Nintendo Bayonetta 3
Switch, Multilingual
Ich wage mich als kompletter «Bayonetta»-Noob an das neueste Hack-and-Slay-Game aus dem Hause Platinum Games. Kann ich auch als Neueinsteiger Spass am letzten Teil der Hexen-Trilogie haben?
Ganze acht Jahre mussten sich «Bayonetta»-Fans auf ein neues Game der Kult-Franchise gedulden. Ich gehöre nicht zu diesen Fans. Die Hexe kenne ich nur beiläufig aus Trailern und Screenshots. Auch andere Games der japanischen Spielschmiede Platinum Games habe ich nie gespielt. Ich stürze mich vollkommen blind und ohne Vorkenntnisse in den dritten Teil der «Bayonetta»-Saga auf der Nintendo Switch und hoffe, dass ich auch als Neueinsteiger Gefallen am verrückten Prügelspiel finde.
Mit der Story bin ich ab der ersten Sekunde des Games völlig überfordert. So viel kann ich mir merken: Ich muss mit der Hexe Bayonetta nicht nur die Welt retten, sondern gleich mehrere Universen vor dem Untergang bewahren. Riesige «Homunculi»-Monster haben es sich zum Ziel gesetzt, alle bekannten Welten auszulöschen, bis nur noch ein Universum, das Alpha-Verse, übrig ist. Die Charaktere und deren Vorgeschichten kenne ich leider nicht. Dass in den verschiedenen Multiversen auch noch Variationen derselben Figuren auftauchen, verwirrt mich umso mehr.
Trotz der absoluten Konfusion unterhalten mich die absurden Zwischensequenzen wunderbar. Die Dialoge werden von den Sprechern und Sprecherinnen kitschig-cool vorgetragen, die schnellen Schnitte sorgen für reichlich Tempo und die absurden Szenarien bringen mich regelmässig zum Lachen und Staunen. In einem Moment tanzt Bayonetta halbnackt vor einem Godzilla-ähnlichen Monster und im anderen surft sie auf einem Kreuzfahrtschiff auf einer Tsunamiwelle über den Hochhäusern von New York. Was sich wie ein verrückter Fiebertraum liest, ist in «Bayonetta 3» ganz normaler Hexen-Alltag.
Besonders gefällt mir, wie cool Bayonetta und ihre übernatürlichen Freunde sind. Das Game strotzt nur so vor Style, Coolness und Kitsch und scheut sich auch nicht, ab und zu nackte Haut zu zeigen. Die schlagfertige Hexe hat die Situation stets im Griff, flirtet unentwegt mit der Kamera (oder flirtet sie mit mir?) und hat immer einen passenden Spruch auf Lager. Findest du das Ganze ein bisschen zu sexy und zu cool, kannst du den «Naive Angel»-Modus aktivieren. Mit dieser Funktion rauchen die Charaktere Donuts statt Zigarren und Bayonettas nackte Haut wird mit reichlich Kleidungsstücken bedeckt.
Neben der Story bereitet mir auch das komplexe Kampfsystem anfangs ziemliche Kopfschmerzen. Das Grundprinzip verstehe ich schnell, habe aber Mühe, mir alle Kombinationsmöglichkeiten im Kampf zu merken und umzusetzen. Aber der Reihe nach.
Mit den A-, X- und Y-Knöpfen greife ich Gegner auf dem Schlachtfeld mit Fern- und Nahkampfwaffen an. Mit dem B-Knopf kann ich springen und mit dem ZR-Knopf weiche ich gegnerischen Angriffen aus. Durch perfektes Timing beim Ausweichen aktiviere ich die «Witch Time». So kann ich die Homunculi in Zeitlupe vermöbeln und meinen Score in die Höhe treiben – das fühlt sich sehr befriedigend an und macht sofort süchtig.
Neu kann Bayonetta im Kampf auch diverse Kaiju – also Riesenmonster – beschwören. Mit der ZL-Taste schicke ich unter anderem Riesenspinnen, Godzilla-Echsen und dämonische Züge auf Gegner los oder ich setze sie am Ende einer Angriffskombination für einen verheerenden finalen Schlag ein. Für noch mehr Variation im Kampfgeschehen sorgen die verschiedenen Waffensets, die ich im Verlauf des Spiels freischalte. Die Sets reichen von kleinen, agilen Waffen bis hin zu schwerfälligen Riesenwaffen, mit denen ich meine Angriffe ganz genau timen muss. Die Waffen, Kaijus und Bayonettas Fähigkeiten können zudem mit dem Freischalten von neuen Skills laufend ausgebaut werden.
Ab und zu übernehme ich auch die Rolle von Bayonettas Begleiterin Viola. Die Punk-Hexe spielt sich vor allem in der Defensive komplett anders als Bayonetta. Statt mit perfekt getimten Ausweichmanövern zu punkten, muss ich mit Viola gegnerische Angriffe blocken. Ein kleiner Unterschied, der aber grosse Auswirkungen auf den Spielfluss hat. Ich persönlich bevorzuge die flüssigere Ausweich-Mechanik, weil sie mehr Bewegung und Dynamik in die Kämpfe bringt.
Mit all diesen Optionen sind die Kombinationsmöglichkeiten im Kampf schier unendlich. Wer die zahlreichen Tastenkombinationen auswendig kennt und perfekt ausweichen kann, spielt sich schnell in einen Highscore-Rausch. Für Anfänger wie mich artet das Ganze aber oft in einem frustrierenden Chaos auf dem Schlachtfeld aus. Das liegt vor allem an der uneindeutigen visuellen Kommunikation des Spiels. Die Kämpfe sind eine echte Reizüberflutung – es kracht, blitzt und explodiert ständig überall etwas. Visuelle Hinweise für das richtige Timing bei Angriffskombinationen gehen dadurch schnell im Chaos unter.
Auch die nervige Kameraführung erschwert mir den Einstieg in das Kampfsystem. Vor allem bei grösseren Gegnern verschwindet Bayonetta oft irgendwo im Kampfgetümmel und meine Angriffskombinationen werden durch unfaire, für mich nicht sichtbare Angriffe unterbrochen. Das präzise Blocken von Angriffen mit Viola ist mit der teils sehr weit entfernten Kamera und der schlecht einschätzbaren Distanz zum Gegner ebenfalls frustrierend.
«Bayonetta 3» bietet auch abseits der Kämpfe reichlich Abwechslung. Das Game strotzt nur so vor verrückten Ideen. Die Levels sind visuell abwechslungsreich und führen mich in zerstörte Grossstädte, weitläufige Wüsten und feurige Höllenlandschaften. Ich werde immer wieder von aufwändig inszenierten Set-Pieces – also besonders actiongeladenen Sequenzen – überrascht, in denen ich mit Kaijus gegen andere Riesenmonster antrete oder mich in sensationellen Verfolgungsjagden durch zusammenbrechende Levels kämpfen muss. Sogar einige kleine 2D-Stealth-Levels gilt es im Verlauf des Spiels zu absolvieren.
Trotz der hohen Ideendichte fühlt sich das Game bisweilen repetitiv an. Das liegt vor allem an den öde designten Schlauch-Levels und den mitunter unspektakulären Designs der nicht enden wollenden Homunculi-Gegnerhorden.
Der grösste Schwachpunkt des Games ist für mich die Grafik. Die verrückten Ideen und ambitionierten Action-Szenen werden durch die beschränkten grafischen Darstellungsmöglichkeiten der alternden Switch-Hardware ausgebremst. Verwaschene Texturen, gut sichtbare Pop-In-Effekte und Framerate-Einbrüche trüben das Gesamtbild massiv. Zudem läuft das Game – vor allem im Handheld-Modus – sehr niedrig aufgelöst. Die Umwelt, Charaktere und Gegner sehen unscharf aus und das starke Kantenflimmern nervt mich schon nach wenigen Minuten Spielzeit. Je nach Spielumgebung können die technischen Defizite durch das stimmige Art-Design wettgemacht werden. In einigen Levels sieht das Game aber aus wie ein Spiel aus der frühen PS3-Ära.
Nach rund 13 Stunden Spielzeit bin ich am Ende von Bayonettas Multiversum-Abenteuer angekommen. Ich brauche erst mal eine kurze Verschnaufpause. Das verrückte Hack-and-Slay-Abenteuer gleicht einer wilden Achterbahnfahrt, die mich pausenlos mit neuen Reizen überflutet. Als Genre-Neuling fiel es mir nicht einfach, einen Zugang zum komplexen Kampfsystem und zur frustrierenden Kamera zu finden. Die Momente, in denen ich erfolgreich Kombos durchführte und reihenweise Gegner niedermetzelte, fühlten sich dafür umso befriedigender an.
Die coole Inszenierung und die hohe Ideendichte des Games werden teilweise durch repetitive Gameplay-Elemente und eine altbackene grafische Darstellung ausgebremst. Alles in allem hat das Game aber einen durchaus positiven Eindruck bei mir hinterlassen. Der einzigartige Mix aus Coolness, Kitsch, verrücktem Storytelling und chaotischer Action sucht nicht nur auf der Switch seinesgleichen.
Nachdem ich mich ein bisschen erholt habe, werde ich den beiden «Bayonetta»-Vorgängern definitiv eine Chance geben und mich auch durch die restlichen Spiele aus dem Platinum Games Katalog kämpfen.
«Bayonetta 3» ist für die Nintendo Switch erhältlich. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Nintendo zur Verfügung gestellt.
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.