Xbox-Games auf der PS5 – wird Microsoft zum Third-Party-Publisher?
6.2.2024
In der Xbox-Gerüchteküche brodelt es. Mehrere Quellen berichten, dass Microsoft ehemals exklusive Games auf anderen Konsolen veröffentlichen wird. Das Unternehmen will nächste Woche Stellung zu den Gerüchten beziehen.
Hat Microsoft die Xbox aufgegeben? Diese Frage wird in diversen Online-Foren und auf X (ehemals Twitter) gerade rege diskutiert. Grund dafür sind diverse Berichte, die auf einen massiven Wechsel in Microsofts Publishing-Strategie hindeuten. Gerüchten zufolge wird der Konsolenhersteller diverse Xbox-Games auch für die Playstation 5 und die Nintendo Switch veröffentlichen.
Welche Games sollen für PS5 und Switch erscheinen?
Zu diesen Games gibt es bisher am meisten Quellen und Berichte, die einen Port für andere Konsolen nahelegen.
«Hi-Fi Rush»
Am 5. Januar deutet der bekannte Leaker Nate the Hate in seinem Podcast an, dass ein «beliebtes Xbox-Spiel» schon bald auf der PS5 und der Switch veröffentlicht wird. Einen Namen nennt Nate nicht. Kurz darauf finden Data Miner im neuen Update zu «Hi-Fi Rush» T-Shirt-Texturen in Playstation- und Switch-Farben.
Das Musik-Action-Spiel «Hi-Fi Rush» erschien im Januar 2023 für Xbox und PC. Der Titel wurde von Kritikern gefeiert, erreichte ausserhalb von Microsofts Game-Pass-Abo aber kein grosses Publikum. Die PS5- und Switch-Ports sollen Gerüchten zufolge noch im ersten Quartal 2024 erscheinen.
«Sea of Thieves»
Branchen-Insider Stephen Totilo und Jeff Grubb berichten am 8. Januar, dass das Online-Piraten-Abenteuer «Sea of Thieves» die Xbox-Plattform verlassen wird. Gemäss Grubb bestehen Pläne, dass der Multiplayer-Hit auf der PS5 und der Nintendo Switch veröffentlicht wird. Totilos Quellen berichten lediglich von einem PS5-Port.
«Sea of Thieves» erschien 2018 ursprünglich für die Xbox One und PC. Nach Startschwierigkeiten konnte das Game immer mehr Spielerinnen und Spieler begeistern, vor allem im Game-Pass-Abo. Gemäss Angaben des Entwicklerstudios haben über 30 Millionen Menschen das Game gespielt.
«Indiana Jones and the Great Circle»
Nicht nur bereits erschienene Games sollen auf andere Konsolen portiert werden. The Verge berichtet am 4. Februar, dass das gerade erst angekündigte «Indiana Jones»-Spiel von Machine Games und Bethesda den Sprung auf die PS5 schaffen wird. Die Xbox- und PC-Versionen sollen im Dezember 2024 erscheinen, der PS5-Port folge nur wenige Monate später.
Im Rechtsstreit zwischen US-amerikanischen Regulierungsbehörden und Microsoft wurde letztes Jahr bekannt, dass «Indiana Jones and the Great Circle» vor Microsofts Bethesda-Übernahme als Multiplattform-Spiel geplant war. Nun scheint sich der Kreis zu schliessen und Indy findet seinen Weg zurück auf mehrere Plattformen.
«Starfield»
Eine richtige Bombe lässt das Online-Magazin XboxEra am 5. Februar platzen. Mehrere Quellen bestätigen gegenüber der Publikation, dass Bethesdas Sci-Fi-Epos «Starfield» auf der PS5 landen wird. Der PS5-Launch soll noch dieses Jahr nach dem Release des bereits angekündigten DLCs «Shattered Space» erfolgen. Leaker Nate the Hate bestätigt dies mit einem Post auf X.
«Starfield» erschien im September 2023 für Xbox Series X/S und PC. Es wurde als grosses, Xbox-exklusives Spiel vermarktet. Mit über sechs Millionen Spielern zum Launch war es der bisher grösste Bethesda-Release aller Zeiten.
Weitere Spiele, die folgen könnten
Nach den konkreten Berichten zu den oben genannten Games fängt es in der Gerüchteküche so richtig an zu brodeln. Das an den Game Awards angekündigte «Blade»-Spiel von Bethesda wurde bisher nicht als Xbox-exklusives-Game bestätigt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Vampirkiller auch auf der PS5 wüten wird. Einzelne Stimmen melden sich zudem zu einem möglichen Port des kommenden Psycho-Thrillers «Hellblade II».
Jeff Grubb berichtet, dass die legendäre Xbox-Spielserie «Gears of War» ein weiterer Kandidat für einen Playstation-Port ist. In einer Jobausschreibung finden Internet-Detektive Hinweise darauf, dass sogar «Halo» (!) bald fremdgehen könnte. Gemäss Andy Robinson von VGC solle man sich auf noch mehr Xbox-Games auf fremden Konsolen gefasst machen. XboxEra berichtet, dass Microsoft massiv in PS5-Devkits investiert habe, um noch mehr Spiele auf Sonys Plattform zu bringen.
Was sagt Microsoft zu den Gerüchten?
Xbox-Chef Phil Spencer kündigt in einem Post auf X ein «Business Update» für nächste Woche an. Man habe die Bedenken der Xbox-Community gehört und wolle zeitnah die «Vision für die Zukunft von Xbox» präsentieren.
Betrachtet man Microsofts Aussagen zu ihrer Gaming-Strategie in den vergangenen Monaten, ist ziemlich klar, in welche Richtung Spencers «Business Update» gehen wird.
Microsoft hat bereits mehrmals angedeutet, dass sie ihre Strategie im Gaming-Bereich signifikant anpassen wollen. Im November verkündet Xbox CFO Tim Stuart, dass man den Game Pass auf «allen möglichen Screens» haben möchte, auf denen man gamen kann. Microsoft CEO Satya Nadella bestätigt in einem Interview mit Bloomberg, dass das Unternehmen «ein guter Publisher für Sony, Nintendo, PCs und Xbox» sein möchte. Eine ähnliche Aussage tätigt Nadella bereits im Dezember letzten Jahres an einer Aktionärsversammlung: «Wir sind jetzt in der Lage [...] grossartige Spiele zu entwickeln und sie den Leuten auf der Xbox und [anderen] Konsolen sowie dem PC und via Cloud auch auf mobilen Geräten zu liefern».
Wieso macht die neue Strategie für Microsoft (keinen) Sinn?
Microsoft hat in der Vergangenheit bereits Games für andere Konsolen veröffentlicht. So erschien «Minecraft» nach der Übernahme des Entwicklerstudios Mojang 2014 auch für Nintendo- und Playstation-Konsolen. Zudem haben es die «Ori»-Games nach einiger Zeit auf die Nintendo Switch geschafft.
Die aktuellen Gerüchte übersteigen jedoch das Ausmass vereinzelter Ports aus der Vergangenheit bei weitem. Sollten sich die Berichte bewahrheiten, bedeutet das eine signifikante Umkehr von Microsofts Gaming-Strategie. Das Redmonder Unternehmen würde sich so primär als Publisher und nur in zweiter Linie als Konsolenhersteller positionieren. Es ist eine Umkehr, die weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Videospiellandschaft haben könnte. Dass Microsoft die Xbox «aufgibt» und sich komplett aus dem Hardware-Geschäft zurückzieht ist jedoch sehr unwahrscheinlich.
Dass Microsoft nach neuen Einnahmequellen im Gaming-Bereich sucht, verwundert grundsätzlich nicht. Die Produktion von grossen AAA-Games wird immer teurer – aus den Insomniac-Leaks letzten Dezember wurde beispielsweise bekannt, dass «Spider-Man 2» circa 300 Millionen Dollar (!) gekostet hat. Selbst Sony sieht sich mittlerweile gezwungen, ehemals exklusive Playstation-Titel nach ein bis zwei Jahren auf dem PC zu veröffentlichen, um die immensen Kosten zu decken.
Zudem hat Microsoft mit der 69-Milliarden-Dollar-Übernahme von Activision Blizzard gerade einen Haufen Geld in ihre Gaming-Sparte investiert. Berichten von Insidern zufolge, erwartet die Chefetage nun schnell neue Einnahmequellen, um diese immensen Kosten zu rechtfertigen.
Die PS5 hat die Xbox-Series-Konsolen bezüglich Verkaufszahlen schon lange abgehängt. Wenn Microsoft ihre Games nun auch auf Sonys Plattform veröffentlicht, erhalten sie Zugang zu einem Millionenpublikum, das ihnen bis anhin versperrt blieb. Xbox-Spielerinnen und -Spieler erhalten Microsofts Games sofort zum Launch im Game-Pass-Abo und Playstation-Kunden müssen ein paar Monate länger warten und die Spiele einzeln kaufen. Microsoft macht damit mehr Umsatz und kann mehr in die Entwicklung neuer Games investieren. In der Theorie ist das eine Win-Win-Situation für Microsoft, die Xbox-Community und Playstation-Fans.
In der Praxis bleibt die Frage, ob und wie lange Xbox-Fans diese neue Strategie mitmachen und tatsächlich im Xbox-Ökosystem bleiben. Viele Mitglieder der Xbox-Community fühlen sich mit der aktuellen Entwicklung vor den Kopf gestossen. Microsoft habe es verpasst, klar und transparent mit seinen Fans zu kommunizieren.
Domagoj Belancic
Senior Editor
Domagoj.Belancic@digitecgalaxus.chMeine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.