Wie gezieltes Beckenbodentraining gegen typische Männerleiden hilft
Lange als reines Frauenthema abgetan, gewinnt das Beckenbodentraining auch unter Männern mehr an Bedeutung – und das aus gutem Grund. Ob zur Vorbeugung von Inkontinenz, zur Steigerung der sexuellen Leistungsfähigkeit oder für ein grundsätzlich gestärktes Körperbewusstsein: Die gezielte Kräftigung des Beckenbodens bietet eine Vielzahl an gesundheitlichen Vorteilen.
Gewichte stemmen, Tore schießen, Halbmarathon laufen, Bahnen schwimmen und Rennradfahren: Es gibt so vieles, was Männer (und Frauen) tun, um sich fitzuhalten. Doch eine Muskelregion wird oft vergessen, wenn es um typische Männerleiden wie eine altersbedingt vergrößerte Prostata, Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Potenzprobleme geht: der Beckenboden. Laut einer Studie von 2017 klagen etwa fünf Prozent schon ab 40 Jahren und 20 Prozent ab 60 Jahren über erektile Dysfunktion. Fehlt es hier aber an Spannkraft, wünschst du dir sehr schnell, du hättest schon eher damit begonnen, deine täglichen «Kegels» zu machen. Und damit ist nicht Kegeln und Kaltgetränk mit den Jungs gemeint ...
Vielmehr hat, so verrät es der Blick ins Geschichtsbuch, der in den USA übliche Begriff «do the kegels» mit einem Gynäkologen zu tun: Arnold Kegel erfand die ersten gezielten Beckenbodenübungen bereits in den 1940er-Jahren – damals noch als Nachsorge für Frauen nach der Entbindung. Doch der Mediziner stellte auch fest: Seine speziellen Übungen eignen sich für beide Geschlechter – was laut dem Journal of Urology and Research aktueller denn je ist.
Konkret ging es Kegel um die Stärkung des sogenannten PC-Muskels (lat. Musculus pubococcygeus), also jenem wichtigen Muskel, der zwischen Scham- und Steißbein sitzt und die Schließ- und Stützfunktion übernimmt. Diese Muskelregion ist bei Mann und Frau übrigens gleich und ähnelt – vereinfacht gesagt – einer Hängematte, die die Organe stützt und so letztlich auch dem Rumpf Stabilität verleiht.
Doch nicht nur Unwissen und Nichtbeachtung, sondern auch die sich verändernde Arbeitswelt mit stundenlangem Sitzen vor dem Computer tragen dazu bei, dass die Gesäß- und Beckenbodenmuskeln deutlich unterfordert sind. Und was unterfordert ist, nimmt bekanntlich ab.
Folgt man den Worten von Chiropraktor Moritz Meyer aus Düsseldorf, so ist der Beckenboden «für die Funktion des gesamten Bewegungsapparates wichtig».
Beckenbodenmuskel: Wo ist der genau und wann ist er gefährdet?
Im Grunde handelt es sich beim Beckenbodenmuskel nicht um einen speziellen Muskel, sondern eine kräftige Muskelsehnenplatte, die ungefähr so groß ist wie zwei Handflächen. Diese schließt den Bauchraum nach unten ab, verbindet Schambein, Steißbein und Sitzbeinhöcker und übernimmt auch wichtige Öffnungs- und Schließfunktionen. Heißt: Dein Beckenboden übernimmt ganz wortwörtlich eine tragende Rolle für die gesamte Statik im Bauch- und Lendenwirbelsäulenbereich.
Starkes Niesen, wie etwa bei Heuschnupfen, Husten oder schweres Tragen verstärkt zum Beispiel den Druck im Bauchraum. Dann ist der Beckenboden gefragt, der die Rolle des bestenfalls starken Gegenspielers übernimmt. Er gebietet diesem Druck Einhalt und verhindert das Absacken der Organe.
Was bringen Beckenbodenübungen für Männer?
Grundsätzlich, sagt Experte Meyer, gehöre «zu einem guten, ganzheitlichen Beckenbodentraining auch das Training einiger anderer Muskelregionen, beispielsweise die unteren Bauch- und Rückenmuskeln». Deshalb sei es so wichtig, auch diese in das Training mit einzubeziehen. «Eine Muskulatur, die in Einklang miteinander ist, stabilisiert den Rücken, entlastet die Wirbelsäule und auch die Organe.»
Für Männer, die mit einer altersbedingt vergrößerten Prostata leben müssen, können Beckenbodenübungen ebenfalls helfen. Denn, wer Herr der Muskeln zwischen den Beinen ist, ist auch Herr jeder Lage: Ob unerwünschte Blähungen, nächtliches Bettverlassen-Müssen, oder abnehmende Potenz – wer die Muskeln trainiert, weiß sie besser einzusetzen und kann folglich seinen Körper besser steuern.
Welche Übungen für den männlichen Beckenboden sind sinnvoll?
Wer Yoga macht, hat das Thema Beckenboden generell bereits durch einige Übungen auf dem Radar und arbeitet nicht nur am Bizeps. Aber es gibt auch andere, einfache Übungen abseits von Geräten und Fitnessstudio, die du machen kannst, um diesen Teil des Körpers zu stärken. Einige davon lassen sich perfekt in den Alltag integrieren und wenn du regelmäßig daran denkst, werden sie bald Teil einer unbewusst ablaufenden Routine, so wie Zähneputzen und Händewaschen.
Um den PC-Muskel zu erspüren, kannst du zwei Finger zwischen Hoden und Anus legen, bevor du bei Aktivierung den Muskel spürst. Die nachfolgenden Übungen helfen dir den Beckenboden zu trainieren, wobei es im ersten Schritt weniger um Training als vielmehr um eine Bewusstmachung der Muskelregionen im Intimbereich geht.
- Setze dich auf einen harten Stuhl und versuche durch Kreisbewegungen deine Sitzbeinhöcker zu finden. Dann versuche, diese zusammenzuziehen bzw. nach innen zu drehen.
- Schon einmal den Hoden angehoben, von innen heraus? Durch zehn kurze Kontraktionen kannst du ihn aktivieren und auf einem Hocker versuchen, ihn von diesem zu lösen. Danach zehn langsame Kontraktionen folgen lassen. Insgesamt 3 Sätze, wobei du diese Übung wirklich überall im Alltag machen kannst – sieht ja keiner.
- Beim Wasserlassen den Strahl unterbrechen und für einige Sekunden halten, dann erst weitermachen. Das ganze möglichst oft wiederholen, bis die Blase ganz leer ist. Wenn du willst, kannst du im Anschluss auch noch eine Wiederholung anhängen, um den berühmten letzten Tropfen zu verhindern.
- Vermeide es, auf der Toilette beide Dinge gleichzeitig zu tun, also Urin und Stuhl gleichzeitig abzugeben. Konzentriere dich auf den jeweiligen Muskel und lasse eins nach dem anderen ab.
- Versuche das Steißbein (der unterste Teil der Wirbelsäule) dem Schambein (links und rechts vom Hoden zu erspüren) anzunähern. Bei richtiger Durchführung merkst du, wie sich von innen heraus die Hüften auseinander bewegen.
- Stelle dir vor, du hättest Blähungen und möchtest diese zurückhalten, indem du die dafür nötigen Muskeln anspannst. Auch hier kannst du mit Wiederholungen und Sätzen arbeiten.
- Einen (auch einen bloss vorgestellten) Tischtennisball mit den Pobacken vom Boden heben. Dazu in die Hocke gehen und versuchen, mit den Pobacken den Ball zu greifen und anzuheben.
Wichtig: Bei allen Übungen immer darauf achten, durchgängig ein- und auszuatmen. Auch geht es darum, die Muskeln eng zusammenzuziehen bzw. eher «anzuheben» als nach unten zu drücken. Und: zwischen den Phasen der Anspannung unbedingt darauf achten, die Muskeln zu lockern, bevor du sie erneut anspannst.
Notizbuch, Kamera, Laptop oder Smartphone. Leben heißt für mich festhalten – analog oder digital. Immer mit dabei: mein iPod Shuffle. Die Mischung macht’s eben. Das spiegelt sich auch in den Themen wider, über die ich schreibe.