Nokia 9 Pure View
128 GB, Midnight Blue, 5.99", Dual SIM, 12 Mpx, 4G
Beim Nokia 9 Pureview nimmst du Fotos mit fünf Kameras auf. Wozu die gut sind, wie man mit ihnen fotografiert und wie die Bilder aussehen, erfährst du im Test.
Noch vor kurzem waren Smartphones mit zwei Kameras eine Besonderheit. Inzwischen gibt es immer mehr Modelle mit drei oder sogar vier Kameras. Das Nokia 9 Pureview will mit seinen fünf Kameras noch bessere Bilder liefern.
Hinter zwei der fünf Kameras auf der Rückseite des Nokia 9 befinden sich Farbsensoren. Hinter den anderen drei monochrome Sensoren, die lichtstärker sind. Drückst du den Auslöser, nehmen alle fünf Kameras ein Bild auf und die Kamera-Software setzt aus diesen fünf Aufnahmen das finale Foto zusammen.
Dafür müssen der verbaute Snapdragon 845, der nur für Fotos zuständige Co-Prozessor von Light und die sechs Gigabyte Arbeitsspeicher ordentlich arbeiten. Willst du direkt nach der Aufnahme ein Bild in der Galerie anschauen, ist Geduld gefragt. Mindestens einige Sekunden nimmt die Bearbeitung in Anspruch. Puffer ist aber genug vorhanden, so dass du nicht warten musst, bis du das nächste Foto aufnehmen kannst.
Was dagegen störender ist: dass Google Fotos als vorinstallierte Galerie-App mit den Datenmengen zu kämpfen hat. Selbst bei bereits vor längerer Zeit aufgenommenen Bildern dauert es oft einen Moment, bis du sie anschauen kannst – und das bei den Dateien auf dem Smartphone. Die Synchronisation der Bilder habe ich deaktiviert. Selbst bei einer einfachen Vergrößerung eines Bildes, muss die App oft einen Moment rechnen.
Grundsätzlich lässt sich über die Bildqualität des Nokia 9 Pureview festhalten, dass die Farbwiedergabe angenehm kräftig ist und natürlich wirkt. Selbst starke Kontraste bereiten keine Probleme, wobei HDR dauerhaft aktiv ist und sich nicht abschalten lässt. Die Detailgenauigkeit ist hoch, aber insgesamt ist das alles im Vergleich zu anderen teuren Smartphones kein Alleinstellungsmerkmal.
Sich deutlich von der Konkurrenz absetzen kann sich das Nokia 9 Pureview dagegen, wenn es um gewollte Unschärfe im Bild geht. Egal ob du den Bokeh-Effekt auf eine Person, Gegenstände oder eine Landschaft anwenden willst: Das Pureview unterteilt das Bild in 1200 Ebenen statt der bisher üblichen zwölf. Den Bokeh-Effekt siehst du aber nicht automatisch. Dafür musst du in der Galerie erst in den Bearbeitungsoptionen die Tiefe finden. Nun kannst du den Fokuspunkt verschieben, sowie Bestimmen wie stark die Unschärfe in Vorder- und Hintergrund ist.
Das klappt am besten, wenn du den fokussierten Bereich im Vordergrund hast. Mit Haaren kommt das Nokia 9 Pureview auch besser zurecht als andere Smartphones – aber selbst hier verschwinden ganz feine Strähnen. Problematisch wird es oft, wenn du den mittleren Bereich scharf, aber Vorder- und Hintergrund unscharf haben willst. Hier sorgen die vielen zusätzlichen Ebenen nicht unbedingt dafür, dass die Software besser erkennt, was scharf und was unscharf sein sollte.
Eine weitere Stärke des Nokia 9 Pureview zeigt sich in meinen Augen bei Schwarz-Weiß Fotos. Dank der drei monochromen Sensoren kann das Smartphone «echte» Schwarz-Weiß-Aufnahmen machen und nicht nur Farbfotos die Farbe entziehen. Das Ergebnis sind eindrucksvolle Aufnahmen mit klaren Strukturen und gut austarierten Graustufen.
Streng genommen befinden sich sogar sechs Kameras auf der Rückseite des Nokia 9. Die sechste liefert aber keine Bilddaten, sondern ist eine sogenannte Time-of-Flight oder kurz ToF-Kamera. LG verbaut so eine Kamera zum Beispiel auch im neuen G8 ThinQ. Dort aber auf der Vorderseite, um Handgesten in einiger Entfernung zum Touchscreen zu erkennen und so eine Bedienung ohne Berührung zu ermöglichen. Nokia nutzt die ToF-Technik zur Unterstützung des Autofokus. Ohne die Millisekunden messen zu können, kam mir die Kamera-App des Pureview beim Fokussieren allerdings weder schneller noch langsamer als andere Smartphones vor.
Die fünf Kameras des Nokia 9 Pureview haben alle die gleiche Brennweite. Auf einen quasi optischen Zoom wie bei anderen Smartphones mit mehreren Kameras musst du verzichten. In der Kamera-App kannst du aber trotzdem eine zwei- und eine fünffache Vergrößerung auswählen. Diese soll Nokia zufolge durch die fünf Kameras mehr Futter haben als der digitale Zoom anderer Smartphones. Das Ergebnis sieht auf dem Nokia 9 selber in Ordnung aus, bleibt aber bei genauerer Betrachtung qualitativ immer noch hinter den optischen Vergrößerungen anderer Smartphones.
Die Dunkelheit ist momentan der Faktor, der gute von sehr guten Smartphone-Kameras trennt. Mit seinen fünf Kameras und vor allem den drei lichtstärkeren monochromen Sensoren, hatte ich hohe Erwartungen an das Nokia 9 Pureview in der Nacht. Diese wurden allerdings enttäuscht. Die fünf Kameras liefern zwar auch mit wenig Licht Fotos, auf denen du etwas erkennen kannst. Allerdings bleibt der Ausgleich von hellen und dunklen Bereichen sowie die Aufhellung und Detailgenauigkeit insgesamt hinter Smartphones mit explizitem Nachtmodus wie dem Google Pixel 3 oder dem Huawei P30 Pro und Mate 20 zurück. Hier schlägt momentan die Software die Hardware. Einziger Vorteil des Nokia 9: Dank seiner fünf Kameras kommt es mit deutlich kürzeren Belichtungszeiten als die Konkurrenz aus.
Auf der Vorderseite hat das Nokia 9 Pureview nur eine Kamera. Die liefert Selfies mit einer Auflösung von 20 Megapixeln und lässt dich HDR ein- und ausschalten. Wobei die Aufnahmen in der Regel mit aktiven HDR – vor allem farblich – besser aussehen. Ansonsten fällt die Detailgenauigkeit für Selfies hoch aus. Das gelingt nicht jedem Smartphone mit einer so hohen Auflösung bei der Frontkamera.
Das Nokia 9 Pureview bietet die Möglichkeit Fotos im RAW-Format abzuspeichern. Das lohnt sich aber wirklich nur, wenn du die Fotos nachträglich bearbeiten willst. Stehst du auf fertig bearbeitete Bilder nach dem Klick auf den Auslöser, solltest du den Speicherplatz lieber anders nutzen. Um die RAW-Dateien zu bearbeiten, musst du sie nicht zwangsläufig auf einen Computer übertragen. Du brauchst nur eine passende App. Der vorinstallierter Foto-Editor kann aber nur Dunst entfernen und Snapseed konnte trotz Empfehlung von Google die RAW-Bilder nicht öffnen. Adobe Lightroom CC erweist sich als praktikable App, wobei einige Funktionen nur freigeschaltet sind, wenn du das monatliche Abo abschließt.
Das 5,99 Zoll große P-OLED-Display des Nokia 9 Pureview lässt keine Wünsche offen. Die 2K-Auflösung mit 2880 * 1440 Pixeln sorgt für ein scharfes und detailreiches Bild. Die Farben sind kräftig, wirken aber trotzdem noch natürlich. Da das Smartphone zum Fotografieren gedacht ist, muss der Touchscreen auch als Sucher für die Kamera herhalten – und erledigt diese Aufgabe sehr gut. Selbst bei direkter Sonneneinstrahlung kannst du sehr gut erkennen, was du fotografierst. Zumindest wenn du nicht im Stromsparmodus unterwegs bist und die Helligkeit hoch drehst, wobei du gar nicht bis zum Maximum gehen musst.
Der interne Speicher des Nokia 9 Pureview fällt mit 128 Gigabyte üppig aus und bietet locker Platz für mehrere Tausend Fotos. Da ist es eigentlich kein Problem, dass du die Speicherkapazität nicht mit einer microSD-Karte erweitern kannst. Nimmst du mit dem Nokia 9 jedoch viele Videos auf und speicherst die Fotos im RAW-Format ab, könnte der Speicher doch zügig voll werden und du musst Daten extern sichern.
Jenseits der Fotografie muss du dir keine Sorgen um die Hardware des Nokia 9 Pureview machen. Die hat genug Power, um nicht nur die Nutzeroberfläche flüssig laufen und Apps zügig starten zu lassen, sondern lässt euch selbst grafisch anspruchsvolle Spiele wie PUBG Mobile problemlos spielen. Bei klassischer Smartphone-Nutzung hält der 3320-mAh-Akku des Nokia 9 problemlos einen Tag durch. Wenn du viel fotografierst und dabei auch im Sonnenschein die Displayhelligkeit hoch schraubst, solltest du eine Powerbank für deinen Tagesausflug einpacken.
Die Kamera-App des Nokia 9 kannst du zwar auch auf Sperrbildschirm öffnen, ohne das Smartphone zu entsperren. Trotzdem müssen wir über die Entsperrmethoden des Nokia 9 reden: Zusätzlich zu Pin, Muster und Passwort stehen noch eine Gesichtserkennung sowie ein Fingerabdrucksensor zur Auswahl – die du auch parallel nutzen kannst. Die Gesichtserkennung entsperrt das Nokia 9 Pureview zuverlässig – aber nur solange es hell ist. In der Nacht reicht das Display nicht als Lichtquelle aus.
Alternativ bietet sich der Fingerabdrucksensor an, der sich im Display befindet. Technologisch ist das über eine Kamera gelöst, die quasi durch den Bildschirm hindurch schaut und den Fingerabdruck erkennt. Das Verfahren ist allerdings langsamer als ein klassischer Fingerabdrucksensor und beim Nokia 9 zudem ziemlich unzuverlässig. Nur selten erkannte er meinen Finger auf Anhieb. Da ist das OnePlus 6T zuverlässiger und das Samsung Galaxy S10 mit seiner Ultraschall-Technik noch schneller. Zudem erwies sich der Fingerabdrucksensor des Nokia 9 bei Dunkelheit ebenfalls als nicht hilfreich. Ohne Licht erkennt er die Finger nicht.
Mit der Teilnahme am Android-One-Programm verdient sich das Nokia 9 Pureview in meinen Augen einen Pluspunkt. Für dich bedeutet das nicht nur mit Android 9 Pie momentan die aktuelle von Googles Betriebssystem auf dem Smartphone zu haben. Für zwei Jahre garantiert Nokia Android-Updates und für drei Jahre Sicherheitsupdates. Während des Tests trudelte zum Beispiel das Sicherheitsupdate für April 2019 ein.
Zudem sorgt Android One dafür, dass die Nutzeroberfläche zum Start aufgeräumt ist und von den typischen Google-Apps abgesehen, keine anderen Apps vorinstalliert sind. Hier macht dir der Hersteller also keine Vorgaben und belästigt dich nicht mit Apps, die du gar nicht haben willst und nicht deinstallieren kannst. Stattdessen installierst du nur deine Apps und kannst mit einem Launcher die Nutzeroberfläche problemlos an deine Vorstellungen anpassen.
Mit dem Nokia 9 Pureview erhältst du ein ordentlich verarbeitetes Smartphone mit schickem Design. Einziger Kritikpunkt an dieser Stelle: Die Glasrückseite zieht Fingerabdrücke an und ist ohne Schutzhülle für viele Oberflächen zu rutschig und setzt sich mit Hilfe der Schwerkraft schnell eigenständig in Bewegung. Für die unverbindliche Preisempfehlung von 649 Euro erhältst du eine völlig ausreichende Ausstattung auf dem Niveau der Top-Smartphones von 2018, deren Preise inzwischen oft auch in diese Region gesunken sind.
Das System aus fünf Kameras hält die großen Versprechen von Nokia und Zeiss nicht komplett ein, bietet aber einige Vorzüge. Hierzu gehören die Unschärfe-Ebenen, die schicken Schwarz-Weiß-Aufnahmen sowie die Möglichkeit die RAW-Dateien nachträglich zu bearbeiten. Womit dann auch schon die Nutzungsszenarien genannt sind, für die sich die Anschaffung des Nokia 9 Pureview besonders lohnt. Herkömmliche Fotos bekommen bei Tageslicht auch viele andere Smartphones ebenso gut hin und wer viel im Dunkeln fotografieren will, fährt mit dem Pixel 3 oder dem Huawei P30 Pro definitiv besser.
Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de.