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10 Tage meditieren und dadurch besser fotografieren
von Denny Phan
Wer sich viel Zeit nimmt beim Fotografieren, macht im Durchschnitt auch bessere Fotos. Doch was tun, wenn man schlicht keine Zeit hat? Einige Tipps für hektische Momente.
Fotografieren braucht Zeit. Und die hat man oft nicht. Der Hinweis, dass man sich gerade dann Zeit nehmen muss, wenn man sie nicht hat, ist natürlich richtig. Aber es gibt halt Situationen, in denen das nicht ohne Weiteres geht.
Bei Sport und Action ist ja klar, dass es im entscheidenden Moment schnell gehen muss. Aber auch beim Fotografieren von Gebäuden und Landschaften kann das der Fall sein. Ich mache jedes Jahr eine einwöchige Wanderung in einer grösseren Gruppe. Wir kommen an den entlegensten Orten mit den eindrücklichsten Berglandschaften vorbei. Da kann man eindrückliche Fotos schiessen. Aber der Fokus der Gruppe liegt auf dem Wandern, nicht auf dem Fotografieren. Die Etappen sind teilweise streng, die Leute müssen zusammenbleiben. Daher kann ich nicht alle zwei Minuten anhalten und fünf Minuten an der Bildkomposition arbeiten. Bei einem Städte-Sightseeing in einer grösseren Gruppe ist die Situation etwas lockerer, aber im Prinzip ähnlich: Entweder du fotografierst schnell oder du bist nach kurzer Zeit von der Gruppe abgehängt.
Auf besagter Wanderung muss ich meine Kamera immer erst aus der Tasche holen und einschalten. Dadurch verstreicht Zeit, aber es geht nicht anders. Die Hände brauche ich für die Stöcke, und die Kamera um den Hals baumeln zu lassen, ist auch nicht praktikabel.
Mit einer Halterung für den Gürtel hast du die Kamera schneller zur Hand. Gleiches gilt für spezielle Tragriemen. Die Kamera hängt dann so, dass das Objektiv nach unten statt nach vorne zeigt, und der Riemen kann diagonal über die Schulter getragen werden. Bereitschaftstaschen verstauen die Kamera so, dass sie schnell einsatzbereit ist.
Aber trotz dieser durchaus nützlichen Hilfsmittel brauchst du Strategien, wie du mit wenig Zeit ein gutes Foto machst.
Manuelle Einstellungen brauchen eh schon mehr Zeit. Hinzu kommt, dass beim nächsten Einsatz der Kamera vielleicht schon wieder andere Einstellungen gefragt sind – und dann vergisst man in der Hektik, etwas zurückzustellen. Ich habe so schon Fotos bei schönstem Sonnenschein und ISO 3200 gemacht oder noch schlimmer, eine Reihe von Bildern überbelichtet, weil die Blende von der vorherigen Serie her noch voll offen war. Ich empfehle daher, mit Automatik zu fotografieren. Aber nicht mit der Vollautomatik, sondern mit der Programmautomatik (Modus «P»).
Bei der Vollautomatik wählt die Kamera alle Einstellungen selbst, oft aktiviert sie sogar ein Spezialprogramm wie den HDR-Modus selbstständig. Dadurch musst du zwar nie einen Gedanken an irgendwelche Einstellungen verschwenden, dafür hast du auch null Kontrolle darüber, was die Kamera tut.
Bei der Programmautomatik wählt die Kamera Blende und Belichtungszeit selbstständig aus. Alles andere kannst du manuell oder automatisch einstellen, je nach Vorlieben. So kannst du dir eine Automatik zusammenstellen, die zu dir passt. Ich stelle zum Beispiel den Blitz immer auf manuell (sprich: auf ausgeschaltet), da ich Blitzlicht nicht mag und nur im äussersten Notfall verwende. Die ISO-Empfindlichkeit schalte ich dagegen auf automatisch, sonst gibt es öfter mal unterbelichtete oder verwackelte Bilder. An sehr vielen Kameras kannst du bei der ISO-Automatik eine obere Grenze setzen, um allzu krasses Rauschen zu vermeiden.
Auch die Balance zwischen Blende und Belichtungszeit kannst du in der Programmautomatik steuern, indem du am Kontrollrad in die eine oder andere Richtung drehst. Du musst also nicht in den A- oder S- Modus wechseln, wenn du die Blende und Belichtungszeit beeinflussen willst. Das Zurücksetzen auf den Standardwert geht meist am einfachsten durch Verlassen und Wiederaktivieren des P-Modus.
Viele Kameras bieten die Möglichkeit, benutzerdefinierte Einstellungen abzuspeichern. Das kannst du natürlich nutzen, um dir ein «Stress-Preset» einzurichten. Ich verwende diese User-Modi allerdings lieber für sehr spezielle Einstellungen, zum Beispiel Schwarzweiss-Fotos mit hohem Kontrast. Die allgemeinen Einstellungen, die ich üblicherweise benutze, sind dann im normalen P-Modus gespeichert. So oder so: Wirf vor dem Abdrücken immer einen Kontrollblick aufs Moduswählrad.
Zurück zum Beispiel Wanderung: Ich komme um die Ecke und vor mir eröffnet sich die Aussicht auf ein schönes Tal oder einen besonders markanten Felsen. «Sofort die Kamera hervorholen und abdrücken», lautet meine spontane Reaktion. Sie ist falsch. Richtig wäre, zu überlegen, ob jetzt die einzige Gelegenheit für eine Aufnahme ist oder ob sich die Situation auf dem weiteren Weg noch verbessert. Komme ich noch näher heran? Wenn ja, ist das besser oder bin ich schon zu nah? Kommt eine spannendere Perspektive, von weiter oben zum Beispiel? Wird sich der Winkel zum Licht verbessern oder verschlechtern? Wie ist der Himmel? Kommt bald die Sonne hervor? Solche Überlegungen musst du permanent anstellen, wenn du mit der Kamera zu Fuss unterwegs bist.
Wenn du vorausahnst, dass bald der richtige Moment kommt, kannst du auch im Gehen schon die Kamera bereit machen. So sparst du auch wieder ein paar Augenblicke.
Situationen zu antizipieren ist auch das A und O in der Sportfotografie. Darum ist es so wichtig, dass der Fotograf die Sportart kennt. Eishockey ist das beste Beispiel: Wer das Spiel nicht (voraus-)lesen kann, weiss die Hälfte der Zeit nicht, wo der Puck ist. Bei manchen Sportarten ist es viel einfacher. Bei Rennen, egal ob zu Fuss, mit dem Velo, Auto, oder Wok, ist die Bewegungsrichtung klar.
Letztlich gilt das Motto «vorausschauend fotografieren» immer und überall. Beobachte Menschen, versuche Wiederholungen zu erkennen und zu erahnen, was als nächstes passiert, immer schon vor dem Griff zur Kamera. Das geht sowieso viel besser, wenn du nicht durch den Sucher guckst. Egal, ob unter Zeitdruck oder nicht: Kamera einschalten und abdrücken ist erst der letzte Schritt der Arbeit.
Es gibt auch Situationen, wo weder jetzt noch später der richtige Moment ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn etwas schlicht zu weit weg ist. Oder wenn das Licht so schlecht ist, dass ich aus Erfahrung weiss: Das kommt nicht gut, das brauche ich gar nicht erst zu versuchen. Sehr oft passiert es mir auch, dass das Foto zwar gelingt, aber nur ein weiteres von tausend ähnlichen ist. Letztlich stellt sich also die Frage: «Muss dieses Bild wirklich sein?» Im Analogzeitalter, als jedes Foto bares Geld kostete, war dieser Gedanke selbstverständlich – er ist auch heute hilfreich.
Je mehr Erfahrung du hast, desto besser weisst du, wann du dein Gerät gar nicht erst auspacken und einschalten musst. Dadurch verschwendest du weniger Zeit für sinnlose Unterfangen. Du kannst dich auf die erfolgsversprechenden Situationen beschränken, wo du dafür etwas mehr Zeit hast.
Wenig Zeit führt zu wenig Präzision. Dem kannst du entgegenwirken, indem du dort Pufferzonen einbaust, wo Probleme zu erwarten sind.
Belichtung: Ein Foto sollte natürlich weder über- noch unterbelichtet sein, aber das ist nicht immer möglich. In dem Fall ist Unterbelichtung das kleinere Übel, weil sie sich gut nachträglich korrigieren lässt. Durch Aufhellen des Bildes oder auch nur der Schattenpartien in der Bildbearbeitung wird das Ergebnis in der Regel ganz gut. Überbelichtete Stellen dagegen sind einfach weiss und bleiben es auch. Die Bildinformation ist weg und kann nicht durch Nachbearbeitung wieder herbeigezaubert werden. Besonders bei Sonnenlicht rate ich dir, die Belichtungskorrektur auf –0.3 EV oder –0.7 EV zu stellen.
Ein stark überbelichtetes Bild. Alles ausser dem Felsen ist weiss.
Durch nachträgliches Abdunkeln können die weissen Bildteile nicht mehr gerettet werden.
Zum Vergleich ein unterbelichtetes Bild. Da lässt sich in der Nachbearbeitung sehr viel herausholen.
Die schwarzen Partien konnten problemlos aufgehellt werden.
Bildausschnitt: Das Motiv soll möglichst gross aufs Bild, aber es sollen keine entscheidenden Partien abgeschnitten werden (der Klassiker: abgeschnittene Füsse). Lass aus Sicherheitsgründen lieber etwas zu viel Rand als zu wenig. Du kannst das Bild später am Computer immer noch beschneiden, und dann präzis.
Keine schiefen Bilder: Beim nachträglichen Begradigen von schiefen Bildern geht besonders viel Fläche verloren. Hier nützen manchmal auch dicke Sicherheitsränder nichts mehr. Darum: Halt unbedingt die Kamera gerade, auch wenn's pressiert! Blende dazu die Gitterlinien in deiner Kamera ein oder wenn vorhanden, die «Wasserwaage»: Sie zeigt direkt an, ob du die Kamera gerade hältst.
RAW-Format: Fotos im RAW-Format speichern mehr Helligkeits- und Farbabstufungen. Bei der Umwandlung in JPEG gehen diese Abstufungen zwar wieder verloren, aber zuvor lässt sich das Bild flexibler anpassen. Relativ stark unterbelichtete Bilder etwa können besser repariert werden als wenn die Kamera direkt JPEGs schreibt. Gerade unter Zeitdruck kann aber RAW auch ein Nachteil sein. Weil die Dateien viel grösser werden, braucht die Kamera mehr Zeit, um alles auf die Karte zu schreiben.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.