Ein Besuch auf der «Man’s World»: Nicht meine Männlichkeit
Nienienie, wirklich gar nie hatte ich die Absicht, je die Männermesse «Man’s World» in Zürich zu besuchen. Tja, letztes Wochenende war ich da. Eine kurze Geschichte über Vorurteile, «Männerprodukte» und kostümierte Messebesucher. Und Rum.
Eine Klischee beladene Zurschaustellung toxischer Männlichkeitsbilder. So würde ich mein pickelhart zementiertes Vorurteil gegen die «Man’s World»-Messe, die jährlich seit 2016 stattfindet, beschreiben. Weil dieses von mir da hineingelesene Männerbild so ganz und gar nicht meinem persönlichen entspricht, ist es mir nicht im Traum in den Sinn gekommen, da mal hinzugehen. Jetzt war ich doch da. Kann ja ganz lustig werden, dachte ich mir. Mal meine Vorurteile einer Prüfung zu unterziehen, kann nie schaden.
Der erste Eindruck
Klischees bestätigt. Das ist mein erster Gedanke, als ich die Halle 550 in Zürich Oerlikon betrete. Viel Schwarz, viel dunkles Holz, bärtige Männer in Jeanskluft mit Cowboystiefeln. Sehr gezielt – und wie ich finde gesucht – irgendwelche alten Männlichkeitsklischees ausgegraben und zum Messedesign gemacht. Ein Männlichkeitsbild vergangener Zeiten, dem nur noch nachhängen kann, wer Männer- und Rollenbilder von vor 50 bis 60 Jahren hochhalten will.
Die ausgestellten Produkte
Während ich so durch die Halle schlendere und die Promo-Stände begutachte, muss ich zugeben: Die Produkte sprechen mich an. Okay, die Vielfalt ist überschaubar, aber Getränke, Kleidung, Pflegeprodukte, Kaffee, Uhren etc. sind alles Themen, die mich durchaus interessieren. Nur – ich könnte aus dem Stegreif locker ein gutes Dutzend Frauen aus meinem Umfeld aufzählen, die sich genauso für all das interessieren. Ganz ehrlich, genau die gleichen (oder zumindest sehr ähnliche) Produkte findest du auch an jeder x-beliebigen Gewerbemesse, vielleicht einfach nicht alle auf so kleinem Raum, sondern zwischen Whirlpools, Küchenutensilien, Trockenfrüchten und Staubsaugern.
Vor allem der Stand einer Weinhandlung fällt mir auf. Genauer gesagt die vier Männer, die den Stand betreiben. Die passen nämlich wirklich wie die Faust aufs Auge – oder besser: wie übertrieben «männliche» Männer an die Männermesse. Der grosse Rest der Promotoren könnte genauso gut Gratisproben im (beliebiges Warenhaus einsetzen) verteilen oder an der Olma, BEA oder Higa Dampfbügeleisen feilbieten.
Die Besucher
Ich komme gleich nach Türöffnung auf die Messe, es kann also gut sein, dass das Publikum um diese Uhrzeit sich von späteren Zeiten oder anderen Wochentagen unterscheidet. Trotzdem mache ich jetzt mal eine kleine Typologie. Mir fallen nämlich grob gesagt drei Besucher-Typen (ja, nur die Männer) auf:
- Dani Durchschnittsschweizer: So würde ich die relativ bieder-gewöhnlich gekleideten Männer bezeichnen, zu denen ich mich auch selbst zähle. Hemd, T-Shirt oder Pullover, Jeans oder Chinos, Sneakers.
- Kari Klischee: Das wären dann diese Wie-die-Faust-aufs-Auge-Typen an einer Männermesse, die diesen Style auch in ihrem Alltag pflegen. Einen Knopf zu weit geöffnete Hemden, Shirts mit zu tiefem V-Ausschnitt, Westen, Vollbärte oder perfekt glatt rasiert, die Haare zu Tollen oder Man Buns frisiert, Jeans- oder Lederjacken, Bluejeans, Lederboots oder Cowboy-Stiefel. Versteh mich nicht falsch: An diesen Outfits ist überhaupt nichts falsch und einige dieser Elemente trage ich selbst. Aber die Gesamtbilder in dieser Häufung, das ist mir dann einfach doch zu viel Testosteron.
- Fritz Fasnacht: Last but not least sind da (zu) viele Typen, die eigentlich die prototypischen Danis sind, anlässlich der «Man’s World» aber mehr oder weniger unerfolgreich versuchen, sich einen Touch von Kari zu geben. Kapuzenhoodie, schlabbrige Jeans – und Cowboystiefel. Zu enge Jeans, ein 08/15-Hemd (zu viele Knöpfe offen) – und eine zu enge Weste. Du siehst diesen Typen einfach an, dass sie sich nicht so richtig wohl fühlten damit und im Alltag wohl nie so rumlaufen würden.
Fazit: Nicht meine Männlichkeit
Punktuell sehe ich meine Vorurteile bestätigt. Auf der anderen Seite finde ich, wenn ich das übertrieben auf ein überholtes Männlichkeitsbild getrimmte Design der Messe mal aussen vor lasse, die Produkte durchaus interessant. Zugegeben, auf den riesigen Bagger und den Helikopter könnte ich wirklich verzichten – null Mehrwert für mich –, aber am Ende laufe ich doch nicht mit leeren Händen aus der Halle. Als ich schon fast abgeschlossen habe mit der «Man’s World», bleibe ich am Stand eines Spirituosenhändlers hängen. Eine Degustationsbox mit sechs 10cl-Flaschen Rum ist jetzt auf dem Weg in meine Hausbar.
Ich bin Mann, also Zielgruppe dieser Männermesse. Nur fühle ich mich von dem Konzept auch nach meinem Besuch nicht wirklich angesprochen. Die Produktauswahl passt mir zwar, all das finde ich aber auch anderswo. Neues entdecke ich nicht. Wenn Kaffee, Alkoholika und Kleidung die einzigen Produktkategorien sein sollen, die Männer interessieren, tut's mir ein wenig leid um uns Männer. Wir sind doch nicht so einfach gestrickte Simpel.
Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.