Auf die Farbe kommt es an: Von Lichtverschmutzung bis Lichttherapie
Licht ist nicht gleich Licht. Ausschlaggebend für die Wirkung auf uns Menschen ist das Spektrum des Lichts: Während blaues Licht unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, wirkt sich rotes Licht unter anderem positiv auf die Wundheilung aus. Wo im Alltag begegnet uns zu viel Licht und wo oder wann zu wenig?
Licht spielt eine entscheidende Rolle in unserem täglichen Leben und hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit, unsere Stimmung und unser Verhalten. Doch während Sonnenlicht aus Wellenlängen aller für uns sichtbaren elektromagnetischen Spektren (von 380 bis 750 Nanometer) besteht und darüber hinaus auch Infrarotlicht (IR) und ultraviolettes (UV) Licht beinhaltet, sind wir häufig von sogenannten monochromatischen Lichtquellen umgeben, die nur Licht einer bestimmten Wellenlänge abgeben. Besonders blau-weißes Licht, das häufig zu einem hohen Anteil in den üblichen LEDs vorkommt, kann unseren inneren Rhythmus beeinflussen.
Wann und wie viel?
Die Farbe des Lichts, also das emittierte elektromagnetische Spektrum, ist von großer Bedeutung, wenn es um die Wirkung geht. Aber auch die Uhrzeit spielt eine wichtige Rolle: Wer sich abends vor eine Lichttherapielampe mit Blaulicht setzt, hat es vielleicht gut gemeint, tut sich aber nichts Gutes, sondern gaukelt dem inneren Rhythmus vor, es wäre noch helllichter Tag. Wenn du also deiner inneren Uhr unter die Arme greifen willst, achte immer darauf, den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen.
Neben Farbe und Zeitpunkt spielt auch die Lichtintensität eine entscheidende Rolle. Auch wenn bei dir Zuhause alle Lichter leuchten, ist die Lichtintensität (gemessen in Lux) weit von der Stärke im Freien entfernt. Die Beleuchtungsstärke in Wohnräumen liegt bei etwa 100-300 Lux, Büroräume sind oft etwas heller bei 500 Lux. Im Freien hingegen dringen selbst bei grauem Himmel im Winter noch circa 6000 Lux durch die Wolken, im Sommer gar 20 000 Lux. Und da kommen auch wieder die Lichttherapielampen ins Spiel, die ebenfalls mit Stärken bis weit über 10 000 Lux aufwarten.
Blaues Licht reguliert deinen Schlaf-Wach-Rhythmus
Deine biologische Uhr hält deinen Körper in einem regelmäßigen 24-Stunden-Zyklus. Dieser sogenannte zirkadiane Rhythmus (von lateinisch «circa» (ungefähr) und «dies» (Tag)) wird zentral durch den suprachiasmatischen Kern (SCN) im Hypothalamus gesteuert. Dieser Bereich im Gehirn ist für die Synchronisierung der biologischen Uhren des Körpers mit dem 24-Stunden-Hell-Dunkel-Zyklus verantwortlich [1].
Einfluss auf diesen regelmäßigen Zyklus hat vornehmlich Licht mit einer Wellenlänge von etwa 480 nm, das blaue Licht also. Die Exposition gegenüber diesem blauen Licht unterdrückt die Produktion von Melatonin. Dieser Botenstoff, auch Schlafhormon genannt, ist an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Stehst du morgens auf und begrüßt den Tag im Hellen, hemmt das blaue Licht die Melatoninproduktion und dein Körper bekommt das Signal: Es ist Tag, Zeit aktiv zu sein. Eine morgendliche Lichtdusche kann sowohl den Schlaf als auch die Stimmung verbessern [1]. Wird es abends dunkel, kann die Melatoninproduktion wieder anlaufen, Melatonin reichert sich an und dein Körper merkt, dass es Zeit wird zu schlafen. Du wirst müde.
Falsche Signale für die innere Uhr
Soweit die Theorie. Doch in einer Welt erhellt von künstlichem Licht machen wir es der inneren Uhr nicht gerade leicht. Denn nur weil draußen die Sonne untergeht, heißt das noch lange nicht, dass wir im Dunklen sitzen. Ganz im Gegenteil: Gerade LED-Lampen mit ihrem meist hellweißen Licht wie auch Handydisplays und andere Screens emittieren viel blaues Licht. So halten wir uns also künstlich wach, wenn wir abends vor dem Fernseher die Melatoninproduktion noch einmal ausbremsen. Das hat Konsequenzen für unseren Schlaf und unsere Laune und kann zu Schlafstörungen, Fettleibigkeit oder sogar Krebs führen [1].
Jede Uhr tickt anders
Eine Studie aus dem Jahr 2019, bei der auf die individuelle Melatoninproduktion der einzelnen Testpersonen geachtet wurde, ergab aber, dass sich die Reaktion auf blaues Licht zwischen den Individuen stark unterscheidet [6]. Die Forschenden hatten die Versuchspersonen über mehrere Wochen unterschiedlich starkem Licht ausgesetzt und dabei wiederholt das Melatoninlevel in Speichelproben überprüft. Das verwendete Licht entsprach dabei «abendlichen Lichtverhältnissen», wie sie natürlicherweise nach Einsetzen der Dämmerung herrschen. Die Lichtstärke (in Lux) wurde dann variiert, um die minimale Lichtintensität zu identifizieren, die noch zu einer Hemmung der Melatoninproduktion führt.
Dabei zeigte sich, dass die Testpersonen extrem unterschiedlich auf verschiedene Lichtstärken reagierten: Bei manchen reichten bereits sechs Lux (also etwa die Lichtintensität weniger Kerzen), um die Melatoninproduktion zu halbieren. Bei anderen Testpersonen waren für die Halbierung des Melatoninspiegels hingegen 350 Lux erforderlich, das entspricht in etwa heller Innenraumbeleuchtung [6].
Lichtverschmutzung bringt ganze Ökosysteme aus dem Rhythmus
Aber nicht nur für Menschen hat ein «Zuviel zur falschen Zeit» negative Folgen, sondern auch für Tiere und Pflanzen – die ebenfalls ihre inneren Uhren nach dem Licht ausrichten – werden immer mehr in ihren natürlichen Rhythmen gestört [2]. 2021 zeigten Forschende in einer Review-Studie, dass durch die Beeinflussung zirkadianer Rhythmen in der Tierwelt ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten können.
So führt die nächtliche Lichtverschmutzung unter anderem zu einer Verschiebung von Räuber-Beute-Verhältnissen, Nahrungsnetzen und Pflanzen-Bestäuber-Beziehungen [2].
Britischen Forschern gelang es zudem zu zeigen, dass sich in Europa die spektrale Zusammensetzung nächtlicher Beleuchtung in den vergangenen zehn Jahren verschoben hat – hin zu weißen LEDs mit höherem Blauanteil [3]. Sie verglichen dafür Digitalaufnahmen von Astronauten der Internationalen Raumstation von 2012/2013 mit Bildern von 2014-2020. Seit vermehrt energiesparende LEDs statt der zuvor üblichen Gas-Leuchtmittel mit wärmerem Lichtspektrum für die Straßenbeleuchtung eingesetzt werden, hat sich auch das nächtliche Farbspektrum verschoben. Die Forschenden sehen durch die Verschiebung hin zu blauen Emissionen ein erhöhtes Risiko für schädliche Effekte auf Ökosysteme und empfehlen beim Einsatz von LEDs auf einen geringen Blaulichtanteil zu achten.
Jetlag: wenn der Körper noch in der alten Zeitzone steckt
Für uns persönlich treiben wir die Verwirrung unserer inneren Uhr auf die Spitze, wenn wir in ein Flugzeug steigen und in kürzester Zeit in einer ganz anderen Zeitzone ankommen. Während sich die Uhr am Smartphone einfach umstellt, braucht unser Körper länger, um sich neu zu justieren. Die Folge ist ein Jetlag, weil unsere innere Uhr noch in der alten Zeitzone festhängt. Bis die Stoffwechselprozesse sich den neuen Lichtverhältnissen angepasst haben und die innere Uhr in der aktuellen Zeitzone angekommen ist, kann es mehrere Tage, im Extremfall sogar bis zu einer Woche dauern [4]. Man kann seiner inneren Uhr aber auf die Sprünge helfen, indem man schon vor einer langen Flugreise seinen Schlafrhythmus anpasst, sich tagsüber möglichst viel im Sonnenlicht aufhält und auf Alkohol und Koffein verzichtet.
Rotes Licht wirkt entzündungshemmend
Während zu viel blaues Licht aus den genannten Gründen bisweilen ungesund sein kann, ist rotes Licht mit einer Wellenlänge von etwa 620 bis 780 Nanometern für seine positiven Auswirkungen auf den menschlichen Körper bekannt. Es wird häufig in der Lichttherapie eingesetzt, bei der der Körper rotem Licht ausgesetzt wird, um eine Reihe von Gesundheitsproblemen zu behandeln. Studien haben ergeben, dass rotes Licht dazu beitragen kann, Entzündungen zu verringern, die Wundheilung zu beschleunigen und sogar die Symptome von Depressionen zu lindern. Es konnte gezeigt werden, dass Rotlicht-Phototherapie die zelluläre Energieproduktion anregt und so zur Reduzierung von Entzündungsprozessen beiträgt [5]. Rotlichttherapie wird bereits in verschiedenen Medizinbereichen eingesetzt, etwa Dermatologie, Orthopädie und Zahnmedizin. Sie gilt als vielversprechende, nicht-invasive und sichere Behandlungsoption für die Gewebereparatur.
Infrarotstrahlung wärmt und kann Muskelverspannungen lösen
Angrenzend an das rote sichtbare Licht beginnt der Bereich des Infrarotlichts (IR-Licht). Ab einer Wellenlänge von 780 nm spricht man von IR-A-Strahlung, anschließend ab 1400 nm IR-B-Strahlung und schließlich von 3000 nm bis zu einer Wellenlänge von 1 mm IR-C-Strahlung. Du nimmst diese Wellenlängen als Wärmestrahlung wahr. In Medizin und im Wellnessbereich wird IR-Strahlung zur Linderung von Beschwerden eingesetzt. Wenn Infrarotstrahlung in die Haut eindringt, gilt: je kürzer die Wellenlänge, desto größer die Eindringtiefe der Strahlen. Dort regen die elektromagnetischen Wellen die Wassermoleküle zur Schwingung an, es entsteht Wärme. Diese Wärme kann Muskelverspannungen lösen und fördert die Durchblutung. Auch bei manchen Autoimmunerkrankungen kann die wärmende Strahlung helfen und Wundheilungsstörungen entgegenwirken. Wärmelampen und Wärmekabinen kommen im Wellnessbereich zum Einsatz, dabei solltest du immer auf dein Schmerzempfinden achten: Wird es zu warm, solltest du die Behandlung beenden.
Ultraviolettes Licht regt die Vitamin-D-Produktion an
Strahlung mit kürzeren Wellenlängen von 100-400 nm, ultraviolettes (UV) Licht, ist für die Vitamin-D-Produktion relevant – hier hilft weder blaues noch rotes Licht. UV-Strahlung wird in drei Gruppen unterteilt: UV-A (320-400 nm); UV-B (280-320 nm) und UV-C (100-280 nm). Die Ozonschicht in der Stratosphäre absorbiert den UV-C-Anteil im Sonnenlicht, sodass UV-C die Erdoberfläche nicht erreicht.
Der Großteil der UV-Strahlung, die auf der Erdoberfläche ankommt, ist UV-A-Strahlung (etwa 95 Prozent). Die verbleibenden fünf Prozent sind UV-B-Strahlung. Aufgrund des längeren Wellenlängenbereichs von UV-A, kann diese Strahlung tiefer in unsere Haut eindringen als UV-B und UV-C.
UV-A wird mit Hautalterung, Faltenbildung und Hautkrebs in Verbindung gebracht.
UV-B Strahlung erreicht zwar nur die höhergelegene Epidermis, kann aber dort Zellen schädigen, zu Sonnenbrand führen und spielt eine große Rolle bei der Entstehung von Hautkrebs, da sie DNA-Mutationen auslösen kann. UV-B-Strahlung hat aber auch positive Wirkung auf unseren Körper, indem sie die Produktion von Vitamin D anregt. Da die Sonnenstrahlen in unseren Breiten im Winter aber nicht ausreichen, um diesen Stoffwechselprozess anzukurbeln, kann vor allem in der grauen Jahreszeit eine Behandlung mit ultravioletter Strahlung in manchen Fällen vorteilhaft sein. Durch die UV-B Strahlung wird die Produktion von Vitamin D im Körper angeregt. Wer sich aber im Sommer genug im Freien aufhält, hat gute Chancen, seinen Vitamin-D-Speicher ausreichend zu füllen, um damit ohne zusätzliche UV-Dusche über den Winter zu kommen. Mehr über Vitamin D kannst du hier lesen.
Wer übrigens im Solarium seinem Vitamin-D-Spiegel auf die Sprünge helfen will, hat in der Regel schlechte Karten. Zwar wird in Solarien mit UV-Licht bestrahlt, doch meist wird der UV-B-Anteil sehr gering gehalten, da er schneller zu Sonnenbrand führen kann. Hier erfährst du mehr zum Thema UV-Strahlung und worauf du beim Sonnenschutz achten solltest.
Quellen:
[1] Wirz-Justice, A., Skene, D. J., & Cajochen, C. (2018). Effects of Light on Human Circadian Rhythms, Sleep and Mood. Somnologie - Schlafforschung und Schlafmedizin, 22(Suppl 2), 5-9.
[2] Sanders, D., Fröhlich, K., Kolláth, Z., Light Pollution, M., & Ecological Consequences, W. G. (2021). A meta-analysis of biological impacts of artificial light at night. Nature Ecology & Evolution, 5(11), 1363-1371. https://doi.org/10.1038/s41559-020-01322-x
[3] Sánchez de Miguel, A., Bennie, J., Rosenfeld, E., Dzurjak, S., & Gaston, K. J. (2021). Environmental risks from artificial nighttime lighting widespread and increasing across Europe. Science Advances, 7(19), eabl6891. https://doi.org/10.1126/sciadv.abl6891
[4] Waterhouse, J., Reilly, T., Atkinson, G., Edwards, B., & Jet Lag Advisory Group. (2007). Jet lag: trends and coping strategies. The Lancet, 369(9567), 1117-1129. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(07)60529-7
[5] Sharma, S. K., Kharkwal, G. B., & Sajo, M. E. (2017). Red Light Phototherapy in Tissue Repair of Low-Level Laser Therapy. International Journal of Molecular Sciences, 18(6), 1255.
[6] Phillips, A. J. K., Vidafar, P., Burns, A. C., McGlashan, E. M., Anderson, C., Rajaratnam, S. M. W., & Lockley, S. W. (2019). High sensitivity and interindividual variability in the response of the human circadian system to evening light. Proceedings of the National Academy of Sciences, 116(28), 13774-13779. https://doi.org/10.1073/pnas.1901824116
Titelbild: Todd Cravens/Unsplash
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.