Hintergrund

15 Jahre Steam: So hat der digitale Store die Game-Landschaft geprägt

Steam ist Synonym für PC-Gaming. Der Dienst zählt 125 Millionen User und hat die Gaming-Landschaft massgeblich geprägt. Sowohl im guten wie im schlechten...

Am 12. September 2003 erschien Steam 1.0. Der Client diente zum Testen von «Counter-Strike 1.4». Das gemeinsame Spielen übers Internet war damals noch etwas komplizierter als heute. Darum entwickelte das Game-Studio Valve für die eigenen Multiplayer-Titel «Counter-Strike» und «Team Fortress» eine neue Möglichkeit, Online-Spiele zu verwalten.

Ersten Gegenwind spürte das amerikanische Studio als es die Unterstützung von WON, dem bestehenden Multiplayer-Client, abstellte und somit Steam zur Pflicht von Valve-Spielen machte. Ein noch grösserer Aufschrei ging aber durch die Game-Gemeinde als ein Jahr später das heissersehnte «Half-Life 2» erschien und ebenfalls eine Steam-Registration verlange. Aber auch das konnte den Aufstieg nicht bremsen. Die Zulassung von Drittherstellern 2005 zementierte Steams Existenz schliesslich endgültig und seither ist der digitale Spieleladen nicht mehr wegzudenken.

Vom Zusatzprogramm zum Alleskönner

Das ist nun 15 beziehungsweise 14 Jahre her und bezeichnete den Anfang einer Entwicklung, die die Game-Welt nachhaltig verändern sollte. Steam zählt heute über 125 Millionen Nutzer, bis 15 Millionen gleichzeitig sind zu Spitzenzeiten online. Dank eines Hintertürchens wurden sogar Schätzungen bekannt, wie viele Games Valve insgesamt schon verkauft hat: 1’700’000’000. In Worten: Eine Milliarde siebenhundert Millionen.

Steam hat sich ziemlich gewandelt
Steam hat sich ziemlich gewandelt
Quelle: PCGamer

Da fliesst ordentlich Zaster. Die Spieleauswahl ist mit 23’000 Games ebenfalls beachtlich. Und die Zahl explodiert weiter. Alleine 2017 wurden knapp 8000 Spiele auf Steam veröffentlicht.

Ein weiterer Rekord verzeichnete kürzlich «PUBG». Es ist das erste Spiel, in dem ein ganzes Jahr lang nie weniger als 1 Million Spieler gleichzeitig online waren. «PUBG» verwaltet auch den Steam-Rekord mit den meisten gleichzeitig aktiver Spieler: 3,2 Millionen. Diese Zahlen lassen erahnen, welchen Einfluss Steam auf die Branche hat.

Neuer Vermarktungsort

Vor Steam waren Vermarktungsmöglichkeiten für Spieleentwickler relativ beschränkt. Wer kein Geld für Werbung hatte, musste auf Mund-zu-Mund-Propaganda setzen oder auf eine Erwähnung in einem Spielemagazin (so eins aus echtem Papier) hoffen. 2005 öffnete Steam seine Pforten erstmals für Nicht-Valve-Spiele. Der erste Zugang war «Rag Doll Kung Fu».

Die Vermarktung von Spielen in rein digitaler Form war zu der Zeit immer noch ein Novum. Aber immer mehr Hersteller drängten auf die Plattform. Auch die Spielerzahl wuchs kontinuierlich und das obwohl man die digitalen Güter nicht wie physische Spiele tauschen konnte. Einmal den Aktivierungs-Code eingelöst, ist das Spiel an den Account gebunden.

Die Steam-Hauptseite ist eine attraktive Werbeplattform, die zunehmend auch von Indie-Spielen besetzt wurde. Um der stetig wachsende Menge an Neuzugängen Herr werden zu können, führte Valve 2012 Steam Greenlight ein. Greenlight ist ein Begriff aus Film- und Spielebranche, der beschreibt, wenn ein Produkt zur Produktion freigegeben wird. Auf Steam übernahmen diese Aufgabe fortan die User. Dadurch konnten Spielehersteller ihre Titel wesentlich schneller auf Steam veröffentlichen und ein Publisher war auch nicht mehr zwingend nötig. 2017 wurde Greenlight schliesslich durch Steam Direct ersetzt. Nun müssen Hersteller nur noch ein paar Formulare ausfüllen und einen kleinen Einschreibungsbetrag leisten, der primär dazu dient, unseriöser Einsendungen zu verhindern.

Mittlerweile werden täglich so viele Spiele auf Steam veröffentlicht, dass es für Entwickler wieder schwieriger geworden ist, überhaupt entdeckt zu werden. Ein Problem, das im Mobile-Bereich aber immer noch um ein Wesentliches gravierender ist.

Cloud-Save

Ich kann mich noch viel zu gut daran erinnern, wie ich bei jeder Neuinstallation von Windows den ständig wachsenden Ordner mit den Eigenen Dateien sichern musste, damit ich meine ganzen Speicherstände nicht verlor. Selbst damit kam es immer wieder vor, dass gewisse Backups nach der Neuinstallation nicht mehr funktionierten. Dem hat Steam ein Ende bereitet. 2008 führte Steam die Cloud-Save-Funktion ein. Anfangs konnte man damit lediglich die Tastenbelegung speichern. Später kam das Synchronisieren der Spielstände hinzu. Eine unbezahlbare Funktion, die heute nicht mehr wegzudenken ist und glücklicherweise auch ihren Weg auf Konsolen gefunden hat. Sogar Nintendo ist mit zehn Jahren Verspätung in den Club eingetreten.

Mods

Während Mods schon immer Teil der PC-Gaming-Szene waren, so wurden sie durch die Einführung von Steam Workshop deutlich zugänglicher. Damit kann User-generierter Inhalt direkt über Steam installiert werden, ohne dass man manuell Dateien herunterladen und in die richtigen Ordner verschieben muss. 2015 schaltete Valve die Möglichkeit frei, Geld für Mods zu verlangen. Der erste Versuch wurde zwar von Spielern vehement kritisiert, so dass Valve den Rückzug antreten musste. Noch im gleichen Jahr wurde der Dienst in abgewandelter Form wieder aktiviert und der Aufschrei war leise genug, dass Valve daran festhielt. Seither können Modder ihre Arbeit auf Steam zu Geld machen.

Sales

Games zum Schnäppchenpreis? Vor Steam gabs sowas höchstens auf dem Flohmarkt oder in Internet-Tauschbörsen. Seit rund zehn Jahren gibt es bei Steam regelmässige Sales. Der berühmteste ist der Steam Summer Sale, der Spieler immer wieder dazu verführt, unzählige Spiele zu kaufen, die anschliessend in der Bibliothek vergammeln (schuldig). Gerade für Indie-Entwickler kann eine prominente Platzierung während der Schnäppchenwoche bedeuten, dass sie in wenigen Tagen mehr Exemplare verkaufen als während Monaten.

Mittlerweile gibt es mehrere solche Sales das ganze Jahr hinweg. Es sind richtige Events geworden, nur dass man keine Angst haben muss, unter den Füssen kaufrünstiger Shopper zertrampelt zu werden wie am Black Friday. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Spieleverkäufen hat auch die Konkurrenz angefangen, Rabattaktionen einzuführen. Wohl auch weil sie gemerkt haben, wie lukrativ Steam Sales sind. So kann man nun auch auf der Playstation oder Xbox Schnäppchen ergattern.

Early Access

Eine der einflussreichsten Veränderungen rührte von der Einführung von Early Access her.
2013 führte Valve die Option für Entwickler ein, unfertige Spiele im Store anzubieten. Damit erhielten sie eine neue Möglichkeit, ihre Spiele zu finanzieren, zu testen und dank User-Feedback zu verbessern. Das Feature ist derart erfolgreich, dass mittlerweile auch Konsolen-Hersteller dem Prinzip gefolgt sind.

Zahlreiche Spiele haben es nur dank diesem Mittel geschafft, Erfolg zu haben. Gerade wenn sich kein Publisher finden lässt, der das Spiel unterstützen will, ist der Weg über Early Access für viele Entwickler der einzige Weg.

Backwards compatibility und Archivierung

Steam dient nicht nur als digitales Shopping-Center, es ist gleichzeitig ein Archiv. Selbst uralte Textadventure aus den Achtzigern kannst du auf Steam kaufen. Damit fällt das umständliche durchstöbern von Flohmärkten oder Auktionshäusern weg. Steam ist in dieser Hinsicht ein bisschen wie ein Museum.

Ein weiterer Vorteil ist, dass du auch mit der neusten Windows-Version die ganzen Klassiker zocken kannst. Zumindest die meisten. Hier leistet CD Project Reds Shop GoG die bessere Supportleistung. Dort findest du ebenfalls unzählige alte Juwelen, die auch auf aktuellen Systemen spielbar sind. Ohne den Erfolg von Steam würde es GoG aber vielleicht gar nicht geben.

PC-Gaming vereint

Steam sorgte dafür, dass es einen Ort gibt, wo fast alle PC-Spiele zu finden sind. Man kann über diese Monopolstellung streiten, aber praktisch ist es allemal. Mit Steam fanden PC-Spieler auch ein gemeinsames Zuhause. Während Konsoleros durch die Wahl ihrer Plattform automatisch eine Zugehörigkeit erhielten, konnten auch PC-Spieler sich hinter eine gemeinsame Flagge stellen. Die Community-Foren, die 2007 eingeführt wurden, gehören zu den aktivsten Game-Foren im Internet. Zu jedem Spiel findet man so direkt Anschluss.

Und während früher Spiele immer ab DVD installiert werden mussten, oft mit separatem Launcher, so hat man sein Spiel nach Aktivierung des Codes für immer verfügbar in der Steam-Bibliothek (zumindest die Lizenz, wenn man die Eula genau liest). Patches von Gamershell oder wo auch immer runterladen und hoffen, dass es die richtige Version ist, ist auch vorbei.

Nachahmer

Steams Monopolstellung passt natürlich nicht jedem in dem Kram. Genau wie es Google und Apple mit ihren Mobile-Stores machen, zwackt auch Steam von jedem verkauften Spiel 30 Prozent ab. Hersteller umgehen das, indem sie eigene digitale Shops lanciert haben. Ubisoft, EA, Blizzard/Activision, Epic: Grosse Hersteller, deren Spiele genug Zugkraft haben, können Steam umgehen. Auch wenn sie von der Funktionalität, der Bedienung oder der Auswahl noch nicht mit dem marktführer mithalten können, sorgen ihre AAA-Spiele dafür, dass an ihnen kein Weg vorbei führt. Und schliesslich ist Konkurrenz gut für uns Kunden.

Erst verteufelt, dann geliebt und jetzt wieder verteufelt

Steam hat in den letzten 15 Jahren einige Gefühlsschwankungen bei Gamern ausgelöst. Anfangs wurde der Dienst verflucht, weil er uns aufgezwungen wurde. Dann wendete sich langsam das Blatt und wir lernten Steam als die Zentrale für PC-Spiele schätzen. In den letzten Jahren macht sich nun immer deutlicher die Vormachtsstellung von Valve bemerkbar. «Good Guy Valve» ist eben auch nur ein Firma, die an Gewinnmaximierung interessiert ist und so haben die lustigen Memes um CEO Gabe Newell einen fahlen Beigeschmack erhalten. Mit der Installation und der Nutzung von Steam liefern wir Valve bereitwillig wertvolle Infos über unser Nutzerverhalten aus. Das 2015 eingeführte Umtauschrecht musste hart erkämpft werden, etwas, das im Offline-Bereich eine Selbstverständlichkeit ist. Early Access wird als Vorwand benutzt, um mit unfertigen Prototypen ahnungslosen Spielern das Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne Absicht, das Produkt jemals fertig zu stellen.

Valve ist zum Google der Game-Branche geworden. Aus dem Studio, das für mehrere Game-Meilensteine verantwortlich ist, ist ein Industriegigant geworden, dem fast nur noch am Geld als an der Kreativität zu liegen scheint.

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    16%
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    5%
  • Alles Kapitalisten
    7%
  • Nein, einfach nein
    2%

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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