Wie Pilze ihre Wirte manipulieren
Hintergrund

Wie Pilze ihre Wirte manipulieren

Anna Sandner
5.4.2023

Parasitäre Pilze befallen Insekten, infiltrieren ihr zentrales Nervensystem und steuern ihre Opfer schließlich fremd – alles im Dienste der Evolution.

Die Kreativität der Evolution nimmt bisweilen skurrile bis gruselige Züge an. Kein Wunder also, dass die Natur und ihre abgefahrensten Kreaturen immer wieder als Vorbild für die Plots von Games, Filmen und Serien herhalten müssen. Wie gerade einmal wieder in «The Last of Us». In der gefeierten Game-Adaption befällt ein Pilz die Menschen und lässt sie zu Zombies mutieren.

Fremdgesteuerte Zombie-Ameisen

So unrealistisch dieses Szenario auch klingen mag, die Pilzwelt bietet einiges an Vorlagen mit ähnlich hohem Gruselfaktor. Ein Beispiel dafür, von dem sich auch die Serienerfinder inspirieren ließen: Ophiocordyceps unilateralis, der es sogar als «Zombie-Pilz» schon zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Und das durchaus zurecht. Der parasitäre Pilz befällt Ameisen und manipuliert ihr Verhalten auf unheimliche Weise.

Aber von vorne: Läuft eine Ameise unglücklicherweise über eine Pilzspore von Ophiocordyceps unilateralis, ist ihr Schicksal damit im Grunde besiegelt. Einmal am Panzer der Ameise angelangt, lösen Enzyme diesen auf und der Pilz kann mit seinen Hyphen in den Ameisenkörper hineinwachsen bis ins zentrale Nervensystem. Dort angekommen übernimmt der Eindringling die Steuerung der Ameise: Die Insekten zeigen dann ein merkwürdiges Verhalten, torkeln, zittern, stolpern. Schließlich klettern sie eine Pflanze empor, beißen sich an einer Blattunterseite fest und sterben.

Wozu dieser ganze ausgeklügelte Zombie-Mutanten-Plan?

Die Evolution ist schuld, denn die Pilze nutzen die Ameise zur Fortpflanzung und schaffen sich ideale Voraussetzungen dafür. Hat sich die Ameise verbissen, infiltrieren die Pilzhyphen den ganzen Körper, bis schließlich ein Fruchtkörper herauswächst, der die neuen Sporen enthält und den ganzen Zyklus wieder von vorne in Gang setzt. In Thailand – hier wurde Ophiocordyceps unilateralis erforscht – ist der perfide Mechanismus sogar derart ausgereift, dass sich die Ameisen zur Mittagszeit in circa 25 Zentimeter Höhe verbeißen. So hat der Pilz perfekte Bedingungen: Es ist hoch genug, damit die Ameisen zur Monsunzeit nicht von den Wasserströmen weggespült werden und zugleich feucht und warm genug für die weitere Pilzentwicklung.

Entomophthora muscae manipuliert Stubenfliegen

Doch Ophiocordyceps unilateralis ist nicht der einzige Horrorpilz, den die Natur zu bieten hat. Entomophthora muscae kann in Sachen Gruselfaktor sicherlich mithalten. Der «Fliegentöter» hat es dabei, wie der Name schon sagt, auf Stubenfliegen abgesehen, deren Verhalten er ähnlich manipuliert wie der Zombiepilz das der Ameisen. Auch er befällt seine Opfer und bringt sie dazu, sich an einer geeigneten Stelle niederzulassen. Dann breiten die befallenen Fliegen ihre Flügel aus, und das Netz aus Pilzfäden wächst durch den Körper der Fliege, bis auch er schließlich erneut seine Sporen verbreitet.

Des einen Feind, des anderen Freund

Die Pilzwelt hat noch weitere derartige Beispiele zu bieten, wie etwa Pilze der Gattung Cordyceps, zu denen nach alter Klassifikation auch Ophiocordyceps unilateralis gezählt wurde. Die Schlauchpilze parasitieren ihre Opfer, steuern sie fremd und nutzen sie schließlich, um ihre Sporen in die Welt zu verbreiten. In diesem Fall sind die Larven oder Puppen verschiedener Insekten betroffen.

Pilze der Gattung Cordyceps werden bereits seit mehr als 1500 Jahren in der chinesischen Medizin genutzt.
Pilze der Gattung Cordyceps werden bereits seit mehr als 1500 Jahren in der chinesischen Medizin genutzt.
Quelle: Shutterstock

An diesem Beispiel jedoch wird auch klar, wie vielseitig die Welt der Pilze und vor allem ihre Wirkungen sind. Denn während die genannten Arten in der Insektenwelt für Angst und Schrecken sorgen könnten, macht der Mensch sich diese Wesen zunutze: Cordyceps enthält eine Vielzahl bioaktiver Substanzen, die bereits seit mehr als 1500 Jahren in der chinesischen Medizin verwendet werden. Auch hierzulande kannst du die getrockneten Pilzkörper mittlerweile unter anderem als Mittel zur Immunstärkung kaufen. In der chinesischen Medizin wird Cordyceps häufig verwendet, um die Energie des Körpers zu steigern, das Immunsystem und die Lungen zu stärken, die Nierenfunktion zu unterstützen, den Blutzucker zu regulieren und die sexuelle Funktion zu verbessern.

Doch aufgepasst: Auch wenn diese Pilze anders als in der Serie «The Last of Us» nicht unsere Selbstkontrolle übernehmen können, können sie allergische Reaktionen auslösen. Deshalb immer erst einen Arzt konsultieren, bevor du die Kraft der Pilze für dich nutzt!

Das Reich der Pilze hat noch viel Spannendes zu bieten: Willst du mehr zu Rekorden, Skurrilem oder heilsamer Wirkung von Pilzen lesen? Schreib es in die Kommentare.

Titelfoto:Shutterstock

12 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar