Carbon Mobile Carbon 1 MK II
256 GB, Original Carbon Fiber, 6.01", Dual SIM + SD, 16 Mpx, 4G
Herbe Enttäuschung: Das Carbon Mobile 1 Mk II ist gross angekündigt worden, ist aber noch hoch experimentell. Mit Ausnahme der Carbonrückseite, die definitiv einen genaueren Blick wert ist.
«Einen Artikel über Carbon Mobile von Dir wäre interessant», schreibt Nutzer Nimrod87 in der Kommentarspalte.
«Vaporware», denk ich mir. Etwas, das gross angekündigt wurde, dann aber nie auf den Markt gekommen ist. Denn seit 2016 geistert Carbon Mobile, ein deutscher Hersteller mit Wurzeln in den Vereinigten Arabischen Emiraten in der Tech-Welt herum. Da war mal ein Smartphone, das an Messen gezeigt wurde. Journalisten haben es in den Händen gehalten. Aber auf dem Markt war nie etwas.
Daher: Vaporware
Drei Tage später liegt ein Carbon Mobile 1 Mk II bei mir im Briefkasten.
Carbon Mobile Carbon 1 MK II
256 GB, Original Carbon Fiber, 6.01", Dual SIM + SD, 16 Mpx, 4G
Ich wünschte, das Teil wäre Vaporware geblieben. Denn abgesehen vom Karbon ist das Teil Schrott.
Das Carbon Mobile 1 Mk II wiegt 126 Gramm. Einhundertsechsundzwanzig. Das ist extrem wenig. Carbon Mobile will dir gerne erzählen, dass das Karbon der Grund ist. Denn Karbon ist leichter als Glas, leichter als Metall. Stimmt. Da ich das Carbon Mobile, obwohl ich es an die Wand klatschen will, nicht zerstören möchte, habe ich ein altes iPhone 11 Pro Max zerlegt. Im vergangenen Jahr. Der Akku wiegt 57 Gramm bei einem Gesamtgewicht von 228 Gramm. Die Backplate, also das Teil, das bei Carbon Mobile aus Karbon ist, 80 Gramm.
Doch Carbon Mobile hat nicht nur am Material auf der Rückseite gespart. Der Akku ist auch kleiner. Wir können sogar ausrechnen, wie schwer der Akku im 1 Mk II ist, sofern das so gerechnet werden kann. Der 57 Gramm schwere iPhone-Akku hat 3969 mAh. Das Carbon Mobile hat 3000 mAh.
57/3969*3000 = 43.0839002268
Der Akku dürfte rund 43.1 Gramm wiegen, also etwa einen Drittel des Gesamtgewichts von 125 Gramm. Das kann ich ziemlich genau berechnen, da beide Phones sich auf die fundamental selbe Akkutechnologie verlassen. Beim System-on-a-Chip (SoC) ginge das jetzt nicht. Denn wo das iPhone 11 Pro Max einen aktuellen A13 Bionic verbaut hat, hat sich Carbon Mobile gedacht, dass sie sich auf steinzeitliche Technologie verlassen.
Der verbaute MediaTek Helio P90 ist anno 2018 vorgestellt worden als SoC im oberen Mittelfeld. Kurz: Dein Toaster hat sehr wahrscheinlich mehr Rechenleistung als der Helio. Und der kostete dich keine 800 Franken.
Denn das ist es, was mich je länger ich das Teil getestet habe, zunehmed wütender gemacht hat. Wie kann es ein Hersteller wagen, so unverschämt hohe Preise zu verlangen für etwas, das bestenfalls die Leistung einer elektrischen Zahnbürste hat? Nur weil Carbon Mobile sagt, dass jedes Phone handgemacht ist und der Fertigungsprozess noch nie dagewesen ist?
Noch besser: Der Helio ist so veraltet, dass er Strom frisst ohne Ende. Andere Hersteller bauen ihre SoCs auf einer 5nm-Architektur auf. Vereinfacht gesagt: Je kleiner die nm-Zahl, desto länger hält der Akku. Der A13 Bionic läuft auf 7nm, der aktuelle A14 Bionic läuft auf 5nm. Der Helio P90 läuft auf 12nm. Zwölf.
Gut, der Akku hält trotzdem ewig, denn sobald du das Carbon Mobile 1 Mk II benutzen willst, dann vergeht dir die Lust, selbst wenn du dich mit der leidigen Hardware und dem klaffenden Loch in deinem Portemonnaie abfinden kannst.
Wenn du als Android-Phone-Hersteller ein Phone baust, dann investierst du grosse Teile deines Budgets in die Hardware. Gut, denn so bringst du Leistung. Carbon Mobile muss da noch mehr investieren, denn bislang können wohl nur wenige Werke die Backplate aus Carbon herstellen. Das macht den Fertigungsprozess teurer. Damit die Software dann funktioniert, hat Google eine universelle, schnell aktualisierte und von Google gewartete Android-Distro parat. Android One ist schnell aktualisiert, sieht schick aus. Alles, was ein Hersteller tun muss, ist einige Schnittstellen so zu bedienen, dass sie Android-One-konform sind.
Nicht so Carbon Mobile.
Nein, der Hersteller hat sich gedacht «kann so schwer nicht sein» und schickt sich an, eine eigene Android-Distro auf den Markt zu bringen. Die sieht gar nicht mal so übel aus. Schwarz und blau, getrimmt auf edel. Du startest also das Phone, installierst ein paar Apps und merkst: Die tauchen alle rechts vom Home Screen auf. Gut, da willst du sie nicht, aber jede Android-Distro macht das. Du löschst die Verknüpfungen vom zweiten Screen.
Zwei Minuten später sind sie wieder da.
Das verdammte Android der Carboner erlaubt es dir nicht, die Apps vom zweiten Home Screen zu entfernen. Ich erinnere mich an mein HTC Desire anno 2010. Das konnte das unter Android 2.2. Carbon Mobile hat Android 10 so gut zerschossen, dass diese elf Jahre alte Funktionalität nicht mehr funktioniert. Gehen wir davon aus, dass da normales Development vor sich geht: Wie hart ist der interne Software-Test gescheitert, dass das auf den Markt kommt? Für 800 Stutz!
Das ist eine Frechheit.
Im System Update vom 8. April 2021 hat Carbon Mobile den Bug mit den wieder auftauchenden Icons gefixt. Jetzt hast du eine schick aussehende Android-Distro, die sich eigentlich nur rein optisch vom Rest der Android-Distros unterscheidet.
Blau und schwarz? Looking good.
Apropos Frechheit: Schau dir mal die Bilder der Kamera des Carbon Mobile 1 Mk II an.
Zum Vergleich: Dasselbe Bild aus der Kamera des Oppo Find X3 Pro, einem wahren Flaggschiff. Das Stativ steht unverändert an derselben Stelle. Alle Einstellungen sind auf Standard belassen.
Und darauf ist Carbon Mobile auch noch stolz. «Take Photos like a Pro» steht da auf ihrer deutschen Website, die abgesehen von Ausnahmen nur auf Englisch stattfindet. Kollegen, das Wort «Über» macht eine Website noch nicht Deutsch. Gut, das könnte damit zusammenhängen, dass Carbon Mobile keine deutsche Firma ist. Carbon Mobile ist ein Unternehmen aus dem internationalen Feld, also nicht wirklich zu einer Nation gehörig. In Deutschland hat Carbon Mobile dann fruchtbaren Boden für sein Start Up gefunden. Daran ist nichts falsch und abgesehen vom Marketing-Schwurbelsatz «Born in Germany», der eigentlich nichts heisst, wird auf der Webseite nicht wirklich viel Germanität gemacht. Hätte ich ein Start Up würde ich mir auch überlegen, wo ich das geographisch ansiedeln würde. Die Zürcher Innenstadt wäre es sehr wahrscheinlich nicht.
Trotzdem: Du sollst Bilder wie ein Profi machen können. Beim Kameratest im selben Tal, in dem ich das Oppo Find X3 Pro getestet habe, wird klar, was Carbon Mobile unter «Pro» versteht.
Kartoffelqualität.
Ich erinnere mich an mein HTC M8 von Anno 2014. Die Bilder sahen qualitativ etwa gleich aus.
Noch skandalöser wird es, wenn du die Videofunktion ausprobierst. Irgendwas verhaut die Kamera da grob mit dem Hintergrund. Und nein, das ist nicht die Kamera, die wackelt. Das Phone ist auf einem Manfrotto BeFree-Stativ und ich etwa einen Meter entfernt.
Notiz von Videojournalistin Stephanie Tresch aus dem Schnitt: Das Video oben ist so schlecht encoded, dass Adobes Premiere Pro die Datei nicht einfach importieren kann. Bevor sie mit dem Video arbeiten konnte, musste sie das Video durch den im VLC Media Player verbauten Videokonverter jagen. Der ist langsam, ineffizient, frisst aber so ziemlich alles, was du ihm zum Frass vorwirfst..
Jaja. Für Profis. Ist klar.
Am Ende hast du ein Phone, das eine extrem coole Rückseite hat. Karbon ist ein extrem stabiles Material, das mit wenig Aufwand in jede beliebige Form gebracht werden kann. Einfach eine Form machen, dann Carbon eingiessen und fertig.
Aber: Karbon ist ein elektrischer Leiter und wirkt als Abschirmung. Abschirmung ist blöd, wenn du ein Gerät baust, das sich auf Strahlung verlässt. Ohne Daten- und Mobilfunkempfang nutzt dir dein Smartphone nicht viel. In der Tageszeitung Tagesspiegel wird Firas Khalifeh, CEO Carbon Mobile, damit zitiert, dass seine Firma es geschafft habe, den sogenannten Faradayschen Käfig des Materials Karbon zu umgehen.
Niccholas Vettiger von SLC Motobikes stellt in seinem Wetziker Start Up Karbonteile für Motorräder her. Jedes Teil, das er auf eine Harley schraubt oder in einer Yamaha verbaut, hat der Mann mit ETH-Bachelor in Mechanical Engineering selbst angefasst.
Niccholas stellt eines fest: «Der Faradaysche Käfig kann nicht umgangen werden. Er schirmt elektrische Felder ab, was auf physikalischen Grössen beruht, die umgeht keiner so schnell.»
Seine erste Vermutung, dass Khalifeh eine andere Matrix verwendet hat, welche die Carbonfasern zusammenhalten, verwirft er schnell. Das sei zwar möglich, aber die Vermutung ist ihm dann zu heikel. Ein Blick auf die Backplate mit ihrem spannenden Design aber scheint das zu erklären.
«Die schwarzen Teile, also die ohne Muster, sind wahrscheinlich ohne Karbonfasern hergestellt. Sprich: Da ist kein Faradayscher Käfig und Strahlung kann durch die Backplate dringen.»
Ich hoffe, dass Carbon Mobile aufgibt. Ich hoffe, dass der Hersteller die Technologie der Karbon Backplates an jemanden verkauft, der etwas von Smartphones versteht. Und sich nicht erdreistet, auf seiner Website zu flunkern. Oder sie reissen sich zusammen. Sie gehen Software und Kamera so an, wie sie an die Backplate gegangen sind: Mit guten Ideen, Frechheit und dem fixen Gedanken «Das können wir». Denn wenn die Backplate etwas beweist, dann ist das Erfindergeist und Ideenreichtum. Das könnte der ganzen Szene guttun. Daher: Snapdragon 888 oder mehr rein. Kamerasysteme von Leica oder anderen, Karbon-Backplate. Wenn das passiert, dann bin ich 100% dabei.
Wenn du dich vom Marketing-Budget und dem supertollen «Gewinne ein Velo dazu»-Wettbewerb zu einer Vorbestellung hast hinreissen lassen, gib das Phone bitte wieder zurück. Investier lieber in ein Karbonteil für dein Motorrad. Da hast du garantiert mehr Freude dran. Es sei denn natürlich, du bist Mobile Enthusiast. Dann hast du ein Phone, das sich in der aktiven Entwicklung befindet. Ein Gerät, bei dem du zusehen kannst, wie es besser wird und dahinter eine Community an der du aktiv mitwirken kannst. Dort wirst du vom Team des Herstellers gehört, Inputs werden aufgenommen und diskutiert. Denn wenn Carbon Mobile eins weiss, dann dass sie noch nicht da sind, wo sie sein möchten. Und aus meiner Sicht ist das sehr wertvoll und macht unendlich Spass.
Wir haben Carbon Mobile angeboten, eine kurze Stellungnahme auf diesen Artikel zu verfassen. Vereinbart waren 500 Zeichen. Nun haben wir die Stellungnahme und drucken sie für dich ab – alle 2919 Zeichen. Zudem werden wir das Smartphone einem zweiten Test unterziehen: Wir werden die versprochenen Verbesserungen bewerten. Der Link folgt, sobald der Review bereit ist. Oder du findest ihn auf unserer Startseite:
Wir als Carbon Mobile GmbH möchten uns bei Dominik seine Zeit bedanken, die er für den Test des Carbon 1 MK II aufgebracht hat. Wir respektieren den Standpunkt von Dominik. Doch unserer Meinung nach spiegelt die Kritik nicht die bahnbrechenden Innovationen bei diesem Gerät wider, die für die avisierten Zielgruppen als Kaufentscheidung relevant sind.
Das Gerät, das Dominik zum Test hatte, ist eines von 300 speziellen Founder Edition-Geräten, die vor der offiziellen Markteinführung hergestellt wurden. Jeder Empfänger einer Founders Edition wird darauf aufmerksam gemacht, dass es dabei Raum für Verbesserungen gibt. Alle Founder spielen für uns eine sehr wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe können wir das Gerät noch vor dem offiziellen Verkaufsstart unter realen Bedingungen testen. Wie in dieser Phase üblich, werden kleinere Bugs in der Software, einschließlich der Kameraleistung identifiziert und optimiert. Daher ist es in vielen Fällen nicht fair, diese Bugs als "Nicht-Kauf-Grund" zu bezeichnen.
Neben vielen Testern wie Dominik haben auch einige treue Fans die Founder Edition des Carbon MK II erhalten. Ihre Reaktionen auf das Gerät waren überwältigend positiv und sie sind begeistert von dem einzigartigen, kohlefaserbasierten Design und die damit verbundenen fortschrittlichen technischen Errungenschaften des Geräts. Uns ist es enorm wichtig, mit unseren Fans – den Foundern - zusammenzuarbeiten, um regelmäßige Updates zur Verbesserung der Softwareleistung zu entwickeln.
Uns ist durchaus bewusst, dass der MediaTek P90-Prozessor nicht der aktuellste Chipsatz auf dem Markt ist, jedoch wird er jedem durchschnittlichen Smartphone-Nutzer alle Erwartungen an Leistung erfüllen. Browsing, Streaming und Gaming sind für den preisgekrönten P90 überhaupt kein Problem.
Es ist sehr schade zu hören, dass sich die Wertigkeit so sehr an der Konkurrenzhardware orientiert und nicht an der bahnbrechenden Technologie und der Handwerkskunst, die in jedes einzelne Smartphone investiert wurde. Das kohlefaserbasierte Monocoque des Carbon 1 MK II ist Ergebnis aus 5 Jahren akribischer Forschung und Entwicklung, um das Potenzial von Verbundwerkstoffen in Connected Devices zu erschließen. In allen Branchen braucht es oft eine neue revolutionäre Strömung, um bahnbrechende Technologien zu erforschen und auf den Markt zu bringen. Kein anderer Hersteller ist derzeit in der Lage, ein Gerät mit diesem Maß an Materialinnovation zu erforschen, zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Ein ähnliches Beispiel hierfür ist Tesla.
Wir sind ein deutsches Unternehmen, das sich verpflichtet hat, eine europäische Antwort auf einen von Asien und den USA dominierten Markt anzubieten. Unsere Mission ist es, aufregende neue Produkte auf den Markt zu bringen, auf die wir uns verlassen können. Das bedeutet die dünnste, leichteste, stärkste und nachhaltigste Technologie von morgen. Alle Carbon Mobile Geräte werden in Berlin entwickelt und wir planen, all unsere Produkte bis Ende 2021 in Deutschland zu fertigen.
Dies ist erst der Anfang für Carbon Mobile. Wir hoffen, dass das Interesse und die Faszination der Leser weiterhin besteht und dass sie den Fortschritt von Carbon Mobile weiter verfolgen.
Wir ermutigen jeden, das Carbon 1 MK II zu testen und mehr darüber zu erfahren. Besuchen Sie carbonmobile.com und folgen Sie uns in den sozialen Netzwerken für aktuelle Neuigkeiten und Updates.
Vielen Dank
Carbon Mobile GmbH
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.