtete.

Das Licht wird elektrisch

50 Jahre später kam es in den USA dann auch zur nächsten Entwicklungsstufe des beleuchteten Baums: elektrische Lichterketten. Ermöglicht hat das Edward Johnson, Vizepräsident der Edison Electric Light Company. Erst am 31. Dezember 1879 schaffte Thomas Edison mit einer öffentlichen Präsentation seiner Glühlampe mit Kohlefaden in New York ein Bewusstsein für ein aufkommendes elektrisches Zeitalter. Als sein Partner Johnson 1882 einen Techniker bat, ihm eine Lichterkette für seinen Weihnachtsbaum zu basteln, hatten die meisten Leute noch gar keinen Stromanschluss. Kein Wunder also, versuchten etliche Passanten und ein Journalist aus Detroit einen Blick in sein Wohnzimmer zu erhaschen. Die lokalen Medien ignorierten den Zauber weitgehend. Erst 1884 fand auch die New York Times bewundernde Worte für die elektrischen Lichter.

US-Präsident Grover Cleveland stellte 1895 den ersten elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum im Weissen Haus auf. Eine Entscheidung, die den Siegeszug der elektrischen Lichter begründete. Für die amerikanische High Society waren die Lichter von nun an Statussymbol, ein neuer Weg um zu protzen und seine Bekannten eifersüchtig zu machen. Damals musste extra ein «Wireman» beauftragt werden, um die Lichterketten am Baum anzubringen. Auch ein Generator war für die meisten Leute noch vonnöten. Die gesamten Kosten beliefen sich auf 300 Dollar, was heute umgerechnet 9926 Dollar entspräche.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten sich endlich auch weniger Gutbetuchte elektrische Lichterketten leisten. 1903 brachte General Electrics, wie die Firma von Edison und Johnson nach einer grossen Fusion hiess, das erste Lichterset auf den Markt, das bereits verkabelt war und nur noch in die Steckdose gesteckt werden musste. Es kostete 12 Dollar, was 379 heutigen Dollar entspricht. Noch immer kein Schnäppchen. Zehn Jahre später fiel der Preis auf 1.75 Dollar (49 Dollar heute), was die Lichter für die höhere Mittelklasse leistbar machte.

No risk, more fun?

Auch amerikanische Versicherungen spielten eine Rolle in der Marktdurchdringung der elektrischen Lichter. Denn umgekippte oder zu lange brennen gelassene Kerzen sorgten dafür, dass reihenweise Häuser abbrannten. Den Versicherungen wurden die Schadenszahlungen auf Dauer zu teuer. Daraufhin klammerten sie Kerzenunfälle an Weihnachtsbäumen aus ihrem Versicherungsschutz aus.

So kam es, dass die elektrischen Lichter die Kerzen in den USA in den 1930er-Jahren bereits fast vollständig verdrängt hatten. In Europa dauerte es bis nach dem Zweiten Weltkrieg, bis die Lichterketten überhaupt grösseren Anklang fanden. Immer mehr Stuben begannen, auf Wachskerzen zu verzichten. Heute stecken gerade mal 15 Prozent aller Haushalte Wachskerzen auf den Baum, sagt die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Der Rest setzt auf Lichterketten.

Kleine Lämpchen, wie wir sie heute kennen, gibt’s übrigens erst seit den 1970ern, was wieder eine kleine Revolution auslöste, da sie günstiger, stromsparender und einfacher zu verteilen waren. Dadurch konnten sich die Menschen endlich riesige beleuchtete Rentiere, Weihnachtsmänner und Sterne an die Fassaden klatschen und mit ihren Nachbarn in einen Rüstungsstreit einsteigen. Und sogar die Kunstwerke des Göttibuebs können so weggeblendet werden.

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