Canon EOS 1D X Mark III (EU)
21.40 Mpx, Vollformat
Mit technischen Spezifikationen wird gern geprotzt, aber sie können auch irreführend sein. Bei Kameras ist kaum ein Wert mit mehr kleingedruckten Fussnoten versehen als die Serienbild-Geschwindigkeit. Denn die tatsächliche Geschwindigkeit ist von sehr vielen Faktoren abhängig.
Die Canon EOS 1D X III ist eine Sport- und Actionkamera für Profis. Sie schafft 16 Bilder pro Sekunde – ein aussergewöhnlich guter Wert. Doch halt! Gibt es nicht recht günstige Geräte, die 20 Bilder pro Sekunde schaffen? Können nicht sogar Handys mal eben kurz 100 Serienbilder speichern, wenn du einen kurzen Moment den Auslöser gedrückt hältst?
Ist die Kamera eines Sportfotografen langsamer ist als sein Handy? Wäre das nicht total lächerlich?
Es ist ein bisschen wie an einer Matheprüfung. Einfach nur schnell sein, ist nicht besonders schwierig – und auch nicht besonders vorteilhaft. Schnell und gut sein, das ist das Ziel. Ob das Bild gut wird, hängt davon ab, unter welchen Bedingungen die Serienbildgeschwindigkeit erreicht werden kann. Und genau da liegen die Unterschiede.
Ein klassischer Fotoapparat hat einen mechanischen Verschluss. Der stammt aus der Zeit der Analogfotografie, wo das Filmnegativ immer vor Licht geschützt werden musste – ausser für den kurzen Moment der Aufnahme. Heute ist das im Prinzip nicht mehr nötig. Der Sensor, der anstelle des Films getreten ist, kann ständig belichtet werden. Die Belichtungszeit lässt sich elektronisch steuern. Das heisst, die Kamera erfasst die Daten des Sensors, die er in der vorgegebenen Belichtungszeit gemessen hat und setzt danach alle Werte des Sensors zurück. Dieser Vorgang nennt sich elektronischer Verschluss.
Beim mechanischen Verschluss müssen physische Teile bewegt werden. Du hörst daher ein leises Geräusch bei jeder Aufnahme. Bei einem elektronischen Verschluss bewegt sich nichts. Deshalb sind mit einem elektronischen Verschluss höhere Geschwindigkeiten möglich.
Ein Handy hat keinen mechanischen Verschluss. Auch bei simpleren Digicams fehlt er manchmal. Warum aber hat ausgerechnet eine Sportkamera immer noch einen mechanischen Verschluss, wenn dieser die Kamera ausbremst?
Ein Grund ist der Rolling-Shutter-Effekt. Objekte, die sich sehr schnell bewegen, werden verzerrt abgebildet. Besonders krass sieht das bei Propellern aus. Der Rolling-Shutter-Effekt kommt dadurch zustande, dass die verschiedenen Bereiche des Sensors nicht genau zur gleichen Zeit belichtet werden. Das ist zwar auch beim mechanischen Verschluss der Fall, jedoch viel weniger ausgeprägt.
Ein mechanischer Verschluss kann den ganzen Sensor innert 1/8000 Sekunde durchlaufen. Da nur innerhalb dieses Ablaufs überhaupt Licht auf den Sensor gelangt, ist sichergestellt, dass die einzelnen Pixel innerhalb dieser 1/8000 Sekunde belichtet werden. Beim elektronischen Verschluss ist das nicht der Fall. Die Pixel können zwar ebenso kurz belichtet werden, aber nur mit einer relativ langen zeitlichen Verzögerung. Der Sensor wird Zeile für Zeile ausgelesen und dann zurückgesetzt. Das dauert beim heutigen Stand der Technik zu lange, um einen Rolling-Shutter-Effekt zu verhindern.
Ein anderes Problem tritt bei gewissen künstlichen Lichtquellen auf, zum Beispiel bei Neonröhren. Diese flackern in der Frequenz des Wechselstromnetzes, also 50 Mal pro Sekunde. Mit blossem Auge nimmst du das kaum war, aber bei kurzen Verschlusszeiten führt dies dazu, dass nicht alle Teile des Bildes gleichmässig belichtet werden.
Viele Kameras haben zwar eine Anti-Flacker-Funktion, die das verhindert. Sie tut nichts anderes, als so lange zu belichten, bis der Effekt nicht mehr sichtbar ist. Bei schnellen Serienbildaufnahmen sind jedoch kurze Verschlusszeiten erwünscht. Schliesslich geht es darum, schnelle Bewegungen festzuhalten.
Bei aktuellen Top-Kameras kann der Autofokus mit einer hohen Serienbildgeschwindigkeit Schritt halten. Meist ist das aber nicht der Fall, und dann kann es zu massiven Einbussen kommen.
Die erste Frage ist: Wird die angegebene Geschwindigkeit mit nachgeführtem Autofokus erreicht oder wird nur zu Beginn der Serie einmal fokussiert? Im zweiten Fall kann es leicht passieren, dass der Grossteil der Bilder unscharf wird.
Gibt der Hersteller an, dass die Werte für nachgeführten Autofokus gelten, ist das schon mal gut. Aber selbst dann kann der Autofokus als Bremsklotz wirken. Denn er variiert stark in seiner Geschwindigkeit, je nach Motiv, Lichtsituation und Einstellungen. Das Objektiv spielt ebenfalls eine Rolle, da der Fokusmotor nicht bei allen Objektiven gleich schnell ist.
Viele Kameras lassen sich so einstellen, dass die Serienbilder durchrattern, auch wenn der Autofokus nicht rechtzeitig scharf stellen konnte. Bei meiner Nikon-Kamera ist das sogar ab Werk so eingestellt, es nennt sich «Auslösepriorität». Damit bremst dich der Autofokus zwar nicht aus, aber dafür hast du viele unscharfe Bilder. Sinnvoll ist das nur, wenn der Zeitabstand wichtiger ist als die Schärfe, etwa bei einem Stop-Motion-Video.
Die allermeisten Kameras können ihre maximale Serienbildgeschwindigkeit nicht lange aufrecht erhalten. Nach einigen Sekunden bricht sie ziemlich drastisch ein. Nämlich dann, wenn der Pufferspeicher voll ist.
Die Speicherung eines Fotos geschieht in zwei Schritten: Zuerst wird es im Pufferspeicher abgelegt und von dort auf die Speicherkarte geschrieben. Sobald das Bild auf der Karte ist, kann es aus dem Pufferspeicher gelöscht werden. Normalerweise ist die Schreibgeschwindigkeit der Speicherkarte deutlich langsamer als die des Pufferspeichers. Dadurch füllt sich der Pufferspeicher immer mehr. Nach etwa zehn bis hundert Bildern – je nach Kamera – ist er voll.
Der Pufferspeicher füllt sich weniger schnell, wenn du das JPEG-Format benutzt, da hier kleinere Datenmengen anfallen als bei RAW.
Das beste Gegenmittel sind aber schnelle Speicherkarten (und Kameras, die sie unterstützen). Die schnellsten SD-Karten haben eine Schreibgeschwindigkeit von 300 MB/s. CFExpress-Karten schaffen heute 1400 MB/s. Diese Werte werden zwar in der Praxis nicht erreicht, aber bei den moderaten Dateigrössen einer Canon EOS 1D X III reicht dieser Karten-Speed, um den Pufferspeicher niemals zu füllen.
Die verfügbare Strommenge kann einen Einfluss auf die Serienbildgeschwindigkeit haben. Manche Kameras sind ein bisschen schneller, wenn du sie mit einem Batteriegriff mit zusätzlichen Akkus verwendest. Umgekehrt kann die Kamera auch das Tempo drosseln, wenn der Akku halb leer ist.
Im Dauerfeuer muss der Kamera-Prozessor ähnlich viel arbeiten wie bei einer Video-Aufnahme. Ist die Kamera sowieso schon heiss, reduziert sie womöglich die Serienbildgeschwindigkeit, um die Elektronik zu schützen. Dies kann passieren, wenn du kurz zuvor ein längeres Video gefilmt hast.
Ein elektronischer Blitz arbeitet mit einer Spannung von mehreren Hundert Volt. Der Kondensator braucht einige Zeit, um sich zwischen zwei Blitzen aufzuladen. Blitz und schnelle Serienbilder, das geht nicht zusammen. Verwende stattdessen eine Dauerleuchte.
Das banalste zum Schluss: Bei langen Belichtungszeiten sind keine kurzen Intervalle möglich. Belichtest du mit 1/20 Sekunde, können nie mehr als 20 Bilder pro Sekunde gemacht werden. Eventuell auch deutlich weniger, je nachdem wie viel Zeit die Kamera zwischen zwei Fotos braucht.
Zahlreiche Dinge können die Serienbildgeschwindigkeit verlangsamen. Sie ist immer nur so schnell wie das langsamste Teilchen im Prozess. Doch es ist gar nicht so wichtig, ob eine Kamera mit 10 oder 20 fps aufnimmt. Viel wichtiger ist, dass die Bilder gut werden. Darum sind 10 Bilder pro Sekunde mit mechanischem Verschluss und nachgeführtem Autofokus mehr Wert als Rekordwerte, die auf die einfachste Art zustande kommen.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.