Hintergrund

Warum eigentlich klatschen wir?

Klatschen ist die Belohnung für Künstlerinnen und Künstler, die auf einer Bühne stehen. Weltweit. Er hat aber auch einen eigennützigen Grund.

Ich war auf einem Konzert. Einem guten Konzert. Deshalb hat das gesamte Publikum zwischendurch und vor allem am Ende laut in die Hände geklatscht: Applaus. Er gehört einfach dazu.

Warum eigentlich?

Beifall aus Gewohnheit

«Wir klatschen, weil wir es so gewohnt sind.» Das sagt die Musikwissenschaftlerin Jutta Toelle, die sich seit über zehn Jahren mit Applaus beschäftigt. Es ist eine Art, Dank auszudrücken, wenn das auf individueller Ebene nicht möglich ist. «Vielleicht ist das Klatschen teilweise instinktiv, weil sich ein cooles Geräusch machen lässt, das zudem auch rhythmisch ist. Grundsätzlich aber ist es sicher ‹anerzogen›.» Es gehöre zu den basalen Dingen wie der Frage, warum wir mit Messer und Gabel statt mit Stäbchen oder den Fingern essen.

Das Phänomen ist grundsätzlich mit der europäischen Kulturgeschichte verbunden. «Bei den alten Griechen gibt es einen Satyr – Krotos –, dessen Name Beifall «klatschen» beziehungsweise «Beifall stampfen» bedeutet. In der römischen Antike forderte der Hauptdarsteller des Theaters das Publikum mit den Worten ‹valete et plaudite› auf, zu klatschen», erklärt Expertin Toelle.

In der klassischen indischen oder chinesischen Musik gab es laut Toelle früher keinen Applaus. Durch die Globalisierung applaudiert aber unterdessen die ganze Welt – wenn auch mit Unterschieden. «Italienische Opernbesucher klatschen begeisterter und weniger ‹diszipliniert› als deutsche.» In den USA seien hingegen Standing Ovations weiter verbreitet als bei uns und in Osteuropa werde oft in einem schnelleren Rhythmus geklatscht. «Applaus unterliegt ganz vielen Normen und vermeintlichen Gesetzen, die aber alle immer wieder verhandelt werden müssen.»

Applaus dient auch dem Publikum selbst

Das Klatschen bringt aber nicht nur Dankbarkeit zum Ausdruck, sondern kann auch der Entladung von Anspannung dienen. «Nicht zu unterschätzen ist, dass sich die Menschen bei Klassikkonzerten – wo zwischen den Sätzen nicht geklatscht wird – nach langem schweigendem Sitzen förmlich danach sehnen, zu applaudieren, um ihren Bewegungsdrang zu stillen.»

An dem Konzert, auf dem ich war, gesellte sich zum Applaus auch Kreischen und Pfeifen. «Alles ist lauter geworden, da geht das Klatschen manchmal fast unter», sagt Toelle. Aber auch Smartphones hätten ihren Anteil daran, dass in manchen Bereichen nicht mehr so viel oder ausschliesslich geklatscht wird. Denn wer die ganze Zeit das Handy in der Hand halte, um zu filmen, könne gar nicht in die Hände klatschen.

Bei mir lag’s eher am Getränk.

Warum eigentlich bleibt der Zeiger der Bahnhofsuhr kurz stehen? Warum gibt’s im Kino Popcorn? Und warum darf Trinkglas nicht ins Altglas? Der Alltag hält viele Rätsel bereit, die ich in unregelmässigen Abständen zu lösen versuche. Hast auch du eine brennende Frage, aber keine Zeit zum Recherchieren, dann schick sie mir per Mail. Ich mache die Drecksarbeit gerne.

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