Bring dein Gehirn auf Touren: Was dir rasch hilft, schlauer zu werden
Unkonzentriert, vergesslich, Probleme beim Lernen? Willkommen im Club der Überforderten. Dann probiere einmal, kleine Brain-Booster in den Alltag zu integrieren. Ich sage dir, wie das geht.
Talkmasterin Oprah Winfrey hat den Anfang gemacht. In einem Auftritt in der Sendung «The Ellen Show» lüftete sie 2020 ein gut gehütetes Branchengeheimnis und verriet, wie sie – und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen – es schaffen, sich für ihre Interviews vor laufender Kamera problemlos Namen und Fakten zu merken. Sie gestand, Gehirn-Doping zu betreiben.
Kleine Pillen sollen ihr dabei helfen, ihre Konzentrationsfähigkeit, Stressresistenz und Denkgeschwindigkeit zu steigern. Neben Gingko enthält das von ihr verwendete Mittel unter anderem Vinpocetin, einen natürlichen Stoffs, der im Kleinen Immergrün vorkommt. Als Arzneistoff verwendet, erweitert Vinpocetin die Blutgefäße im Gehirn und wurde schon als Medikament bei Demenz erprobt. Unter anderem dank Oprahs Bewerbung im TV sind solche Brainbooster, auch Nootropika, kognitive Enhancer oder Smart Drugs genannt, inzwischen ein Milliardengeschäft.
Dabei ist die Wirkweise der alles andere als günstigen Mittel nicht hinlänglich wissenschaftlich erforscht bzw. erwiesen. Und auch Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen kommen recht häufig vor – wie Oprah selbst feststellen musste. Deshalb schwört sie denn auch noch auf eine weitere Brain-Boost-Strategie: Sie leistet sich mit Jim Kwik einen eigenen Gehirn-Trainer. Von ihm lässt sie sich nicht nur Ernährungs- und Lifestyletipps geben, sondern auch Übungen zeigen. Ab 400 Dollar aufwärts kosten seine Dienste für Normalos – und: viel Zeit. Denn seine Programme dauern sieben bis 31 Tage. Ob das alles dann einfach ein ziemlich teuer erkaufter Placebo-Effekt ist, sei mal dahingestellt.
Aber du kannst dir auch einfach aus den folgenden Hacks dein eigenes Brainbooster-Programm zusammenstellen. Sie sind gratis und in wenigen Sekunden umsetzbar.
Brain Booster 1: Lach mal wieder
Lachen wirkt sich positiv auf dein Gehirn aus. Du baust durch Lachen nicht nur jenen Stress ab, der oft dein Denken blockiert, indem es Neurotransmitter im Gehirn freisetzt. Du richtest deine Aufmerksamkeit auch wieder weg von ärgerlichen Dingen, die dich sonst lähmen und deine Lernfähigkeit beeinträchtigen.
Studien zeigen: Bereits der einfache Akt des Lächelns erhöht die Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, Probleme ganzheitlich zu betrachten. Noch stärker ist der Effekt beim Lachen: «Im Gegensatz zu anderen emotionalen Reaktionen, die auf bestimmte Bereiche des Gehirns beschränkt sind, werden beim Lachen mehrere Regionen des gesamten Gehirns angesprochen. Wir können breiter und freier assoziieren und damit kreativer und lösungsorientierter an Probleme herangehen», sagt Daniel Goleman, Psychologe und Autor von «Emotionale Intelligenz».
Brain Booster 2: Setze auf gezieltes Multitasking
Gemeinhin hat Multitasking eher einen bescheidenen Ruf, zumal es de facto gar nicht möglich ist. Zwar wird bewundert, wer scheinbar mehrere Dinge gleichzeitig tun kann. Doch oft wird angezweifelt, ob man wirklich voll konzentriert und «ganz bei der Sache war» – und das zu Recht.
Es lohnt sich aber, Multitasking mal anders zu betrachten. Und zwar im Sinne des Lernens: Während früher die Meinung vorherrschte, Menschen seien entweder «rechtshirnig» oder «linkshirnig», so weiß man heute: Die Hirnhälften-Dominanz hängt von der Aufgabe ab und nicht von der Person. Wenn du etwa ein Buch liest, dann ist deine linke Gehirnhemisphäre für abstraktes Denken stark beschäftigt. Malst du hingegen ein Aquarell, ist die rechte aktiv, die für räumliches Denken oder bildhafte Zusammenhänge zuständig ist.
2013 wurde in einem Forschungsprojekt entdeckt: Einer der Hauptunterschiede zwischen Albert Einsteins Gehirn und dem von Normalos war ein ungewöhnlich Grosser Corpus Callosum. So nennt man das Nervenbündel, das die beiden Hemisphären miteinander verbindet. Einstein war deshalb in der Lage, sein ganzes Hirn auf einmal zu nutzen, um komplexe wissenschaftliche und mathematische Konzepte zu «sehen» und zu verstehen.
Du bist vielleicht nicht Einstein, aber du kannst ebenfalls dein gesamtes Gehirn aktivieren: «Das geht nicht nur durch Neurofeedbacktraining, sondern auch ganz schnell zwischendurch im Alltag durch gezieltes, niederschwelliges Multitasking», sagt Theo Marins, Biomediziner am D’Or Institute for Research and Education (IDOR). Dabei beziehst du deine rechte Gehirnhälfte in Aufgaben der linken Gehirnhälfte mit ein. Leg zum Beispiel Musik auf, kritzle etwas oder tanze unter dem Tisch Samba mit den Füßen, wenn du das nächste Mal an einer Tabelle oder einer PowerPoint-Präsentation arbeitest.
Brain Booster 3: Iss Indisch
Es gibt eine Menge Lebensmittel, die dem Gehirn helfen, wichtige Botenstoffe zu bilden und so die geistige Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Allein schon die Brainfood-Listen des Verbraucherportals des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz reichen von Nüssen über Heidelbeeren bis hin zu Kichererbsen und von Vitamin A über Eisen bis hin zu ausreichend Wasser.
Besonders hervor tut sich aber Kurkuma, ein Gewürz, das in vielen indischen Currygerichten enthalten ist. «Es verbessert nachweislich das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten – und dies in nur einer Stunde», sagt Dr. Michelle Schoffro Cook, Ernährungsexpertin und Autorin des Bestsellers «Boost your Brain Power in 60 Seconds». Ihre Aussage basiert auf mehreren Forschungsprojekten, unter anderem auf einer Studie, die im Journal of Psychopharmacology veröffentlicht wurde. Die Doppelblindstudie untersuchte die Auswirkungen von Curcumin, eines der aktiven Inhaltsstoffe von Kurkuma, auf Erwachsene. Bereits eine Stunde nach der Einnahme eines entsprechenden Nahrungsergänzungsmittels zeigten die Probanden im Vergleich zur Placebogruppe eine deutliche Leistungssteigerung bei Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsaufgaben.
Brain Booster 4: Schreibe mit der Hand
Mit der Digitalisierung kommen handschriftliche Notizen zunehmend aus der Mode. Tastatur und Display sind praktisch, aber deinem Erinnerungsvermögen tust du keinen Gefallen, wenn du tippst statt schreibst. Forschende der Universität Indiana waren die ersten, die herausfanden: Man merkt sich Inhalte besser, wenn man sie auf Papier nachliest und vor allem: vorher mit der Hand verfasst hat. Seitdem wurden ihre Ergebnisse vielfach in anderen Studien bestätigt.
«Das Anfertigen von Notizen mit der Hand stimuliert das ‚visuelle Notieren‘. Anstatt blindlings zu tippen, muss der Schreiber darüber nachdenken, was er aufschreiben möchte. Und dann können die Schlüsselwörter etwa durch Kästchen und Pfeile miteinander verbunden und durch kleine Zeichnungen ergänzt werden», sagt die norwegische Neuropsychologin Audrey van der Meer, die eine der Studien zum Schreiben mit der Hand leitete. Ihre Probanden waren zwar Schulkinder, «doch für Erwachsene gibt es ähnliche Effekte.»
Zudem erfordert das Schreiben andere kognitive Prozesse als Tippen. «Die komplizierten Bewegungen aktivieren mehrere Bereiche des Gehirns und diese erhöhte Hirnaktivität gibt dem Gehirn mehr Haken, an denen man seine Erinnerungen aufhängen kann», erklärt van der Meer. «Ganz nebenbei scheinen diese Prozesse also das Gehirn für das Lernen zu öffnen.»
Brain Booster 5: Liebe deine Fehler
Mit Platz 15 ganz weit oben auf der Liste der 100 häufigsten Phobien: Atychiphobie, die Angst zu scheitern und Fehler zu machen. Diese Angst ist aber nicht nur unangenehm, sondern auch eines der größten Hindernisse für geistiges Wachstum: Weil Fehlervermeidung unweigerlich dazu führt, dass die Komfortzone nicht mehr verlassen und dadurch auch nichts dazugelernt wird.
Zeit umzudenken und Fehler lieben zu lernen. Denn «Fehler sind für den Lernprozess unerlässlich und Scheitern ist wertvoll. Durch den konstruktiven Umgang damit kommen wir zu intellektuellen Durchbrüchen und verinnerlichen Erfahrungen tief und dauerhaft», sagt William Westney, Autor von «The Perfect Wrong Note».
Sein Tipp: «Anstatt jeden Fehler als Schritt zum Scheitern zu sehen, sollten wir ihn intellektuell als produktives Lernen verstehen. Dabei hilft ein Spruch, der Thomas Edison zugeschrieben wird: ,Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10 000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.‘ Machen wir ihn zu unserem Mantra.»
Titelfoto: shutterstockGäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!
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