
Hintergrund
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von Luca Fontana
Du denkst, den besten Cameo-Auftritt in einem Superhelden-Film zu kennen? Ich wette dagegen. Denn die Geschichte, die ich dir gleich erzähle, kennen nur die Wenigsten.
Achtung: Spoiler. In diesem Artikel geht es um konkrete Inhalte zu «Spider-Man: Into the Spider-Verse» und «Spider-Man: Across the Spider-Verse». Schau dir zuerst die Filme an, bevor du weiterliest.
Cameo-Auftritte haben bei Marvel-Filmen eine lange Tradition. Unvergessen etwa Samuel L. Jacksons Auftritt in «Iron Man». In einer kurzen After-Credit-Szene eröffnete Jackson dem Hauptcharakter, in ein grösseres Universum getreten zu sein, als ihm bewusst sei – und kündigte damit das Marvel Cinematic Universe an.
Jüngst gab’s in Sonys «Spider-Man: Across the Spider-Verse» einen Cameo-Auftritt. Der ist zwar deutlich kürzer, dafür umso genialer. Schliesslich verbirgt sich eine noch viel grössere Geschichte dahinter als vielen bewusst ist. Die Rede ist von Donald Glovers Live-Action-Prowler:
Unspektakulär? Vielleicht. Was ihn trotzdem so besonders macht, ist, dass er einen bedeutsamen Kreis schliesst. Denn ohne US-Schauspieler Donald Glover gäbe es die fiktionale Figur Miles Morales, wie wir sie kennen, nicht.
Wer sich noch an Marvels und Sonys Co-Produktion «Spider-Man: Homecoming» aus dem Jahr 2017 erinnert, weiss: Glover ist nicht zum ersten Mal in einem Spider-Man-Film aufgetreten. Zu sehen war er nämlich bereits in jener Szene, als Tom Hollands Spider-Man einen Kleinganoven nach dem Verbleib ausserirdischer Waffen befragt: die «A Poor Interrogation»-Szene:
Gespielt wird der Kleinganove von – Glover. Er ist zwar unbeeindruckt von Spider-Mans Drohungen, willigt aber trotzdem ein, zu helfen. Denn der Ganove will nicht, dass sein Neffe in einer Nachbarschaft aufwächst, in der solch gefährliche Waffen im Umlauf sind.
Sein Neffe. Das ist wichtig. Schon zum Kinorelease spekulieren Fans über die Identität des Neffen. Und wollten so Rückschlüsse auf die Identität von Glovers Kleinganoven ziehen. Aber erst Monate später, als Sony im Bonusmaterial des Blu-Ray eine gelöschte Szene veröffentlichte, erhielten die Fans ihre Bestätigung. Der Name des Neffen ist:
Miles.
Fans waren aus dem Häuschen. Es bedeutet nämlich, dass nicht nur Peter Parker, sondern auch Miles Morales im Marvel Cinematic Universe existiert. Selbst wenn wir ihn nie zu Gesicht bekommen werden. Und wenn Glover den Onkel von Miles spielt, dann kennen wir auch seinen Namen: Aaron Davis. Das wiederum bedeutet, dass Glover eines Tages der böse Prowler werden könnte – sofern das MCU der ungefähren Storyline der 2012 veröffentlichten «Ultimate Comics» folgt. Nicht schlecht. Im Comic ist Prowler nämlich nicht nur Miles Morales’ Onkel, sondern auch sein Erzfeind, als Miles von einer Spinne gebissen und zum neuen Spider-Man wird.
Glovers Live-Action-Auftritt als Prowler in «Across the Spider-Verse» könnte also bedeuten, dass mittlerweile genau das passiert ist. Vielleicht sogar im MCU. Vielleicht in einem anderen Universum. Das spielt keine so grosse Rolle. Der Witz ist nämlich nicht, dass Glover bereits zwei Gastauftritte bekommen hat. Der Witz ist, dass Glovers eigentliche Verbindung zu Spider-Man noch viel weiter zurückreicht.
Genau genommen ins Jahr 2010.
Noch bevor Andrew Garfield 2012 als neuer Peter Parker für das Spider-Man-Reboot «The Amazing Spider-Man» gecastet wurde, schrieb Marc Bernardin, einer der damals leitenden Filmredakteuren des Hollywood Reporters:
«Das Letzte, was Spider-Man sein sollte, ist schon wieder ein weisser Typ.»
Bernardin fand Fürsprecher. Fans warfen etliche Namen junger, farbiger Schauspieler in den Spider-Man-Hut potentieller Castings. Einer davon vereinte die Massen: Donald Glover. Glover, der sein Talent einerseits als Autor der 2000er-Jahre-Sitcom «30 Rock» bewiesen hatte. Glover, der andererseits ein aufstrebender Fan-Liebling aus der 2009 gestarteten Hit-Serie «Community» war.
Schon bald wurde sein Name zum Synonym einer der ersten grossen Social-Media-Bewegungen des Internets. Der daraus kreierte Hashtag rangierte 2010 für eine kurze Zeit sogar in den Top 3 der Twitter-Hashtags der USA: #donald4spiderman.
Die Bewegung blieb nicht unbemerkt. Schon gar nicht von Glover. Einerseits hätte er liebend gerne Spider-Man gespielt. Andererseits war er vom Trend so begeistert, dass er sich zusammen mit den «Community»-Machern einen Gag erlaubte: Sie filmten eine kurze Szene, in der Glovers Charakter Troy einen Spider-Man-Pyjama trug.
Sie hatten keine Ahnung, was sie damit auslösten.
Glover wurde zwar nie Spider-Man. Zumindest nicht in einem Live-Action-Film. Wäre er 2017 nicht bereits zu alt für «Homecoming» gewesen, wäre die Wahl vielleicht auf ihn gefallen. Aber was ihm im Kino verwehrt blieb, erreichte er dafür in der Comic- und Zeichentrickfilm-Welt. Denn als Comicautor und -künstler Brian Michael Bendis die Szene in «Community» sah, soll er von der Idee eines Farbigen, der das Spider-Man-Kostüm trägt, so begeistert gewesen sein, dass er sich sofort ans Werk für einen neuen Comic-Helden machte – mit Donald Glover vor seinem geistigen Auge.
Miles Morales wird geboren.
Als Miles Morales’ Spider-Man noch im selben Jahr sein Zeichentrick-Debüt in «Ultimate Spider-Man» gibt, ist schnell entschieden, wer ihm die Stimme leihen soll. Jep: Donald Glover.
Du siehst: Wenn Glover in «Spider-Man: Across the Spider-Verse» dem jungen Miles Morales gegenübertritt, ist das nicht einfach nur ein Gastauftritt oder ein Gag. Es ist ein Kreis, der vor über zehn Jahren seinen Lauf nahm – und sich nun endlich schliesst.
Titelfoto: Disney / Marvel StudiosAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»