Michael Restin
Hintergrund

7 erfolgreiche Produkte, die von Kindern erfunden wurden

Hinter guten Ideen steckt nicht immer ein Heer von Produktentwicklerinnen, sondern manchmal auch die unverbrauchte Kreativität von Kindern oder Teenagern. Die folgenden Erfindungen haben sich durchgesetzt.

Es ist leicht, sich über Produkte oder ungelöste Alltagsprobleme zu ärgern. Und schwer, es selbst besser zu machen. Dafür braucht es eine gute Idee, Erfindergeist und manchmal auch eine Portion Glück. Kommt alles zusammen, können Erfindungen aus dem Kinderzimmer die Welt erobern. So wie die folgenden Beispiele.

1. Ein Fünfjähriger als Vater des Spielzeug-LKW

Was hast du mit fünf Jahren gemacht? Mit Spielzeugautos gespielt? Dann hattest du vielleicht ein Modell in den Händen, das auf den jüngsten Patentinhaber der US-Geschichte zurückgeht. Robert Patch war noch im Vorschulalter, als er sich nicht mehr mit seinen Spielzeugautos zufriedengeben wollte und selbst einen LKW entwickelte. Aus Schuhschachteln, Flaschendeckeln und Nägeln bastelte er einen wandelbaren Truck mit unterschiedlich konfigurierbaren Achsen – und damit die Urform des heute gängigen Spielzeugs.

Da sein Vater als Patentanwalt Potenzial in der Idee sah, markierte Patch Junior am 4. Juni 1963 im zarten Alter von sechs Jahren das Dokument mit einem X, denn unterschreiben konnte er noch nicht. Und auch finanziell gesehen war seine Erfindung ein Satz mit X – er hatte davon so gut wie nix. Das Design setzte sich zwar durch, aber Geld verdienten damit andere, da sein Vater die Idee nicht vermarkten wollte. Roberts einziger Lohn waren ein Paar Sneakers, die ihm der Schuhhersteller schickte, dessen Kartons er für sein Modell verwendet hatte.

Erfinder mit fünf Jahren: Patchs Patent aus dem Jahr 1963.
Erfinder mit fünf Jahren: Patchs Patent aus dem Jahr 1963.
Quelle: PD

2. T-Pak, die praktische Halfter-Tasche

Besser lief es nicht nur in finanzieller Hinsicht für Kelly Reinhart, die ebenfalls schon mit sechs Jahren erfinderisch wurde. Inspiriert durch die Revolver-Halfter, die sie aus Western-Filmen kannte, entwickelte sie eine friedlichere Idee. Was können Kinder schneller zücken als ihr Schatten? Videospiele! Eine Tasche musste her, in der die wichtigsten Dinge allzeit griffbereit sind. So entstand T-Pak. Die Familie patentierte das Design im Jahr 1998 und Kelly bekam auf Messen zu hören: «Das wird niemand kaufen!» Doch es fanden sich Investoren und bald hingen solche Taschen an vielen amerikanischen Hüften.

Brandit side kick bag No.2 - 14643
Tasche

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Ihr Vater arbeitete in Vollzeit für seine Tochter, die sich unter anderem mit Vertretern des Pentagon und Präsident Bush traf, bevor die Firma 2001 verkauft wurde und Kelly im Alter von neun Jahren schon auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken konnte. Noch bemerkenswerter: Anschliessend gründete sie eine Non-Profit-Organisation, um anderen Kindern zu helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Ihre Definition von Erfolg im Alter von 12 Jahren: «Es geht nicht darum, wie viel Geld du verdienst. Sondern darum, wie viel du im Leben erreicht hast.»

3. Eine kalte kalifornische Nacht und das erste Eis am Stiel

Diese Idee hat sich definitiv durchgesetzt.
Diese Idee hat sich definitiv durchgesetzt.
Quelle: Shutterstock

Der Legende nach half dem 11-jährigen Frank Epperson der Zufall bei der «Erfindung», die sein Leben bestimmen sollte. Er soll in einer kalten Nacht im Jahre 1905 sein Getränk mit einem Rührstab darin im Freien vergessen und tags darauf das erste Eis am Stiel gegessen haben. Oder zumindest vorgefunden. Erst 15 Jahre später griff er die Idee wieder auf.

1924 erhielt er dann ein Patent auf sein Verfahren – um sich anschliessend einen Rechtsstreit mit dem Konditor Harry B. Burt zu liefern, der für sein Milchspeiseeis ebenfalls den Stiel als Stilmittel entdeckt hatte.

Genial einfach, aber wer hat's erfunden? Eppersons Patent auf «gefrorene Süsswaren» am Stiel aus dem Jahr 1924.
Genial einfach, aber wer hat's erfunden? Eppersons Patent auf «gefrorene Süsswaren» am Stiel aus dem Jahr 1924.
Quelle: PD

Inzwischen sind Eppersons «Popsicle» und Burts «Good Humor Bar» längst zu einem Unternehmen verschmolzen. Dieses wurde wiederum vom hungrigen Riesen Unilever verschlungen. Njamm!

4. Licht durch Körperwärme mit der «Hollow Flashlight»

Herzerwärmender als der Glacé-Streit ist die Geschichte der Kanadierin Ann Makosinski. Schon als Kleinkind spielte und experimentierte sie mit Transistoren. In der siebten Klasse erfand sie ein Radio, das sich mit einer Kerze betreiben lässt. Und als sie von einer Freundin aus den Philippinen hörte, die abends mangels Lichtquelle nicht mehr lernen konnte, entwickelte Ann im Alter von 15 Jahren eine thermoelektrische Taschenlampe. Ihre «Hollow Flashlight», die mit der Körperwärme einer Hand zum Leuchten gebracht wird. Damit gewann sie bei der Google Science Fair den ersten Preis.

Damit war und ist ihre kreative Energie noch lange nicht erschöpft. Ihre nächste Erfindung war der eDrink-Kaffeebecher, mit dessen Abwärme sich zum Beispiel ein Smartphone laden lässt. «Mir gefällt der Gedanke, die Welt mit Hilfe der Technologie ein Stück besser zu machen», wird sie im inspirierenden Kinderbuch «Good Night Stories for Rebel Girls» zitiert, das unter anderem auch ihre Geschichte erzählt.

Good Night Stories for Rebel Girls (Deutsch, Elena Favilli, Francesca Cavallo, 2017)
Belletristik
EUR24,–

Good Night Stories for Rebel Girls

Deutsch, Elena Favilli, Francesca Cavallo, 2017

5. Benjamin Franklins Schwimmflossen

Geschichte geschrieben hat auch ein gewisser Benjamin Franklin. Heute wird sein Name natürlich völlig zurecht an erster Stelle mit der Gründung der Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht. Doch Franklin war zeitlebens auch ein Tüftler, der schon viele Jahre zuvor auffällig geworden war. 1717 entwickelte er als 12-jähriger Junge eine frühe Form der Schwimmflossen. Seine Holzpaddel für die Hände ähnelten in Form und Funktion heutigen Modellen aus Kunststoff.

«Ich erinnere mich, dass ich mit diesen Paletten schneller schwamm, aber sie ermüdeten meine Handgelenke», schrieb Franklin später. Und auch um den Vortrieb mit den Füssen machte er sich Gedanken: «Ich befestigte auch eine Art Sandalen an meinen Fusssohlen, war damit aber nicht zufrieden, da ich bemerkte, dass der Schlag teilweise von der Innenseite der Füsse und den Knöcheln und nicht ausschließlich von den Fusssohlen ausgeführt wird.»

Benjamin Franklin war schon als Kind erfinderisch.
Benjamin Franklin war schon als Kind erfinderisch.
Quelle: PD

Für seine Verbundenheit mit dem Schwimmsport und seinen Einfallsreichtum wurde er 1968 posthum in die «Hall of Fame» der Schwimmer aufgenommen. Ausserdem erfand der blitzgescheite Ben im Laufe seines Lebens auch noch die Glasharmonika, den flexiblen Harnkatheter, die Bifokalbrille und – mit seinem Drachen-Experiment – den Blitzableiter. Keine schlechte Bilanz.

Benjamin Franklin (Deutsch, Ernst-Christian Demisch, 2024)
Kinderbücher
EUR16,–

Benjamin Franklin

Deutsch, Ernst-Christian Demisch, 2024

6. Braille und sein Sprachgefühl

Diese Erfindung hat nicht nur Louis Braille selbst eine ganze Welt eröffnet. Das nach ihm benannte Punktschriftsystem ist bis heute zentral für alle, die ihren Alltag blind oder mit stark eingeschränkter Sehkraft meistern müssen. Louis, 1809 in Frankreich geboren, traf dieses Schicksal früh und hart: Mit drei Jahren verletzte er sich mit einer Ahle aus der Werkstatt seines Vaters am Auge. Mit fünf erblindete er an den Folgen dieser Verletzung und begann, nach Lösungen für seine Situation zu suchen.

Louis Braille (Deutsch, Christiane Lesch, Jakob Streit, 1997)
Kinderbücher
EUR14,–

Louis Braille

Deutsch, Christiane Lesch, Jakob Streit, 1997

Seine Schrift entwickelte er bereits als 11-Jähriger, nachdem er ein militärisches Schriftsystem aus Punkten und Silben kennengelernt hatte und diese vereinfachte. Bis sich die Idee endgültig durchsetzte, dauerte es allerdings noch Jahrzehnte. Erst 1850, zwei Jahre vor Brailles Tod, wurde seine Schrift offiziell an französischen Blindenschulen eingeführt.

7. Nissen und das Trampolin

Das Trampolin verdanken wir den Gedankensprüngen des 1914 geborenen George Nissen, den als 11-Jährigen das elastische Auffangnetz bei einer Zirkusnummer inspirierte. Fünf Jahre später begann er, in der Garage seiner Eltern eine alltagstaugliche Version davon zu bauen. Die ersten Stahlteile für den Rahmen fand er auf dem Schrottplatz, seine Idee erwies sich als wertvoll. Nach dem College widmete er sich der Vermarktung und trat mit zwei Freunden und seiner «bouncing machine» in Texas und Mexiko auf. Dort lernte Nissen auch das spanische Wort für Sprungbrett: Trampolín.

IIn der Folge liess er «Trampoline» markenrechtlich schützen und machte aus der Shownummer einen Sport. Als dessen Erfinder und Pionier wird er bis heute erinnert. Der älteste internationale Trampolinwettkampf wird übrigens alle zwei Jahre in der Schweiz ausgetragen und heisst –na klar – Nissen Cup.

Und was überrascht uns morgen? Die nächste Generation erfinderischer Kinder steht schon in den Startlöchern:

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    von Michael Restin

Titelbild: Michael Restin

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