Hintergrund
Samsung Galaxy S10+ Ceramic und die Frage, warum wir 12 GB RAM brauchen
von Dominik Bärlocher
Mara ist ein Afrikanisches Unternehmen, das ein Smartphone auf den Markt gebracht hat. Mir war klar: Ich muss das haben und testen. Das Mara Z macht eine überraschend gute Figur zu einem überraschend guten Preis.
Das Mara Z ist das Flaggschiff der Marke Mara. Mit einem 5.7 Zoll diagonalen Screen mit einer Auflösung von 720x1440 Pixel, einer 13 Megapixel-Kamera vorne und einer hinten, einem Micro-USB-Adapter und einem Qualcomm Snapdragon 435 und 3075 mAh Akku markiert das Mara Z einen wichtigen Schritt in der Smartphone-Welt.
Denn das Mara Z stammt nicht aus den USA, es kommt nicht aus China.
Das Mara Z ist das erste Smartphone aus Afrika.
Das Mara Z ist der Beweis, dass Gesellschaft, Politik und deren Entwicklung nicht von Technologie getrennt werden können. Denn auch ohne Flaggschiff-Specs – sind wir ehrlich, die Mara ist weit davon entfernt – bewirkt die Mara mehr als dass es das jüngste Samsung Galaxy S kann. Oder das jüngste iPhone. Damit wir Schweizer Mara und dessen Rolle verstehen, müssen wir etwas ausholen, die Wirtschaftssituation Afrikas oberflächlich ansehen und den Platz, um den Mara kämpft. Wenn dich das wenig interessiert, dann mach schnell ⌘/CTRL-F und such nach «Angstgegner Metalkonzert».
Das Mara Z – ich sage aus irgendwelchen Gründen immer «die Mara» – wird von der Firma Mara mit Sitz in Dubai hergestellt. Dubai ist der Ort zwischen Afrika, Asien und Europa, an dem viel Geld ist. Manchmal zu viel, denkt die Welt, wenn sie mal wieder den Kopf ob einem 17Jährigen Ferrari-Besitzer schüttelt. Rashed Belhasa, hauptberuflich Youtuber, hat ihn sich im Design der Marke Supreme bemalen lassen.
Rashed und seine Freunde sind nicht die Zielgruppe Maras. In den Kreisen der Superreichen regiert wohl das iPhone, und wenn das nicht ausreicht, dann das iPhone in Gold und mit Edelsteinen besetzt. Mara demokratisiert die Technologie, macht sie jedem zugänglich. Oder so jedem wie möglich. Das Mara Z hat mich 229 Dollar gekostet, plus ein paar Zerquetschte in Lieferkosten. Das ist nicht viel für ein Phone, das für den Preis recht viel leistet. Mit den Specs bewegt sich das Mara Z im unteren Bereich. So im Spielfeld wo die französische Marke Wiko sich einen Namen gemacht hat und jetzt erfolgreich eine Liga höher boxt.
Doch wo andere sagen «Wir sind günstig» und es dabei belassen, gibt sich Mara so auf ihrer Website:
Mara, die Firma, ist neu im Smartphone Business, aber seit 23 Jahren am Markt. Zur Mara Corporation gehören und gehörten unter anderem die Lieferfirma Shipa Express, die Social Media Platform Nimbuzz, Mara Real Estate Divison (via web.archive.org) auch bekannt als Mara Red, und so weiter und so fort. Sprich: Mara als Firma ist kein kleiner Player, ist allgemein recht umtriebig, macht aber neu Smartphones.
Seit Beginn der Firmengeschichte aber ist klar: Mara setzt sich zumindest so weit die Öffentlichkeit wissen soll, für das Wohle Afrikas ein. Die Mara Phones sollen da nicht anders sein. Sie sind günstig, leisten ordentlich viel und sind halt aus der Heimat. Mara gibt sich das hart und hat mindestens einen Flagship Store in Kigali, der Hauptstadt Rwandas, eröffnet.
Der Youtube-Kanal African Insider spricht denn auch nicht von einem Phone, sondern von «Hoffnung». Moderator John, dessen Channel den Afrikanischen Kontinent in ein gutes Licht rücken will, setzt viel in die Zukunft Maras, ist stolz auf die Initiative. Der Fernsehsender RwandaTV hat dem Launch des Phones sogar ein anderthalbstündiges Special gewidmet. Das Special ist zwar in der Sprache Kinyarwanda, aber die Botschaft ist klar: Rwanda ist stolz. Mara Phones sind eine grosse Sache. Das Phone sei «100% made in Africa».
Dem ist so. Fast.
Denn da sind drei Wörter: «Qualcomm Snapdragon» und «Mediatek».
Qualcomm ist ein Hersteller von Systems-on-a-Chip (SoC), dem Kernbauteil eines jeden Smartphones. Auf einem SoC sind in der Regel unter anderem der Prozessor und der Grafikchip zu finden. Sprich: Ohne SoC, kein Phone. Qualcomm ist eine Amerikanische Firma, die in China produziert. Innerhalb weniger Stunden des Launches der Mara Phones hat sich deshalb das regierungsnahe nationalistische Blatt Global Times (环球时报) zu Wort gemeldet. Denn wo das Mara Z auf einem Snapdragon läuft, läuft sein kleineres Geschwister – Das Mara X – auf einem Mediatek MT6739. MediaTek ist ein Unternehmen mit Sitz in Taiwan. China ist der Meinung, dass Taiwan Teil Chinas ist. Die Taiwanesen sind damit nur bedingt einverstanden. Im Falle der de jure Unabhängigkeitserklärung Taiwans droht China implizit mit Militär.
So weit Journalist Xiao Xin der Global Times das sieht, ist Taiwan ein Teil Chinas. Und darum ist darauf stolz zu sein. Und wenn da einer kommt und sagt, dass MediaTek-SoCs in Rwanda hergestellt werden, dann ist der zurechtzuweisen.
Daher weist die Global Times gerne darauf hin, dass die Mara Phones überteuert seien, der Markt ohnehin von chinesischen Billigmarken wie Transsion beherrscht. Oder von Phones aus den grossen Häusern wie Samsung, die ebenfalls Handys für unter 100 Dollar verkaufen. Transsion, in der Schweiz praktisch unbekannt, gehört in Afrika aber zu den meistverbreiteten Smartphone-Marken. Im Jahre 2017 hat Transsion sogar den Markt dominiert und am meisten Phones in Afrika verkauft. Transsion verkauft Phones in Afrika vor allem unter der Marke Tecno, die vom Magazin African Business mit Sitz in London zur Nummer 5 der meistrespektierten Marke der Afrikaner aus 25 Nationen erklärt wurde. Hinter Nike, Adidas, Samsung und Coca Cola.
Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass Transsion daher besser sei als Mara. Und wenn dem dann doch so sein sollte, dann sei Mara eigentlich ein Produkt Chinas.
Darum hat Mara das Statement von «100% made in Africa» zu «100% manufactured in Africa» korrigiert. Etwas, das die Firma von Beginn an hätte tun sollen, denn mit so einer Lüge in den Markt einzusteigen, wirft kein besonders gutes Licht auf eine Firma, die sich die Gunst der Kunden erarbeiten will.
Was Xiao Xin nicht bedenkt: Es geht nicht zwingend um die marktwirtschaftliche Dominanz der Mara Phones. Es geht darum, dass Afrika mit dem Launch der Mara Phones aus der Rolle des Konsumenten ausbricht, selbst baut, entwickelt und sich mit den Mara Phones ein Stückchen ihres eigenen Kontinents zurückerobert. Denn nur schon im obigen Absatz schreibe ich von einer chinesischen Zeitung, einer chinesischen Firma und einem Englischen Magazin, die sich alle auf dem Afrikanischen Markt tummeln, für den Afrikanischen Markt produzieren, und Geld vom Kontinent abziehen. Denn wenn jemand in Kigali ein Tecno-Phone kauft, dann verdient China daran. Genau wie wenn du in der Schweiz ein iPhone kaufst, dann verdient Apple in Cupertino, USA.
Mit einem Statement hat Xiao Xin der Global Times aber Recht:
Mara sieht sich einer steifen Brise gegenüber. Denn im unteren Preissektor kämpfen Hersteller aus aller Welt um die Gunst der wenig betuchten Kunden, oder um die, die nicht viel Geld für ein Smartphone ausgeben wollen. Doch jeder Dollar, den Mara in Afrika oder ausserhalb verdient, ist ein Dollar, der in Afrikanische Kassen gespült wird.
Mit Mara schafft sich Afrika ein bisschen Binnenmarkt. Ein Phone nach dem anderen. Darum geht es, nicht um die Dominanz auf dem Markt. Aber Mara würde auch zur Dominanz wohl nicht «Nein» sagen.
Nachdem die Politik gepolitikt und die Gesellschaft gesellschaftet hat, bleibt eines: Ein 152 Gramm schweres Smartphone mit dem Namen Mara Z. Es ist ordentlich, kann natürlich nicht mit den Platzhirschen aus den Häusern Huawei, Samsung oder Apple mithalten. In den allermeisten Fällen läuft das Phone mehr als nur ordentlich. Der Akku ist zwar klein, muss aber nichts wirklich Aufwändiges betreiben. Das ist so die Sache mit Android. Ist ja schön und gut, wenn du 12GB RAM und mehr in einem Smartphone verbaut hast und gewisse Dinge werden auch schneller laufen, aber optimiert sind die meisten Apps – es gibt nur eine Handvoll Ausnahmen – für Geräte wie das Mara X oder das Mara Z. Zugegeben, Instagram lädt vielleicht nicht ganz so schnell und das IPS-Display ist halt kein Amoled-Display, aber alles in allem ist das Mara Z absolut alltagstauglich.
In der Schweiz ist es eine bewusste Wahl, wenn du dich für ein Low End Device entscheidest. In wirtschaftlich schwächeren Gegenden dieses Planeten kann der Besitz eines Smartphones über Karriere und Erfolge entscheiden. Und in diesem Kontext tut es etwas wie das Mara. Die grössten Abstriche musst du aber bei der Kamera machen. Ich war mit «meiner Mara» an einem Konzert. Wie sich herausstellt ist ein Konzert so etwas wie der Final Boss für Smartphone-Kameras. Bei einer Systemkamera stellst du Shutter Speed einmal ein, genau wie die ISO und den F-Stop, wenn du nicht Full Auto schiesst. Eine Smartphone-Kamera macht das anders. Da mehr Computer dahinter werkelt kannst du nur einfach draufhalten und fotografieren oder filmen. Der Computer im Phone, zusammen mit dem Kamerasystem passen sich dynamisch an Licht und Ton an. Beides ändert sich an einem Konzert manchmal mehrmals pro Sekunde.
Darum: In den unteren beiden Videos hast du blitzende Lichter. Wenn du photosensitiv bist, willst du die Videos vielleicht nicht ansehen. Sorry.
Das Mara kommt da an seine Grenzen. Das Mikrofon überschlägt, das System kommt mit den Lichtverhältnissen nicht klar. Selbst wenn das Mara nur in 1920x1440 Pixeln filmt, da merkst du die niedrigen Specs.
Als unfairen Vergleich, aber zu Illustrationszwecken habe ich am selben Konzert mit dem iPhone 11 Pro Max gefilmt, einem Smartphone das in Apples Präsentation sogar von professionellen Filmemachern gelobt wird. Regisseur Steven Soderbergh (Ocean's Eleven, Traffic, Erin Brockovich) hat anno 2018 sogar einen kompletten Film auf einem iPhone gefilmt.
Zwar verlumpt das Bild am rechten Rand bei der Werbetafel etwas und körnt etwas grob daher, aber das Mikrofon hält durch und liefert beeindruckenden Sound. Und auch in einer Auflösung von 4K, also 3840x2160 Pixel, und mit 60fps kommt das iPhone nicht ins Straucheln.
Bei Fotos aber boxt das Mara Z überraschend weit über seiner Gewichtsklasse.
Das Auto bringt das Afrika-Phone gut hin, macht aber im Hintergrund dort, wo der Schatten unter dem Dach ist, etwas grobe Struktur rein. Social-Media-tauglich ist das Bild allemal. Der unfaire Vergleich von oben ist auf einmal nicht so unfair, wenn du darüber hinwegsiehst, dass das Mara mit 4160x3120 auflöst und das iPhone 11 Pro Max mit 4032x3024. Da gewinnt das Mara sogar.
Das iPhone hat wie erwartet keine Probleme mit Licht und Dunkel. Vielleicht doch nicht so fair, der Vergleich. Aber ich will erwähnt haben, dass das Mara sich wacker schlägt. Also ab in die nächste Runde. Probieren wir Unschärfe mit Anflügen von Makro. Einen dedizierten Makro-Modus haben weder das iPhone noch das Mara.
Das iPhone gewinnt. Trotzdem: Alltagstauglich ist auch das Mara, obwohl das Lichtspiel im Buchstaben «C» beim iPhone viel dynamischer wirkt, selbst unter Berücksichtigung der wechselnden Lichtverhältnisse, und die Tiefenschärfe beim Mara erst recht spät einsetzt.
Am Konzert ist mir aber eines aufgefallen: Das stete Filmen schlägt auf den Akku. Das Mara mit seinen 3075mAh verliert schnell an Batterie. Einen normalen Arbeitstag hält das Mara aber locker durch. Doch das iPhone hält auch bei 4K60fps. Das ist es, was geschicktes Hardware-Engineering ausmacht. Denn an der Software liegt es in diesem nach wie vor unfairen Vergleich weniger. Das Mara läuft auf Android One, wird also von Google gewartet und aktualisiert. Mara muss nur auf Hardware-Ebene die Programmschnittstellen Googles bedienen.
Damit der Vergleich maximal unfair wirkt: Das iPhone 11 Pro Max kostet weit über 1000 Franken und ist ein präzis verbautes Zusammenspiel von Hardware und Software. Das Mara kostet 200 Franken und besteht aus Teilen, die aus China eingekauft sind, preiswert sind und so viel wie fürs Budget möglich leisten. Dazu hat das Mara Z eine Linse verbaut, das iPhone deren drei.
Aber hey, das Mara schlägt sich bei Fotos wacker und darf stolz auf sich sein. Rechnen wir mal schnell nach. Das Mara Z kostet 229 US-Dollar. Das sind gemäss aktuellem Wechselkurs 223.24 Franken. Das iPhone 11 Pro Max kostet 1359 Franken, also 6.09 mal mehr als das Mara Z.
Ketzerische Frage: Sind die Bilder aus dem iPhone wirklich 6.09 mal besser? Dass die Bilder nicht so gut sind wie die aus dem Apple-Gerät ist klar, aber die Frage ist, ob und wie weit Mara über der eigenen Gewichtsklasse boxt.
Videos aber sind die Schwachstelle des Mara. Da führt kein Weg darum herum. Klar, für einen Clip auf Social Media mit dem Präfix «Volume Warning» geht's. Aber wirklich brauchbare Videos produziert das Mara nicht. Da ist das iPhone mehr als nur 6.09 mal besser. Da ist jedes Smartphone, das brauchbare Dateien auswirft, besser.
Beenden wir den unfairen Vergleich hier. Und beenden wir das Review. Denn das Mara Z ist cool. Es ist kein Top-Phone, kann es nicht sein, will es nicht sein. Aber es ist ein starkes Statement. Afrika ist im Kommen. Hoffentlich.
Technologisch gesehen: Das Mara Z ist eine feine Sache und ich hab Freude dran. Merci, Mara.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.