«Dragon’s Dogma 2»: Ich habe die Fortsetzung des Kult-Rollenspiels angezockt
Keine Ahnung, wieso Capcom einem mittelmässig erfolgreichen Rollenspiel nach so langer Zeit einen zweiten Teil spendiert. Aber zum Glück: «Dragon’s Dogma 2» zählt schon jetzt zu meinen Highlights des Jahres.
«Dragon’s Dogma 2» ist die Fortsetzung des Rollenspiel-Geheimtipps aus dem Jahr 2012. Sie ist grösser, hübscher und wahrscheinlich auch besser. So genau kann ich das nicht beurteilen. Beim ersten Teil war bei mir nach knapp fünf Stunden die Puste draussen. Das Spiel war mir zu unzugänglich und unansehnlich. «Dragon’s Dogma 2» ist immer noch kryptisch, aber im richtigen Mass. Und es sieht gut aus. Nach rund zehn Stunden mit der PC-Version bin ich ziemlich begeistert.
Es fängt an mit dem unglaublich vielseitigen Charaktereditor. Dass es neben Menschen und den katzenähnlichen Biestren keine weiteren Rassen gibt, ist der einzige Wermutstropfen. Abgesehen davon kann ich mich nach Lust und Laune austoben – besser gesagt, könnte. Ich nehme einen grossgewachsenen Löwen-Mann von der Stange und gut ist. Ich bin meist zu faul, respektive untalentiert, um mich da reinzufuchsen. Die Möglichkeiten wären vom Winkel der Knies, über die Länge des Halses bis hin zu einzelnen Zähnen extrem vielfältig.
Danach beginnt das Abenteuer – leider nicht sonderlich originell. Ich bin mal wieder der Auserwählte, «Erweckter» genannt, inklusive Gedächtnisverlust. So weit, so unoriginell. Die Geschichte ist bisher nicht meine Hauptmotivation zum Spielen – mit ein paar Ausnahmen: Vom Drachen, der mit seiner Kralle Herzen aus der Brust seiner Feinde pickt wie ein Coctailspiesschen will ich definitiv mehr sehen. Die machthungrige Herrscherin, die einen falschen Erweckten eingesetzt hat und deren Sohn hinter ihrem Rücken gegen sie arbeitet, hat ebenfalls Potenzial für spannende Wendungen. Da das Spiel mehrere Enden hat, dürften Entscheidungen im Spiel weitreichende Folgen haben. Auch wenn ich noch nichts davon gemerkt habe.
Das Abenteuer wartet
Nach dem kurzen Intro geht es los. Und zwar nicht alleine, sondern mit treuen Vasallen an meiner Seite. Die haben schon im ersten «Dragon’s Dogma» eine essenzielle Rolle gespielt. Sie sind eine Art Wesen ohne freien Willen und werden vom Erweckten magisch angezogen. Neben der eigenen Spielfigur designe ich anfangs darum auch meinen Hauptvasallen. Im Verlauf des Spiels kann ich zwei weitere rekrutieren. Wenn ich die Online-Funktion aktiviere, kann ich meinen Vasallen auch vermieten und die von anderen Spielerinnen in meine Gruppe aufnehmen.
Meine Party wird teilweise sogar noch grösser. Regelmässig stosse ich auf Passanten, Krieger oder Abenteurer, die sich mir kurzzeitig anschliessen. Sei es, um einen Goblin-Hinterhalt abzuwehren, eines der vielen riesigen Monster zu bezwingen oder um mir Geleitschutz zu gewähren. Wobei das primär ein Vorwand ist, um zu Beginn des Spiels die wichtigsten Spielmechaniken zu erklären. Diese Art von Tutorial finde ich super.
Die Informationen sind schön dosiert und ich werde nicht von unzähligen Textfenstern erschlagen. Das Spiel behält genug Dinge für sich, dass ich mitdenken muss. Es erinnert mich an «Elden Ring». Die Welt von «Dragon’s Dogma 2» ist angenehm kryptisch. Bei Quests sind die Informationen oft in Dialogen versteckt und nicht alles wird als Symbol auf der Karte markiert. Oder ich höre eine Unterhaltung, die mich auf eine neue Spur bringt. Das Spiel warnt mich auch davor, blind alle Aufgaben anzunehmen. Einige Dinge sind zeitkritisch. Wenn die Uhr ständig tickt, plane ich besser keine mehrtägigen Ausflüge, wenn ich der Wache zuvor versprochen habe, ihre Kumpanen aus einer Mine zu befreien.
Abgesehen davon steht mir die Welt zur freien Erkundung offen. Das Fantasy-Setting ist wunderschön inszeniert und dank dynamischen Tag-und-Nacht-Wechsel verändert sich auch die Stimmung. Der lauschige Spaziergang im Sonnenschein wird in der Nacht zum finsteren Spiessrutenlauf. Der kleine Lichtkegel meiner Laterne erhellt nur die unmittelbare Umgebung. So passiert es regelmässig, dass plötzlich ein paar leuchtend blaue Augen am Strassenrand aufblitzen und mich im nächsten Moment eine Horde grölender Goblins überfällt. Mir soll es Recht sein, das Kampfsystem ist ohnehin das Highlight des Spiels.
Kampfakrobaten
Gefahren lauern in «Dragon’s Dogma 2» an jeder Ecke. Entsprechend viel wird gekämpft. Da es verschiedene Klassen wie Dieb, Magier oder Bogenschütze gibt, habe ich mein Team möglichst vielseitig zusammengestellt. Meine Vasallen kämpfen selbstständig und agieren überraschend clever. Sie zaubern heilende Kuppeln, stärken meine Waffen mit Feuer oder tragen gefallene Verbündete zu mir, damit ich sie wiederbeleben kann.
Da ich selbst Krieger bin, stürme ich meist Kopf voran ins Gefecht. Neben den üblichen starken und schwachen Angriffen gibt es jede Menge Fertigkeiten zu erlernen. Dabei zeigt sich mein Krieger äusserst akrobatisch. Ich kann mit Saltos in die Luft springen, was besonders gegen fliegende Harpyien nützlich ist. Die versetzen mich mit ihrem Gesang in den Schlaf, wenn ich ihnen nicht rechtzeitig eins mit dem Schwert überziehe. Mit der entsprechenden Fähigkeit kann ich auch Vasallen auf Gegner katapultieren. Das ist im Kampf gegen meterhohe Bossgegner eine effiziente Taktik.
Dank des detaillierten Physiksystems kann ich an Gegnern hochklettern, um empfindliche Stellen zu erreichen. Ich kann auch versuchen, sie umzustossen oder Felsbrocken auf siewerfen. Umgekehrt kann mich ein Oger mit seiner Hand packen und mich durch die Luft schleudern. Weil die Kämpfe überwiegend im Freien stattfinden, nutze ich die Umgebung oft zu meinem Vorteil.
Einmal überrascht mich ein Minotaurus, als ich gerade ein Camp aufschlagen will. Weil die maximal verfügbare Lebensenergie durch Kämpfe abnimmt, muss sich mein Charakter regelmässig ausruhen. So stehe ich also diesem fünf Meter hohen, schnaufenden Ungetüm gegenüber, während mein Gesundheitsbalken nur das erste Viertel erreicht. Stur wie ich bin, ergreife ich nicht etwas die Flucht, sondern stelle mich der Herausforderung. Besser gesagt, stelle ich mich hinter einen Baum.
Der Kampf findet in einem Wäldchen statt. Ich beschränke mich darauf, meine Vasallen kämpfen zu lassen und sie wiederzubeleben. Der Kampf wird zunehmend chaotischer und der Minotaurus stürmt wie ein Berserker durch die Gegend. Trotzdem schaffe ich es immer wieder geschickt auszuweichen, bis er mit dem Kopf in einen Felsen knallt. Dann bleibt er kurzzeitig benommen liegen und wir knüppeln drauf, was unsere Ausdauer hergibt. Mit vereinten Kräften gelingt es uns schliesslich, das Monster zu besiegen. Dafür gibt es für meine Vasallen ein High-Five.
Solche Kämpfe bieten nicht nur beste Unterhaltung, ich erhalte auch seltene Materialien, um meine Ausrüstung zu verbessern. Die ist für mich ein weiteres Highlight und oft der Hauptgrund, warum ich Kriegerklassen spiele. Die massiven Plattenrüstungen sehen einfach todschick aus. Auch meine Vasallen kann ich ausrüsten und einkleiden.
Habe ich doch mal genug vom Kampf mit Schwert und Schild, ändere ich bei der entsprechenden Person meine Laufbahn. Bei den Vasallen wiederum hole ich mir einfach neue.
Vasallen: ohne Wille, dafür mit Charme
Apropos Vasallen. Die besitzen deutlich mehr Charakter, als ich erwartet habe. Sie sind äusserst plauderfreudig und kommentieren alles, was ich mache. Dass ich ständig renne, wird umgehend mit einem flapsigen Spruch kommentiert. Mein Sammelzwang ist ebenfalls Anlass für regelmässige Seitenhiebe. Zur Strafe dürfen sie das ganze Silber tragen, das ich eben geschürft habe.
Die Begleiter machen mich auch auf Schätze oder Ressourcen aufmerksam, die sie meist gleich selber holen. Manchmal entdecken sie Besonderheiten in der Umgebung und mit dem Befehl «Los», rennen sie zum Ziel. Wie sie agieren, hängt mit ihrer Wesensart zusammen. Es gibt gut, besonnen, schlicht und geradlinig. Die einen kämpfen besser, andere sind grosszügig im Umgang mit Geschenken.
Vasallen können auch Spezialisierungen erlangen, die Auswirkungen auf das Spiel haben. Einerseits positive, indem sie als Wundarzt Tränke gezielt einsetzen, aber auch negative. Was das genau bedeutet, habe ich noch nicht herausgefunden. Genauso wenig, was es mit der geheimnisvollen Krankheit auf sich hat, die Vasallen befallen kann. Sie soll gar dafür sorgen, dass mir meine Diener nicht mehr gehorchen. Das alles formt sie zu eigenständigen Wesen mit eigenem Charakter. Sie machen die sonst etwas statische Welt lebendiger. Die meisten Figuren in Städten und Dörfern stehen nämlich 24 Stunden am Tag am gleichen Ort. Auch die Spielwelt ist zwar eine visuell zauberhafte Kulisse, ausser streunenden Monster habe ich darin aber bisher wenig entdeckt.
Charakter hat die Welt durchaus. Mit den mystischen Kreaturen, verwunschenen Wäldern und kriegsgebeutelten Dörfern wirkt sie rau und gefährlich. Wasser wage ich mich gar nicht erst zu nähern, weil dort unheimliche rote Tentakel auf mich lauern.
Durch das eingeschränkte Schnellreisesystem ist jeder Ausflug ein echtes Abenteuer. Ich muss mich gut darauf vorbereiten, denn es wird ein Weilchen dauern, bis ich wieder zurückkehre. Habe ich mal wirklich keine Lust zu laufen, kann ich einen Reisestein einsetzen. Diese seltenen Verbrauchsgegenstände transportieren mich an Zielkristalle, die in allen grösseren Orten herumstehen. Zusätzlich kann ich bis zu zehn davon selber in der Welt platzieren.
Auch mit anderen Ressourcen muss ich haushalten. Vom Camping-Set, das ich benötige, um ein Lager aufzuschlagen, über Gold und Materialien für Upgrades bis hin zu den Lazarussteinen, die mich wiederbeleben können, ist alles Mangelware. Ich hoffe, das bleibt so. Dadurch muss ich gezielt Entscheidungen fällen, ob es sich lohnt, etwas einzusetzen oder nicht.
Negativ erwähnen muss ich die Performance. Trotz Highend-PC läuft das Spiel gerade in den Städten nur mit 30 bis 40 FPS. Zwar mit 4K-Auflösung und maximalen Details, das ist mit aktiviertem DLSS dennoch deutlich zu wenig. PCs mit weniger Leistung könnten an «Dragon’s Dogma 2» ziemlich zu beissen haben.
Fazit: wirkt wie ein Soulslike ohne eins zu sein
In «Dragon’s Dogma 2» muss ich mir beim Ableben keine Sorgen um verlorene Seelen machen, die mir beim Levelaufstieg fehlen. Trotzdem fühlt sich das Spiel durch die Limitationen beim Reisen, Campen und dem schwindenden Gesundheitsbalken ähnlich grimmig wie ein Soulslike an – nur mit weniger Konsequenzen. Und wie bei Soulslike sind Kämpfe gegen riesige Monster schweisstreibend, erfordern viel Geschick und die Belohnung ist dafür zuckersüss.
Die chaotischen Bosskämpfe sind sowieso das Highlight. Wo sonst kann ich am Hals eines Greifs hochklettern, der im gleichen Moment abhebt, mich in 100 Metern Höhe abschüttelt und wie einen nassen Sack auf den Boden knallen lässt.
Die Vasallen sind das zweite herausragende Element von «Dragon’s Dogma 2». Wenn ich mit meinen willenlosen Verbündeten durch die Wildnis streife und Bemerkungen fallen wie: «Ist euch aufgefallen, dass unsere Gruppe nur aus Frauen besteht?», muss ich jedes Mal schmunzeln. Dabei ist es nicht meine Schuld, dass die anderen Reviewer zu 80 Prozent weibliche Vasallen designen, die mir dann zur Auswahl stehen. Ok, vielleicht ein bisschen, meine Bogenschützin ist schliesslich eine Dame. Dafür trägt sie wenigstens eine ordentliche Rüstung, was ich von anderen Begleitern nicht immer behaupten kann.
Mit ihren Meinungen und Kommentaren erinnern mich die Begleiter an «Dragon Age». Die quatschen nonstop, was sie sehr lebendig macht. Die Vasallen in «Dragon’s Dogma 2» haben zwar deutlich weniger Dialogzeilen, fühlen sich dennoch wie echte Verbündete an. Sie sorgen dafür, dass ich mich auf meinen Abenteuern nie alleine fühle.
«Dragon’s Dogma 2» scheint genau das Spiel geworden zu sein, das sich Fans seit Jahren gewünscht haben. Mich hat die Mischung aus spektakulären Kämpfen, wenig Händchenhalten und toller Grafik jedenfalls gepackt und ich kann es kaum erwarten, den Rest der Welt zu erkunden.
«Dragon’s Dogma 2» ist ab dem 22. März für PC, PS5, und Xbox Series verfügbar. Das Spiel wurde mir von Capcom zur Verfügung gestellt
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.