Produkttest

Xiaomi Mi IH: Ein Reiskocher, sie alle zu knechten

Der grösste Teil der in der Schweiz (und bei Galaxus) erhältlichen Reiskocher sind überteuerter Elektroschrott. Xiaomi verspricht dir für einen kleinen Aufpreis den perfekten Reis. Schaffen die Chinesen das?

«Es gibt Reis, Baby!» hat Helge Schneider auf dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 1993 gesungen und seine Angebetete mit Reis aus dem Kochbeutel rumgekriegt, um sie am nächsten Tag zum Putzen zu knechten. Die besungene Hauswirtin hätte besser schon während der Zubereitung des Korns die Flucht ergriffen, dann wäre sie ihrem Schicksal entkommen. Helge kocht Reis aus dem Kochbeutel. Nur unseriöse Gestalten machen das so. Eine Zumutung der gröberen Art, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn…

Ich frage mich, ob Herr Schneider heute einen Reiskocher nutzen würde statt der schäbigen Beutel. Da reisst mich eine Melodie aus Zeiten des Jamba-Klingelton-Imperiums aus meinen hypothetischen Überlegungen. Zusätzlich meldet sich der Xiaomi Reiskocher kurz danach passiv-aggressiv in der App. «Kochen abgeschlossen». Der doppelte Schrei nach Aufmerksamkeit ist nötig, schliesslich bin ich während der Stunde Kochzeit komplett abgedriftet...

Die App hat mich aus dem Tagtraum geweckt
Die App hat mich aus dem Tagtraum geweckt

Das Resultat meines ersten Versuchs mit normalem Basmati-Reis ist schon beinahe perfekt. Schön fluffig mit etwas Biss. Weder angebrannt, noch zu wässrig ist der Reis, auch wenn ich bloss die Mindestmenge von einer Tasse gekocht habe. Es sollte der Anfang meines Tests sein. Frei nach Helge: Es gibt Reis, Baby! Und zwar zwei Sorten und auf drei verschiedene Zubereitungsarten: Xiaomi, normaler Reiskocher und Pfanne.

Der Preis ist heiss

Der «Xiaomi Mi Induction Heating Rice Cooker» ist ein Sonderfall in unserem Sortiment. Er arbeitet mit Induktion. Die meisten anderen Reiskocher funktionieren nämlich wie Omas alte Herdplatte: Sie heizen von unten den Behälter mit Wasser und Reis drin auf. Die im Kocher verbaute Herdplatte stoppt automatisch, sobald sämtliches Wasser verdampft ist. Wie das Ganze funktioniert, zeigt Youtuber «Technology Connections» in seinem einleuchtenden Video.

Induktions-Reiskocher (kurz IH) hingegen heizen nicht bloss von unten, sondern erwärmen die ganze Schüssel. Es ist das gleiche Prinzip wie beim modernen Induktionsherd. Der Reis ist daher einheitlicher gekocht, da die Hitze auch von der Seite und nicht bloss von unten kommt. Besser wären nur noch Induktions-Druck-Kocher, den lasse ich aber weg, da wir keine solchen Geräte im Angebot haben.

Der Induktionskocher (links) heizt die ganze Schüssel auf, beim normalen Reiskocher (rechts) gibt nur die Platte mit den Rillen Hitze ab.
Der Induktionskocher (links) heizt die ganze Schüssel auf, beim normalen Reiskocher (rechts) gibt nur die Platte mit den Rillen Hitze ab.

IH-Kocher bieten einen weiteren Vorteil. Sie sind mit Sensoren und Mikrochips ausgestattet und kennen daher nicht bloss «vollgas heizen» und «warmhalten», sondern sie regulieren die Temperatur automatisch während der Zubereitung. Das Resultat ist besser gekochter Reis. Daher haben Induktions-Reiskocher zurecht auch ihren Preis. Galaxus führt die koreanische Marke Cuckoo mit zwei IH-Reiskochern, beide deutlich über 400 Franken, beziehungsweise Euro.

Andere Marken gibt es aktuell nicht zu kaufen, da der europäische Markt für die Hersteller offenbar nicht interessant ist. IH-Reiskocher vonMarktführer Panasonic, Zojirushi oder Tiger habe ich bisher nur bei Yumi Hana in Zürich gefunden, alle waren deutlich über 400 Franken.

Xiaomi kommt hier mit dem Kampfpreis und liefert ab - wenn auch mit ein paar kleinen Macken.

Einfache Bedienung, wenn es dann klappt

Mi bietet ein ganzes Ökosystem von Haushaltsgeräten, die sich über das Handy steuern lassen. Bürolampe, Luftreiniger oder Reiskocher kannst du dank der App beliebig programmieren. Es sind sogar kleine Abfolgen möglich im Stil von «Wenn der Reiskocher angeht, schalte den Luftreiniger ein». Zum Glück funktioniert der Reiskocher auch ganz ohne App.

Ohne App geht auch
Ohne App geht auch

Die Grundfunktionen sind selbsterklärend

Rice: Normaler Reis, Kochdauer rund 60 Minuten
Quick Rice: Normaler Reis, Kochdauer rund 40 Minuten
Congee: In China beliebter Reisbrei
Keep Warm: Reis bis zu 24 Stunden warmhalten
Favorite: Belegbar, ich habe die Aufwärmfunktion programmiert

Die «Quick Rice» Funktion habe ich bis jetzt noch nicht getestet. Ich hatte genügend Zeit für die normale Kochfunktion. Sollten sich riesige Unterschiede zeigen, würde ich das hier ergänzen.

Sobald du deinen «Favorite» belegt hast, brauchst du die App im Grunde nicht mehr. Sie erlaubt dir aber etwas mehr Kontrolle über deinen Reis. Zum Beispiel kannst du die Beschaffenheit des Reises wählen. Leider ist die App aktuell nur auf Englisch verfügbar und die Beschreibungen auf dem Niveau von Aliexpress-Produkbeschreibungen.

Sonst informiert dich die App darüber, was der Reiskocher gerade so tut, zum Beispiel «Cook rice over a slow fire. Keep rice warm uniformly to lock lateral heat inside. So the rice will get gelatinized sufficiently». Ich bin des Englischen mächtig, habe aber keine Ahnung, was mir die App damit sagen will.

Was bitte? Ich habe keinen Schnall
Was bitte? Ich habe keinen Schnall

Neben Reis und Congee besitzt der «Mi IH» Funktionen zum Kuchenbacken, zur Joghurtherstellung, zum Dämpfen mit dem mitgelieferten Einsatz und eine Funktion «Tasty Rice», bei der das Reiskochen noch länger dauert als die ewigen 60 Minuten der Standardfunktion. Falls du dazu einen Test willst, melde dich in den Kommentaren. Ich teste hier nur die Reisfunktion.

Enttäuschend ist, dass die chinesische Version der App viel mehr Funktionen bietet, etwa einen Barcodescanner für die Reispackung, so dass automatisch die perfekte Kochmethode programmiert wird. Auch lässt sich dort die lokale Höhe über Meeresspiegel einstellen, da Reis auf 2000 Metern komplett anders kocht als auf Meeresniveau. Ich hoffe, Xiaomi liefert hier für den Westen noch nach. Die chinesische Version wollte ich übrigens testen. Ich bin aber kläglich gescheitert.

Der gleiche Bildschirm, allerdings gibt es auf Chinesisch deutlich mehr Optionen
Der gleiche Bildschirm, allerdings gibt es auf Chinesisch deutlich mehr Optionen

Der Reis ist heiss

Soweit die Theorie. In der Praxis funktioniert der Reiskocher wie jeder Reiskocher, den ich bisher bedient habe. Reis mit Tasse abmessen, in den Kocher leeren, Wasser bis zum entsprechenden Strich auffüllen, Knopf drücken und warten. Ich teste mit zwei Reissorten. Einerseits den ganz normalen Basmatireis aus dem Grossverteiler, andererseit den «Bordeux des Reises», einen japanischen Koshiibuki aus der Präfektur Niigata, Jahrgang April ‘20.

Edles Körnchen, dieser Koshiibuki
Edles Körnchen, dieser Koshiibuki

Ich wasche jeweils den Inhalt von drei Tassen so lange, bis das Wasser nicht mehr milchig ist und teile den Reis auf den «Mi IH», den normalen Reiskocher und die Pfanne auf. Anschliessend gebe ich die 1,5-fache Menge Wasser zu, was bei den Reiskochern perfekt auf den Strich bei «1 Cup» passt. Die Reiskocher machen dann automatisch ihr Ding. Die Herdplatte mit der zugedeckten Pfanne lasse ich auf höchster Stufe laufen, bis das Wasser kocht, dann stelle ich auf die tiefste Stufe und lasse den Reis so zugedeckt auf der Platte, bis der Xiaomi-Reiskocher fertig ist. Den Tristar Reiskocher lasse ich in dieser Zeit auf «Warm».

Resultat

Koshiibuki

Mein alter Reiskocher Marke Tristar schaltet nach 18 Minuten in den «Warm»-Modus, der «Mi IH» braucht bei dieser Menge Reis 50 Minuten. Anfänglich hat das Gerät noch 60 Minuten angezeigt, dann sich aber nach unten korrigiert.

Optisch unterscheiden sich die Ergebnisse der drei Geräte nicht gross, beim normalen Reiskocher ist der Reis leicht angebrannt und hat eine leichte Bräunung. Der Reis aus der Pfanne scheint mir ein bisschen mehr Glanz zu haben.

Tristar
Der Reis ist etwas trocken und hat einen leicht angebrannten Geschmack. Wenig gehaltvoll. An der Schüssel klebt fast nichts.

Note 3.0

Pfanne
Deutlich feuchter und fluffiger als beim Tristar, schon fast auf der klebrigen Seite. Der Reis haftet am Boden der Pfanne fest, ist aber nicht angebrannt.

Note 4.5

Xiaomi Mi IH
Fast perfekte Struktur und vollmundiger Geschmack. Fluffiger als in der Pfanne. Allerdings formt der Reis am Rand teilweise eine feine Kruste, nach dem Auflockern ist das aber kein Problem.

Note 5.0

Die Entscheidung beim japanischen Reis fiel mir nicht leicht. In der Pfanne gelingt er nämlich sehr gut. Schlussendlich macht der Xiaomi-Reiskocher das Rennen, da die Struktur des Reises besser ist als in der Pfanne. Der Tristar hatte Mühe mit der kleinen Menge Reis, weshalb er eine ungenügende Note erhält.

Basmati

Sehr ähnliche Resultate auch beim Basmati. Der alte Tristar-Kocher war nach 16 Minuten durch mit dem Kochen, der Xiaomi brauchte 50 Minuten.

Auch hier ist der Reis im Tristar sehr trocken und leicht angebrannt. Der Reis aus der Pfanne hingegen wieder etwas zu feucht.

Tristar
Der Reis ist sehr trocken, etwas angebrannt und hat wenig Geschmack. Die Körner sind aber ganz und nicht verkocht.

Note: 4.0, wenn du Sauce dazu reichst.

Pfanne
Unten ist der Reis leicht angebrannt, aber trotzdem etwas zu feucht. Sehr schmackhaft, wenn etwas verkocht.

Note: 4.5

Xiaomi Mi IH
Perfekt von der Feuchtigkeit her, aber nicht wirklich fluffig. Ein wenig verkocht. Geschmacklich tadellos und gehaltvoll, vom Pfannenreis kaum zu unterscheiden.

Note: 4.5

Fazit: Mit Abstand das beste Preis-Leistungsverhältnis

Vergiss erstmals sämtliche Reiskocher unter 100 Franken/Euro. Die funktionieren zwar, aber du kriegst den Reis in einer normalen Pfanne genau gleich gut hin. Brauchst du einen Reiskocher, dann investiere das Geld in den Xiaomi Mi. Er macht beinahe perfekten Reis auf Knopfdruck und bietet dir über die App Zusatzoptionen. Glaub mir, einmal Induktion und du willst nicht mehr zurück. Der Xiaomi Mi ist das mit Abstand günstigste Modell auf dem (in Europa leider sehr bescheidenen) Markt für Induktions-Reiskocher. Die Kochdauer ist in der Standardfunktion mit 50 bis 60 Minuten recht lang. Magst du nicht so lange warten, gibt es eine Schnellkochfunktion. Bringt Xiaomi es noch auf die Reihe, die Zusatzfunktionen aus der chinesischen App zu integrieren, dann wäre ich rundum glücklich.

Apropos glücklich: Ob die mit Beutel-Reis bezirzte Frau aus Helge Schneiders Lied glücklich geworden ist, ist nicht abschliessend überliefert. Dem letzten Song auf dem Album nach zu urteilen hat sie das Weite gesucht.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 

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