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Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz im Verkehr
Unser Verkehrsnetz stösst immer mehr an seine Grenzen. Abhilfe sollen nicht nur mehr Strassen und Züge schaffen, sondern auch Künstliche Intelligenz, kurz KI. Doch wie können uns Computer und deren Algorithmen vor dem Verkehrskollaps schützen?
Es ist kurz nach fünf Uhr am Freitagnachmittag. Ich sitze im Auto und will aus der Stadt raus. Leider lässt die Ampel, an der ich gefühlt seit zwanzig Minuten stehe, immer nur drei Autos pro Grünphase durch. Wieso ist das so? Lässt sich das optimieren? Geht es den Autofahrern am anderen Ende der Kreuzung wie mir?
Diese und ähnliche Fragen stelle ich mir, wenn ich unterwegs bin. Optimiert werden Ampelsysteme laufend. Heute hilft auch KI dabei.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz ist ein grosses Gebiet der Computerwissenschaft. Es gibt bis heute keine allgemeingültige Definition von KI. Der amerikanische Wissenschaftler Marvin Minsky hat KI als «the science of making machines or systems do things that would require intelligence if done by men» definiert. Die Europäische Kommission wiederum definiert KI als «systems that display intelligent behaviour by analysing their environment and taking actions – with some degree of autonomy – to achieve specific goals».
KI ist nicht eine Technologie, sondern bezieht sich auf eine vielzahl unterschiedlicher Ansätze, Methoden und Technologien. KI wird heute häufig in drei Kategorien geteilt: symbolische KI, datengesteuerte KI und künftige KI-Technologien. Symbolische KI beinhaltet Systeme, in denen Menschen eine Reihe logischer Regeln entwickeln und diese in Algorithmen umwandeln, damit ihnen Maschinen folgen können. Maschinen können so je nach Situation Entscheidungen treffen. Datengesteuerte KI kombiniert Machine-Learning-Technologien mit Technologien, die fürs Suchen und Analysieren von grossen Datenmengen verwendet werden. Künftige KI-Technologien beinhalten verschiedenste Entwicklungen, in denen KI menschliche Züge wie Intuition und Kreativität annehmen kann oder die menschliche Intelligenz sogar übersteigt.
Wie kann KI helfen, den Verkehr zu optimieren?
Das Bevölkerungswachstum und die erhöhte Mobilität sind die Hauptfaktoren für das grosse Verkehrsaufkommen. Die Staus auf Schweizer Strassen kosteten gemäss Berechnungen des Bundes 2015 1.9 Milliarden Franken. Staus kosten also nicht nur Nerven, sondern auch Geld.
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KI kann dabei helfen, alle Transportarten sicherer, ökologischer, intelligenter und bequemer zu machen. Sie kann in Fahrzeugen und Infrastruktur implementiert werden und dabei die Interaktion der Verkehrsmittel und deren Nutzer verändern. KI hilft auch, Trends zu evaluieren, Risiken zu identifizieren, das Verkehrschaos zu lindern sowie das Transportwesen ökonomischer zu gestalten und managen.
All diese Vorzüge Künstlicher Intelligenz kommen mit Herausforderungen. Dazu gehören ethische, sozial, wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen. Auch sicherheitsrelevante Hürden ergeben sich.
Wie wird KI im Strassenverkehr heute angewendet und was für konkrete Fragestellungen ergeben sich dabei?
KI im Strassenverkehr
Aktuell tut sich bei KI im Strassenverkehr sehr viel. Hersteller experimentieren mit selbstfahrenden Fahrzeugen für den öffentlichen sowie den privaten Verkehr. Diese Fahrzeuge sind mit Sensoren und Aktuatoren sowie Kontrolleinheiten und Software ausgestattet.
Einige dieser Technologien übernehmen nur eine oder wenige Funktionen beim Fahren, wie beispielsweise das Parkieren. Andere Technologien wiederum sollen den menschlichen Fahrer komplett überflüssig machen. KI, die bestimmte Funktionen übernehmen, sind bereits gang und gäbe. Autonome Fahrzeuge befinden sich zurzeit in Testphasen. Tesla testet seit Jahren komplett selbstfahrende Fahrzeuge. Solche Experimente erleiden aber auch Rückschläge. So wurde ein Projekt für einen selbstfahrenden Bus der Verkehrsbetriebe Schaffhausen im Juni auf Eis gelegt, nachdem der Bus mit einer E-Bikerin kollidierte.
Auch Uber testet selbstfahrende Fahrzeuge. Das Unternehmen setzt aber nicht nur dort auf KI. Uber verwendet in allen Aspekten seiner Dienstleistungen auf KI-Technologien – vom Matchen der Fahrer bis zur Routenoptimierung.
KI kann aber auch im Transportwesen auf der Strasse helfen. Beim Truck Platooning beispielsweise. Dabei fahren mehrere Lastwagen mit minimalem Abstand hintereinander. Nur im vordersten Fahrzeug sitzt ein menschlicher Fahrer. Die anderen Lastwagen folgen dem vordersten KI-gesteuert. Auf der Autobahn funktioniert das bereits sehr gut, in komplexen Verkehrssituationen, wie bei Ampeln, hat die Technologie aber noch ihre Probleme.
Verkehrsmanagement profitiert ebenfalls von KI. Sie analysiert Verkehrsmuster, -aufkommen und weitere Faktoren. Das kann einerseits bei der Planung des Strassensystems helfen und Stau vermindern. Aber auch Ampelsysteme können mit KI verbessert werden.
All diese Technologien würden, nebstdem sie den Strassenverkehr komfortabler machen, auch die Umwelt schonen. Mit flüssigem Verkehr, weniger Stau und optimiertem Transportwesen pumpen die Fahrzeuge weniger Abgase in die Luft.
Risiken
Trotz der vielen Vorteile birgt KI im Strassenverkehr auch Risiken. Selbstfahrende Autos schenken Autofahrern Zeit, sie brauchen sich ja nicht mehr ums Fahren zu kümmern. Dieser Umstand könnte viele Personen dazu verleiten, vom ÖV aufs selbstfahrende Auto umzusteigen. Dadurch wären die Fortschritte bei der Ökologie im Transportwesen wieder zunichte.
Beim Datenschutz stellen sich ebenfalls wichtige Fragen. KI für selbstfahrende Autos braucht enorm viele Daten. Die mögen zwar geschützt sein, aber es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass Dritte an die Daten gelangen.
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Menschliches Versagen ist die häufigste Ursache für Verkehrsunfälle. Gemäss einer Studie der BFU sind 95 Prozent der Verkehrsunfälle in der Schweiz durch menschliche Fehler verursacht. Ohne den Faktor Mensch könnte die Anzahl der Unfälle drastisch reduziert werden. KI selbst ist bis jetzt aber auch noch nicht von Fehlern und damit Unfällen gefeit, wie der Bus in Schaffhausen und die Testes von Uber und Tesla zeigen.
KI im Verkehr wirft auch zahlreiche ethische Fragen auf. Wie soll KI in einem Ernstfall reagieren? Damit setzt sich Kollege Philipp Rüegg in einem weiteren Artikel in unserer Themenwoche auseinander.
Im Falle von Unfällen stellt sich die Frage der Haftung. Wer ist in welchem Fall für einen Unfall verantwortlich? Es muss definiert werden, wer ja nach Level der Automatisierung der Fahrzeuge haftbar ist. Bei vollständig autonomen Autos, haftet da ausschliesslich der Hersteller?
KI im Verkehr wird Jobs verändern, neue schaffen und auch Jobs vernichten. Einige Arbeitsstellen wie Taxi-, Bus oder Lastwagenfahrer werden in Zukunft wohl wegfallen.
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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.