
Meinung
Die Nintendo Switch 2 ist «nur» eine grössere und stärkere Switch – und das ist gut so
von Domagoj Belancic
Nintendo ist für einige der besten Spiele aller Zeiten verantwortlich. Dazu gehört das kürzlich veröffentlichte «Zelda: Tears of the Kingdom». Die Games könnten aber noch viel besser sein, wenn die Switch nicht aus dem letzten Loch pfeifen würde.
Mit der Switch hat Nintendo etwas Geniales geschaffen. Eine vollwertige Konsole, die gleichzeitig ein Handheld ist und obendrein die Bewegungssteuerung der Wii beherrscht. Über 120 Millionen verkaufte Exemplare sprechen eine klare Sprache. Nintendo hat in den Augen vieler Fans alles richtig gemacht.
Nicht in meinen. Die Konsole war bereits beim Launch 2017 technisch veraltet und mit «Zelda: Breath of the Wild» überfordert – ein schlechtes Vorzeichen. Auch bei «Tears of the Kingdom» werden Zugeständnisse gemacht. Das frustriert mich, weil es nicht sein müsste.
Versteh mich nicht falsch. «Zelda: Tears of the Kingdom» ist ein Wunder, sowohl spielerisch als auch technisch. Dass ein derart monumentales Spiel überhaupt auf der Switch läuft, spricht Bände über die Fähigkeiten der Entwicklerinnen und Entwickler. Aber auch die können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hardware bereits beim Markteintritt vor sechs Jahren nicht mehr zeitgemäss war. Der verbaute Tegra-Chip von Nvidia entspricht ungefähr der Leistung damaliger Smartphones mit Snapdragon-Prozessor wie dem Galaxy S8. Das resultiert bei «Zelda: Tears of the Kingdom» in verwaschenen Texturen, Kantenflimmern und Performance-Einbrüchen. Im Handheld-Modus ist es nicht so schlimm, aber ich spiele primär am Fernseher.
Das neue «Zelda» sieht deswegen nicht hässlich aus. Zuweilen ist es sogar richtig hübsch. Aber mit dem niedrigen Detailgrad gelingt es nicht, die Illusion einer immersiven und lebendigen Welt zu erzeugen. Nie entsteht dieses wohlig warme Gefühl im Bauch, wenn mich eine spektakuläre Szenerie oder ein imposantes Monster in Verzückung versetzen. In meinen über 40 Stunden Spielzeit sind mir diverse Male freudige Kommentare zum Gameplay entsprungen, aber kein einziger zur Grafik.
Als Gegenbeispiel sehe ich «Elden Ring», das stark von «Breath of the Wild» inspiriert ist. From Softwares Openworld-Spiel bietet auch nicht Highend-Grafik. Aber die Engine, respektive moderne PCs und Konsolen, auf denen sie läuft, ist leistungsfähig genug, um eine schaurig schöne Welt zu schaffen, die für Gänsehaut sorgt. Wieso kann mir das nicht auch Nintendo liefern? Wieso muss ich hier auf Hardware aus der Steinzeit zocken?
Zuletzt hat Nintendo mit dem Gamecube versucht, leistungstechnisch mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Der violette Würfel konnte gegen Sonys Playstation 2 jedoch nichts ausrichten. Bis heute ist sie mit knapp 160 Millionen verkauften Exemplaren die erfolgreichste Konsole aller Zeiten. Dieses Ergebnis dürfte mehr dem Erfolg der PS2 als dem Misserfolg des Gamecubes zuzuschreiben sein. Dennoch fokussiert sich Nintendo seither voll und ganz auf das Spielerlebnis statt opulente Grafik.
Die Entscheidung hat sich ausgezahlt – zumindest meistens. Auf den Gamecube folgte die Wii, die den Konsolenmarkt dominierte. Danach gab es eine Klatsche mit der Wii U, die rund ein Zehntel davon absetzen konnte. Mit der Switch legte Nintendo schliesslich das Handheld- und Konsolen-Geschäft zusammen und bündelte die Entwicklungsarbeit auf ein einziges Gerät. Das Ergebnis ist eine Konsole, die trotz verstaubter Hardware auch dieses Jahr noch 15 Millionen mal verkauft werden soll.
Der Erfolg gibt Nintendo recht. Kreatives Gameplay mit mittelmässiger Grafik kommt besser an als ein ideenloses Spiel mit traumhaften Landschaften. Aber das entschuldigt nicht, dass man eine Konsole mit Exklusiv-Titeln in Geiselhaft nimmt und eine längst veraltete Hardware weiter ausquetscht, nur um den Profit zu maximieren. Ich erwarte kein «Zelda» mit Unreal Engine 5, 4K-Auflösung und Raytracing. Aber es gibt doch einen Mittelweg zwischen PC-Master-Race-Grafik-Fetischisten und Matsch-Optik auf einem Taschenrechner. Wenn ich mir vorstelle, was die talentierten Game-Designerinnen und -Designer bei Nintendo mit potenterer Hardware anstellen könnten, wird mir schwindelig. Dass das möglicherweise mehr Zeit und Geld verschlingt, kann kaum ein Argument sein. Beim Anblick von Nintendos Geldspeicher würden sich selbst die Erzfeinde Dagobert Duck und Klaas Klever tröstend in die Arme nehmen.
Fairerweise sei gesagt, dass Nintendo versucht haben soll, eine schnellere Switch zu veröffentlichen. Die sagenumwobene Switch Pro wurde aber offenbar zugunsten der Switch OLED, respektive der Switch 2 eingestellt. Letztere wird 2024 erwartet. Darauf bin ich enorm gespannt. Dank modernen Upscaling-Technologien wie DLSS 3 und AI Frame Generation sollte selbst mit moderater Hardware ein riesiger Leistungssprung möglich sein. Das Potenzial, das Nintendo grafisch, aber auch spielerisch damit ausschöpfen könnte, scheint grenzenlos.
Bis dahin grummle ich weiter vor mich hin und schaue neidisch auf die Emulations-Szene. Dort gibt es mit der gestochen scharfen Zelda-Version in 4K mit 60 Bildern pro Sekunde zumindest einen Hauch Nextgen.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.