CES 2021 und die Zukunft des Fernsehers
TV-Hersteller zeigen an der CES in Las Vegas die Zukunft des Fernsehens. Tonangebend: 8K, Micro LED und Mini LED. Nur… hatten wir das nicht alles schon einmal?
Alle Jahre wieder: An der CES im amerikanischen Las Vegas zeigt sich die TV-Branche von ihrer innovativen Seite. Auch dann, wenn’s grad keine Innovationen gibt. Egal. Merkt ja eh niemand. Hauptsache, Worte wie «revolutionized» und «best viewing experience ever» fallen. Wirklich was bedeuten tun sie selten. Fröhliche Produktschau halt.
Zu sarkastisch?
Okay. Ich halte mich zurück. Du bist wegen den Neuigkeiten der TV-Branche hier. Da gibt’s schon was zu erzählen. Gänzlich neu ist allerdings das wenigste. Fast bin ich versucht, meinen 2020er-Artikel der Vorjahres-CES zu kopieren. Du erkennst schon am Titel, wie wenig sich in einem Jahr getan hat.
Aber alles der Reihe nach.
LG will die zweitgrösste Schwäche OLEDs killen
LG bringt auch dieses Jahr eine neue Generation OLED-Fernseher auf den Markt. Auf das «X» in der Produktbezeichnung – du weisst schon, CX, BX, GX – folgt jetzt die «1». C1, B1, G1, und so weiter.
Was machen die TVs neu?
Im anständig produzierten Keynote-Video zeigen sich die Südkoreaner willig, die zweitgrösste Schwäche der OLED-Bildschirme auszumerzen: die Helligkeit. Die organischen LEDs sind traditionell weniger hell als die Hintergrund-LEDs von LCD-Fernsehern. Gerade in lichtdurchfluteten Wohnzimmern stossen OLEDs darum oft an ihre Grenzen.
Das soll sich ändern. Mit dem «OLED evo»-Panel. Allerdings nur in der G-Serie, dem «Gallery»-Modell, das sich bisher nur in Punkto Design von der C-Serie, der Mainstream-Serie, unterschieden hat.
Wie viel heller? Anzahl Nits? Wird nicht gesagt. Schade.
LG jedenfalls ändert seine Strategie: Wer 2021 das Beste von LG will, muss notgedrungen zur teuren G-Serie greifen. Die C-Serie läuft zwar mit dem gleichen Alpha-9-Prozessor der mittlerweile vierten Generation – inwiefern der Prozessor verbessert wurde, sagt niemand –, aber strahlt weniger hell. Und: Die B-Serie verschwindet. Sie macht der neuen A-Serie Platz. An deren Prinzip ändert sich aber nichts; sie läuft mit dem etwas weniger leistungsstarken Alpha-7-Prozessor der vierten Generation und kostet dafür weniger.
Was noch?
LGs OLEDs gelten, allem HDMI-2.1-Stunk zum Trotz, als sehr gute Gaming-TVs und -Monitore für die nächste Konsolen- und Grafikkartengeneration. Die üblichen Argumente: Tiefe Input Lags, OLED-Pixel typische schnelle Reaktionszeiten, G-Sync- und FreeSync-Unterstützung.
Darauf möchte LG aufbauen. Zunächst bekommt die UHD-Version der OLEDs eine neue, kleine Grösse: 42-Zoll. Für die, die den TV als Monitor benutzen wollen. Weiter kündigt LG eine Zusammenarbeit mit Google Stadia an und wird ab der zweiten Jahreshälfte als erster TV-Hersteller den Cloud-Gaming-Dienst Googles als App auf dem Fernseher haben.
Damit nicht genug: Die 2021er-Generation kriegt ein neues Untermenü – Game Optimizer. Darin können viel einfacher game-basierte Einstellungen verändert werden. Dinge wie FPS, VRR oder HDR. Oder einfach mal das Game-Genre. Sportspiel. Rennspiel. Ego-Shooter. So, dass du nicht selber an den perfekten Einstellungen rumfummeln musst.
Sowas ähnliches bietet Samsung ab 2021 ebenfalls an, übrigens.
Gebaut werden sowohl UHD- als auch 8K-OLED-Fernseher. Sodele. So viel von der OLED-Front. Für einmal spannender ist, was beim OLED-Pionieren an der LCD-Front passiert. Namentlich Mini LED.
Mini LED bedeutet, dass tausende dicht nebeneinander liegende LEDs fürs Hintergrundlicht sorgen. Wie bei Full Array Local Dimming (FALD) können sie sich lokal dimmen oder gar ganz ausschalten. Der Unterschied zu FALD ist lediglich die Anzahl Dimmzonen: Mini-LEDs sind viel kleiner als die FALD-LEDs, es hat also viel mehr Platz für viel mehr Dimmzonen. Darum der Name. Sinn der Übung ist, die Schwarzwerte – und damit den Kontrast – der LCD-Fernseher zu verbessern und gleichzeitig das nervige Blooming zu verringern.
Neu ist diese Technologie nicht. TCL hat schon vergangenes Jahr den ersten Mini-LED-Fernseher auf den Markt gebracht. LG und Samsung folgen jetzt. Bei LG hört das Ganze auf den Namen QNED. Haha. Mit dem «Q». Witzig. Weil: Samsung hat das mit dem «Q» schon vor Jahren mit ihren QLEDs getan – LCD-Fernseher mit einer Nanopartikel-Schicht, die sie Quantum Dots nennen. Geschicktes Marketing. So herrscht Verwechslungsgefahr mit OLED.
LG dreht den Spiess jetzt einfach um.
LG und Sony nutzen die Nanopartikel-Schicht, die das bläuliche Hintergrundlicht der LCD-LEDs in ein sauberes Weiss umwandelt, nämlich auch. Das hilft, reinere Farben abzumischen. Bei LG und Sony heisst das einfach anders. Nanocell und Triluminos. LG aber findet neu: Wir machen jetzt da noch «Quantum» vor Nanocell, nennen den Spass «Quantum Nanocell» und kürzen es mit QNED ab. Haben wir gut gemacht.
Wieviele Dimmzonen wird LGs Mini LED haben? Die Gretchenfrage, ich weiss. Eine Antwort bleibt LG schuldig.
Letzte LG-Neuheit: WebOS 6.0. Das Betriebssystem wird generalüberholt. Klickst du auf der Magic-Remote-Fernbedienung auf den Home-Button, öffnet sich nicht mehr eine App-Leiste am unteren Bildschirmrand, sondern gleich ein ganzes Fenster mit Kacheln. Ein bisschen so, wie wir’s von anderen Herstellern mit Android-TV kennen.
Auffallend: Oben links, die Kachel, die hat Werbung. Du kannst dich also auf «vorgeschlagene» Inhalte machen, die vom Werbetreibenden bezahlt sind. Ansonsten aber sieht das neue WebOs aufgeräumt aus. Dem angenehm dezenten, alten Design trauere ich dennoch etwas nach.
Samsung revolutioniert die TV-Welt – bald, vielleicht, irgendwann
Samsung hat gar nicht lange auf die CES 2021 warten mögen und bereits vergangene Woche in einer schön präsentierten Pressemitteilung über die kommenden Neuheiten informiert. Darüber habe ich bereits ausführlich berichtet.
Zusammenfassend: Samsung kündigt den Neo QLED an. Tatsächlich «neo» daran ist die Hintergrundlicht-Technologie – Mini LED. Dieselbe Geschichte wie bei LG. Mit dem gleichen Zweck: Bessere Kontraste bei gleichzeitig weniger Blooming. Anzahl Dimmzonen? Unbekannt. Auch das haben Samsung und LG gemeinsam.
Ebenfalls neu am Neo QLED ist der verbesserte Prozessor. Inwiefern verbessert, bleibt etwas schwammig, aber immerhin konkreter als bei LG. Namentlich verbessert sich das Upscaling. Bisher kannte der Samsung-Prozessor ein einziges neuronales Netzwerk, das selbstständig entscheidet und manchmal dazulernt, wie es am besten Inhalte auf UHD oder 8K hochskaliert. Neu kommen 16 neuronale Netzwerke zum Einsatz. Jedes widmet sich einem dedizierten Aufgabenbereich. Unter anderem Auflösung, Farbe, Bewegungsunschärfe, Bildrauschen und Ton.
Ob der Neo QLED damit den Upscaling-King von LG vom Thron stösst? Auf jeden Fall dürften vor allem Samsungs 8K-Fernseher davon profitieren. Echte 8K-Inhalte gibt’s ja noch nicht. Darum ist gutes Upscaling umso wichtiger.
Die andere grosse Neuheit – sie wird seit 2018 jährlich angekündigt, aber egal – ist Micro LED. Sowas wie die Wiederkunft von TV-Jesus. Micro LED soll nämlich ein Fernseher mit einem hellem Bild, satten Farben, perfekten Schwarzwerten und – vor allem – keinem Burn-In sein.
Dass Micro LED nicht reines Marketinggeschwurbel Samsungs ist, beweist, dass auch LG und Sony fleissig an der Technologie forschen und hie und da Prototypen zeigen. Nur nicht ganz so laut wie Samsung. Schliesslich soll OLED nicht verfrüht ausgedient wirken. Dennoch: Dass Micro LED kommen wird, bezweifelt niemand. Es stellt sich nur die Frage nach dem «Wann».
Samsung will diesbezüglich vorwärts machen und bringt schon bald erste, «kleine» Grössen zwischen 99 und 110 Zoll auf den Markt. Ab der zweiten Jahreshälfte gar noch «kleinere» Grössen. Die 110-Zoll-Variante wird dich 140 000 Franken kosten. Plusminus. Ein Schnäppchen. Ausser, du wartest noch, bis Samsung zwei, drei CES-Messen Gelegenheit hatte, weiter über die eierlegende TV-Wollmilchsau zu reden.
Sonys TVs denken wie Menschen
Bei Sony präsentieren zwei Frauen, die in einem Raum stehen, in dem sie ziemlich sicher nicht stehen, die TV-Neuheiten. Namentlich OLED- und LCD-Fernseher, die vom neuen XR-Prozessor angetrieben werden.
Ganz besonders an diesem Prozessor ist, dass seine künstliche Intelligenz derjenigen der Konkurrenz überlegen sein soll. Er denke und rationalisiere so, wie wir Menschen es tun. Grosse Worte. Der japanische TV-Gigant erklärt es so:
Im Klartext: Sony verspricht, dass sein XR-Prozessor Bereiche wie Vordergrund, Hintergrund und das zentrale Bildelement gleichzeitig erkennt und unterscheidet – genau so wie es das menschliche Gehirn mache. Dadurch soll mehr Raumtiefe entstehen. Eine Art dreidimensionales Bild ohne 3D-Brille.
Marketingsprech? Wer weiss. One way to find out. Zu finden ist der XR-Prozessor in den neuen Bravia-XR-TVs. Das sind:
- Master Series 8K-LED-TV Z9J
- Master Series OLED A90J und A80J
- UHD-LCD-Modelle X95J und X90J
Abgesehen vom Prozessor gibt’s keine weiteren TV-Neuigkeiten bei Sony. Auch keinen 8K-OLED-TV. Die baut aktuell nur LG.
TCL will Google TV und OLED neu erfinden
TCL spannt weiterhin mit Google zusammen. Vergangenes Jahr habe ich ja den X10 getestet, TCLs erster Mini-LED-Fernseher. Das Betriebssystem: Android TV. An der CES kündigt der chinesische TV-Gigant an, weiter zu gehen noch dieses Jahr den ersten Google-TV-Fernseher auf den Markt zu bringen.
Jetzt fragst du dich womöglich: Was ist Google TV?
Google TV basiert auf Android TV, ist aber ein ganz eigenes Betriebssystem. Ähnlich wie LGs WebOS oder Samsungs Tizen. Google TV ist ein Ort, von dem aus du auf Apps wie Netflix, Amazon Prime oder dem Play Store selbst zugreifst. Der Vorteil Google TVs soll aber die einfache Suche nach Inhalten sein. Ganz nach dem Motto: Die Suche nach Content dauert oft länger als der Content selbst – ausser bei Google TV. Das, indem das Home Google TVs standardmässig eine Übersicht aller bereits von dir angefangenen oder möglicherweise passenden Inhalten aufzeigt, und zwar über alle Streamingdienste hinweg, die du abonniert hast.
Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, meine ich, könnte LGs neues WebOS nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten.
An der Hardware-Front macht TCL auf seine neue XL-Serie – den bis zu 85 Zoll grossen 8K-TVs – und die neue Mini-LED-Technologie aufmerksam. Die heisst jetzt OD Zero. Zero, weil der Abstand zwischen der Mini-LED-Schicht und den Diffusionsschichten, die das Hintergrundlicht gleichmässig übers Bild verteilen, von etwa 10 bis 20 Millimeter auf 0 Millimeter verringert worden ist. Dadurch kann TCLs OD Zero besonders dünn gebaut werden.
Apropos Diffusionsschichten: Vergangenes Jahr habe ich mal einen LCD-Fernseher auseinander… gebaut. Glas, Diffusionsschichten, LEDs inklusive.
Spannend, spannend. Falls das jemand von TCL liest: Ich stelle mich zur Verfügung, den OD Zero auf Herz und Nieren zu testen. Testen, nicht zerlegen. Versprochen.
Zum Schluss dann eine erste, echte Innovation, über die ich auch schon berichtet habe: Ein aufrollbares, 0.18 Millimeter dickes und in der Diagonalen 17 Zoll messendes OLED-Display. Besonders ist es, weil es mit einer hochmodernen Tintenstrahldruck-Technologie gefertigt ist.
Die Technologie dahinter ist beeindruckend, aber wohl noch weit von der Marktreife entfernt. Vor allem für grossflächige TVs. Ein Einsatz in der Smartphone- oder Tablet-Branche scheint aktuell wahrscheinlicher.
Fazit: Alle Jahre wieder dasselbe
Du siehst: Die gross angekündigten Neuheiten sind Mini LED, Micro LED und noch mehr 8K. Kennen wir alles bereits. Sicher, es gibt wieder verbesserte Prozessoren, die irgendwie noch mehr Inhalt aus der Quelle prozessieren als jemals ever… oder so. Dazu ein paar Optimierungen an der Fernbedienung, umweltfreundliche Schachteln, noch dünnere Panel-Designs, noch effizientere Smart-TV-Betriebssysteme – aber so richtig auf den Putz gehauen hat niemand.
Vielleicht ja nächstes Jahr. Und falls mir Blindgänger doch noch was entgangen ist, weisst du ja, wo sich die Kommentarspalte befindet.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»