Kritik

20 Jahre danach: Ich schaue nochmal «Buffy – Im Bann der Dämonen»

Florian Bodoky
12.10.2023

Vom herrlichen Trash zum Teenie-Drama zur düsteren Dystopie: Vor 20 Jahren endete das Vampir-Epos, das mich durch die Adoleszenz begleitete. Nun kommt die Neuauflage als Hörbuch. Zu diesem Anlass blicke ich zurück – und schäme mich.

2003, also vor 20 Jahren, lief die letzte Episode von «Buffy, the Vampire Slayer» über den Äther. Zu einer Zeit, als es im deutschsprachigen Raum bei Serien und Filmen häufig eigene Namen gab. «Buffy – im Bann der Dämonen» hiess das Vampir-Drama bei uns. Ein Teil des damaligen Casts lässt die Serie zum Jubiläum als Hörbuch neu aufleben. Weil die Hauptdarstellerinnen Sarah Michelle Prinze-Gellar und Alyson Hannigan aber nicht mit von der Partie sind, spielt es in einem Paralleluniversum – mit Vampir «Spike» als Hauptcharakter.

Ich schwelge in alten Erinnerungen an die Serie (und an die Intro-Melodie, yeah!), weswegen ich sie mir zu diesem Anlass nochmals reingezogen habe.

Darum geht's in «Buffy»

Der Plot ist schnell erzählt: In jeder Generation wird ein Mädchen geboren, um das Böse zu bekämpfen. Sie ist die sogenannte Jägerin. In der Generation der Millennials ist das Buffy Summers (Sarah Michelle Prinze-Gellar), 16-jährige Highschool-Schülerin. Die Teenagerin kommt an eine neue Schule in der fiktiven kalifornischen Kleinstadt Sunnydale.

Dort befindet sie sich gleich ab Tag 1 unter Beobachtung des Schulbibliothekars Rupert Giles (Anthony Steward Head), der in Wirklichkeit ein «Wächter» ist. Derjenige, der die Jägerin ausbilden und in ihrem Kampf gegen das Böse anleiten soll. Ebenfalls im Auge hat sie Schuldirektor Snyder, da sie als auffällig gilt. Dieser ist ihr derart feindselig gesinnt, dass sich die Frage stellt, ob er selbst ein Dämon ist. Und dann gibt’s auch noch Mitschüler und Mitschülerinnen, die sich schultypisch in Gruppen der «Coolen», «Streber» etc. gliedern.

90ies-Trash vom Feinsten

Obwohl Buffy mit ihrer «Bestimmung» zunächst nichts am Hut und einen Neuanfang haben will, lässt sie sich von Giles schnell vom Gegenteil überzeugen. Denn wie sich herausstellt, ist es kein Zufall, dass sie in Sunnydale gelandet ist. Hier befindet sich der Höllenschlund, durch den Dämonen von der höllischen in die irdische Dimension gelangen und auf der Erde Unheil anrichten können. Obwohl der Kontinent erst 1492 entdeckt und bereist wurde, passiert das trotzdem schon seit tausenden von Jahren. Naja, im US-zentristischen Westen der 90er-Jahre hinterfragte wohl kaum jemand diesen kleinen Logikfehler.

So startete also Buffys Kampf gegen das Böse. Und die Herausforderungen des Alltags als Jugendliche. Begleitet wird sie dabei zunächst von besagtem Giles und ihren beiden Freunden Alexander «Xander» Harris (Nicolas Brendon) und Willow Rosenberg (Alyson Hannigan).

In dieser Phase fokussiert sich die Serie auf in sich abgeschlossene Episoden. Dabei lässt sich der spätere «Avengers»-Regisseur Joss Whedon ein absurdes Höllenmonster nach dem anderen einfallen. Etwa eine riesige Heuschrecke, die Menschengestalt annehmen kann. So verführt es männliche Teenager mit ihren «Lockstoffen» (vulgo: Oberweite) zum Geschlechtsverkehr und frisst sie danach auf.

Oder ein Dämon, der vor Urzeiten mit Bannsprüchen in ein Buch gesperrt wurde. Die Seiten des Buches – und somit der Dämon – wurden nun digital eingescannt. Er wird zum Virus und richtet im Internet Verkehrssysteme, Krankenhäuser und Banken zugrunde. Immer wieder starten die Episoden zwar tragisch – oft mit einem Todesfall eines Teenagers – sind aber so trashig, dass sie bei mir vor dem Fernseher regelmässig Gelächter verursachen.

Staffel 3: Erste Schattierungen

Das Schöne, wenn Höllenwesen die Gegner sind, ist die Einfachheit. Deren Motive bedürfen nämlich keiner Erklärung. Letzten Endes stammen sie aus der Hölle, sind deshalb böse und erstreben den Untergang der Menschheit. Ende.

Ab Staffel drei gewinnen die Charaktere meines Erachtens erstmals etwas an Tiefe. Allen voran Faith, die ebenfalls zur Jägerin berufen wird. Obwohl anfänglich eng befreundet, stösst ihre «egoistische», «frivole» (lies: eigenständige, selbstbewusste) Art auf Unwillen bei Buffys Freunden. Nach einer Reihe von Ereignissen sagen sich diese von ihr los.

Kain’sche Neid-Gefühle, Einsamkeit und die «Suche nach einer stabilen Vaterfigur» trieben sie schliesslich in die Arme von Richard Wilkins III., dem Bürgermeister von Sunnydale. Einem dämonischen Bösewicht, dem sie beim Versuch hilft, die Menschheit zu verschlingen.

Zum ersten Mal verschwimmen die Grenzen zwischen «Gut» und «Böse», die Motive werden «menschlich» und eine charakterliche Morphologie findet statt. Obwohl auch diese Staffel mit flapsigen Sprüchen und einem trashigen Monster endet, beginnt die Serie, sich etwas zu ändern. Zu ihrem Vorteil.

Die Serie nimmt Fahrt auf

Ab hier macht die Serie eine deutliche Wandlung – zum Besseren. Mit Charakteren wie Professorin Walsh, Tara oder «Dark Willow» verabschiedet sich «Buffy» endgültig vom «Gut gegen Böse»-Schema und den stereotypischen Charakteren. Auch der Plot wird komplexer, die Storylines vielfältiger. Die Handlung und die Wendungen vermögen zu überraschen.

Coming-of-age-Elemente wie Geldprobleme, Sucht, Verlustängste und menschliche Schicksalsschläge halten Einzug. Das zieht mich viel mehr ins Geschehen und verbindet mich mit den Protagonisten. Die düsteren Zukunftsaussichten und die deprimierende Grundstimmung machen aus der Teenie-Dramedy eine spannende Serie, in der es um weit mehr als die Monsterjagd geht.

Buffy bricht mit sexistischen Klischees. Wirklich?

Als eine absolut revolutionäre Serie hatte ich «Buffy» in Erinnerung. Als Meilenstein in Sachen Rollenbilder. Eine Frau als grosse Heldin. Eine Frau als Retterin der Welt – Schluss mit der «Jungfrau in Nöten», der Statistenrolle zu dekorativem Zweck. Und erst noch ohne die knappe Bekleidung von Wonder Woman. Oh, wie falsch ich lag.

Zum Start der Serie vor 26 Jahren war ich 12 und habe mir diesbezüglich kaum Gedanken gemacht. Als ich die Serie im Vorfeld zum Hörbuch und diesem Artikel nochmal schaue, muss ich zurückbuchstabieren. Vor allem bei den ersten Staffeln. Zum einen sind diese immer wieder mit Dialogzeilen gespickt, die mich vor Fremdscham erschaudern lassen: «Die Austauschschülerin muss ein Dämon sein – keine richtige Frau geht ohne Lippenstift aus dem Haus», «Nettes Kleidchen Willow, kein Wunder übersehen dich die Kerle» oder «Hey, ich war nur in der Mädchenumkleide, weil ich jemanden hab schreien hören – glaub ich zwinkerzwonker».

Zudem müssen in den frühen Staffeln hauptsächlich Mädchen gerettet werden – lediglich die Hauptdarstellerin selbst bildet hier die Ausnahme. Und auch dies nur oberflächlich. Denn jenseits ihrer Kräfte – die sie sich ja nicht selbst erarbeitet hat, sondern die ihr von höheren Mächten verliehen wurde – ist sie recht hilflos. Wächter Giles, der Rat der Wächter und der männliche Vampir Angel planen, geben Anweisungen und bestimmen über ihren Kopf hinweg. Auch Übergriffigkeiten finden immer wieder statt – die mit der Tradition begründet werden.

Sie fungiert lediglich als ausführende Instanz. Ignoriert sie die Anweisungen und heckt ihre eigenen Pläne aus, wird dies stets mit einer gewissen Empörung auf ihre Dickköpfigkeit und rebellische Art geschoben. Nicht etwa auf ihr Recht (und ihre Fähigkeit), eigene Entscheidungen zu treffen. Dementsprechend folgen häufig moralische Gespräche zwischen ihr und ihrem Wächter, in welchen dieser sie ermahnt, künftig auf ihn zu hören. Ganz nach dem Motto: «Dieses Mal mag es gut gegangen sein, aber…».

Ausgerechnet die einzige weibliche Autoritätsperson, Buffys Mutter Joyce, hat null Einfluss oder Kontrolle auf bzw. über ihre Tochter. Ihre Anordnungen, Empfehlungen oder auch Bitten werden geflissentlich ignoriert. Dazu kommt das Hadern Buffys über das ihr zugedachte Schicksal als Jägerin. So möchte sie doch so gern «ein ganz normales Mädchen» sein, das tun kann, «was jedes normale Mädchen tut», wie sie mehrfach sagt. So wie etwa in Staffel zwei, wo sie fast das Fortbestehen der menschlichen Rasse aufs Spiel setzt, weil ihr ein Mann – Angel – seine Liebe entzieht (und dann wieder gesteht). Uff. Oder die spätere Jägerin – Faith – welche sich aus Frust und Einsamkeit dem Dämon Olvikan anschliesst.

Dinge, welche die emotional gefestigten Männer der Serie in dieser Situation natürlich nicht tun. Diese greifen zum Alkohol, dem machoiden Ritus der Rache (Angel, Giles) oder ziehen es vor, wegzuziehen, um alleine mit dem Trennungsschmerz klarzukommen (Oz). Lediglich der Vampir Spike lässt eine ähnliche emotionale Verletzlichkeit durchblicken – ungefähr ab Staffel 5.

Fazit: Nicht so gut gealtert wie ich dachte

Erstaunlich, wie selektiv das Gehirn Erinnerungen speichert. Neben dem Trash der ersten Staffeln hatte ich kaum schlechte Erinnerungen an die Serie. Dabei löst sie ihre Versprechen in Sachen «weibliches Rollenbild» erst sehr spät ein. Ebenso spät kam die qualitative Steigerung des Inhalts. Nämlich als Buffy, nach dem Tod ihrer Mutter, auf eigenen Beinen steht und sich um ihre jüngere Schwester kümmern muss. Sie führt eine gleichberechtigte Beziehung mit Kommilitone und Soldat Riley Finn. Und ihre beste Freundin Willow entwickelt magische Kräfte und löst sich, samt Partnerin Tara, vom nutzlosen Sidekick-Dasein. Sie wird zur wichtigsten Mitkämpferin Buffys. Erst ab da wird die Serie meinen Erinnerungen mehr oder weniger gerecht. Trotz meiner Ernüchterung räume ich der Neuauflage eine Chance ein – und bin gespannt darauf, wie sich die Geschichte im neuen Format entwickelt.

Titelbild: Disney

27 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Kritik

    «Wicked»: Ein Plädoyer für Toleranz und Akzeptanz

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «Agatha All Along»: Qualität statt Kontroverse

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «Ender Magnolia: Bloom in the Mist» ist mein neues Lieblings-Metroidvania

    von Kevin Hofer

Kommentare

Avatar